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Auch in Amlach hoben früher die „Adler“ ab

Schon gewusst? Im Lienzer Talboden wurde Skisprunggeschichte geschrieben.

Wer über die Sprungschanzen am Hochstein gestaunt hat, wird auch von diesem „Flugplatz“ beeindruckt sein. Um ihn zu finden, müssen wir erneut in die Vergangenheit reisen. Nicht weit entfernt vom Lienzer Hochstein verewigten sich einst die Planer, Berechner und Erbauer am Fuße des Rauchkofels. Bei älteren Semestern oder aufmerksamen Spaziergängern dürfte es nun klingeln. Am Wegrand eines Weges auf Höhe des Reitstalles von Norbert Pfeifhofer erinnert eine gelbe Tafel an ein Stück Osttiroler Sportgeschichte, das ansonsten in Vergessenheit geraten wäre. Dort am Waldrand wurde am 28. Jänner 1956 nach umfangreichen Arbeiten die sogenannte „Dolomitenschanze“ eröffnet. „Die Schanze wird gebaut!“ – mit diesen Worten legte Professor Astner in einer Sitzung des Lienzer Skiclubs den Grundstein für den Bau der Schanze in Amlach. Zuvor war der SCL im Mai 1954 mit der Durchführung der Österreichischen Skimeisterschaften 1956 beauftragt worden. Für die nordische Disziplin musste eine Schanze her. Die Kassen des Skiclubs waren nicht üppig gefüllt, dennoch entschied man sich für das Projekt.
Beeindruckende Bilder aus dem Archiv von Ortschronist Alois Micheler zeigen den Bau der Dolomitenschanze. Fotos: Archiv Micheler/Thenius
Ein Kostenvoranschlag bezifferte die Baukosten auf 120.000 Schilling. Das entspricht heute zwar nur rund 9.000 Euro, für die damaligen Verhältnisse des SCL war es aber ein hoher Betrag. Es gab durchaus Zweifel daran, ob es dem Skiclub gelingen würde, die Schanze zu bauen. Letztlich war es eine kleine Gruppe, die mit Konsequenz ihr Ziel verfolgte und mit schweren Geräten und Maschinen fast 10.000 Kubikmeter im Steilhang bewegte. 1956 wurden die Arbeiten abgeschlossen, das Wagnis war gelungen.
Michelers Fotomontage zeigt, wo die Schanze gebaut wurde.
Vertreter und Sportler aus dutzenden Ländern kamen am 28. Jänner 1956 nach Amlach, um das internationale Eröffnungsspringen zu verfolgen. Die Delegationen waren voll des Lobes. Ihrer Ansicht nach war die Schanze damals einzigartig in Mitteleuropa. Alois Micheler, Dorfchronist von Amlach, stand damals mit 6.000 Zuschauern in der Auslaufzone.
Alois Micheler zeigt uns, wo er 1956 mit seinen Schulkolleg:innen stand. Foto: Dolomitenstadt/Wagner
„Wir sind damals mit der gesamten Schulklasse hierher gekommen“, erzählt Alois, während er uns zeigt, wo die Dolomitenschanze stand. Heute ist nichts mehr übrig, der einst mächtige Hang ist zugewachsen, der Schanzentisch aus Holz verrottet. Alois hat das Amlacher Kapitel der Skisprunggeschichte in Bild und Text festgehalten.
Rund 6.000 Zuschauer kamen am 28. Jänner 1956 zum Eröffnungsspringen nach Amlach.
Unter den Felswänden des Rauchkofels ging es vor über 60 Jahren hoch her. „Das rechte Wetter, die großartige Sprunganlage, die Teilnahme von Springern der Weltklasse, die tausenden Zuschauer aus ganz Osttirol, aus Kärnten und der Steiermark und auch aus dem Ausland sorgten für eine unvergessliche Veranstaltung“, erinnert sich Alois. Selten habe es in Lienz eine solche Autoauffahrt gegeben – 335 Autos wurden gezählt, dazu kamen die Omnibusse und der Pendelverkehr zwischen Lienz und Amlach. Unter den Ehrengästen sah man Bezirkshauptmann Otto Hosp, Bürgermeister Michael Meirer aus Lienz und den Amlacher Bürgermeister Franz Idl Senior. Rund 6.000 Zuschauer kamen am 28. Jänner 1956 zum Eröffnungsspringen nach Amlach. Auch auf der Schanze war einiges los. Der Erfolgsspringer Sepp „Buwi“ Bradl – er war 1936 als 18-Jähriger in Planica als erster Mensch auf Skiern über 100 Meter weit geflogen – forderte im Training vor dem Eröffnungsspringen eine Senkung und Kürzung des Schanzentisches. Sein Vorschlag stieß bei den Ingenieuren Thenius und Ebner auf wenig Gegenliebe, immerhin hatten sie die Schanze nach genauesten Berechnungen und unter strenger Einhaltung der FIS- Normen gebaut. 32 Springer aus Frankreich, Jugoslawien, Österreich und der Schweiz hoben in Amlach ab. Österreich und die Schweiz reisten zudem mit ihren Olympiamannschaften an. Mittendrin: Der 38-jährige „Buwi“ Bradl. Er lernte die Schanze lieben, zeigte sich bereits im Training in Bestform und markierte mit 84 Metern die Höchstweite. Die Eidgenossen trafen erst am Sonntag aus Cortina ein und hatten ihre Probleme mit der neuen Schanze. Tschamsen stürzte beim Training und trat im Wettkampf nicht mehr an. So blieb nur noch Andreas Däscher übrig, der den erstarkten Bradl zum Duell forderte.
Ein Blick vom „Balken“ ins Zielstadion.
Mit Note 110,5 brachte der Olympionike aus der Schweiz seinen ersten Sprung ins Ziel, Bradl flog eineinhalb Meter weiter und holte die Note 113. Im zweiten Durchgang, bei dem der Anlauf um zwei Meter verlängert wurde, landete Däscher bei 81,5 Metern, während Bradl bei 82,5 Meter in vollendetem Stil aufsetzte. Die Zuschauer tobten. Die Sprungrichter belohnten Bradls Flug mit Sieg und den Haltungsnoten 18,5, 19 und 19,5. Mit seinem Sprung stellte „Buwi“ damals den Schanzenrekord auf, der nie mehr gebrochen wurde. Auch ein Lokalmatador setzte 1956 zu einer sehenswerten „Luftfahrt“ an. Roman Kratzer zischte unter dem Beifall der 6.000 Fans über den Hang und landete nach 65 Metern. Sein Sprung war nicht nur mutig, sondern auch schön. Die Sprungrichter quittierten die Leistung des Lienzers mit hohen Haltungsnoten. Die Athleten waren nach dem Eröffnungsspringen voll des Lobes. „Meine Leute sind sehr beeindruckt von der Schanze und von der grandiosen Gastfreundschaft, die ihnen hier geboten worden ist“, soll etwa Frankreichs Gachat geschwärmt haben. Der Schweizer Mannschaftsführer Färber sah damals in der Schweiz keine vergleichbare Anlage. Nach der Generalprobe fanden im Februar 1956 in Amlach die Österreichischen Meisterschaften statt. Bradl war wieder nicht zu schlagen. Er holte auf der Dolomitenschanze seinen 14. Meistertitel und beendete daraufhin seine aktive Karriere. 1961 wurde in Amlach noch einmal die Österreichische Meisterschaft durchgeführt. Damals triumphierte Otto Leodolter. Um das Ende der Schanze ranken sich heute noch Mythen. Tatsächlich fiel die „Dolomitenschanze“ dem Hochwasser 1965/66 zum Opfer. Da keine weiteren Großereignisse in Aussicht waren, wurde die Schanze nicht mehr aufgebaut und verwilderte.  
Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner studierte an der FH Joanneum in Graz und ist ein Reporter mit Leib und Seele. 2022 wurde Roman vom Fachmagazin Österreichs Journalist:in unter die Besten „30 unter 30“ gewählt.

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Zurückgewedelt – eine Zeitreise am Lienzer Hochstein

8 Postings

lokal
vor 2 Jahren

dass die schweiz keine vergleichbare anlage hatte bezweifle ich, bitte zuerst recherchieren und dann schreiben...stichwort olympiaschanze von st moritz...

 
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Bella
vor 2 Jahren

Ich bin letzten Sommer zufällig bei einem Talbodenspaziergang auf die Schanze gestoßen, von deren Existenz ich bis dahin gar nichts wusste. Heute hier darüber so viele Details zu erfahren, ist sehr schön! Vielen Dank!

 
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Happy Auer
vor 2 Jahren

Super interessant weiter so!!!!! in und über Osttirol.

 
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Chronos
vor 2 Jahren

Zeitreise - sehr interessant, top dieser Artikel! Vielen Danke, Roman Wagner

 
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Kiew
vor 2 Jahren

Ich war damals mit meinem Vater dabei. Ein Ereignis, das ich nie vergass. Ich glaube, einige träumten von einer 5-Schanzentournee. Leider kam bald darauf das Ende für alle Schanzen im Lienzer Becken.

Gleich nach dem Krieg gab es jedes Jahr eine bescheidene Schneeschanze auf der Neureutherwiese, wo jahrelang viele Schifahren und Rodeln lernten, bevor der Skizirkus zum Haidenhof übersiedelte.

 
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thomas78
vor 2 Jahren

Und schon wieder ein Zeitreisebericht. Bravo! Lesenswert, sehenswert. Unglaublich was da für ein Bauwerk im Wald gestanden hat. Ich wünsche mir weitere Zeitreise Artikel Osttirol weit. Gibts noch was?

 
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roli72
vor 2 Jahren

Super Bericht.Hoch interessant.👍

 
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bergfex
vor 2 Jahren

Danke für den tollen Beitrag.

 
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