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Osttirol: Dramatischer Kampf gegen den Borkenkäfer

Solidarität im ganzen Land und millionenteure Maßnahmen sollen den Schädling stoppen.

Dem Wald in Osttirol geht es nicht gut. In den Jahren 2018, 2019 und 2020 fielen durch Windwurf und Schneebruch mehr als zwei Millionen Kubikmeter Schadholz an, die zehnfache Menge des jährlichen Holzeinschlags im Bezirk. Alle Anstrengungen der Waldbesitzer zur Schadholzaufarbeitung konnten einen massiven Borkenkäferbefall im vergangenen Jahr nicht verhindern, weil gewaltige Schneemengen im Winter 2020/2021 viele Wälder erst sehr spät zugänglich machten. Angesichts der dramatischen Situation – 1.700 Befallsherde und 67.000 betroffene Bäume wurden bisher gezählt – trat nun die Landesregierung auf den Plan und stellte am 7. April in Hopfgarten im Defereggental ein umfassendes Rettungsprogramm vor. „Wir sagen dem Borkenkäfer in Osttirol den Kampf an. Es geht um die Sicherheit des Lebens- und Wirtschaftsraums. Wir bündeln unsere Kräfte, um die Schutzwirkung der Osttiroler Wälder zu gewährleisten und wiederherzustellen“, kündigt LHStv Josef Geisler eine beispielslose Solidaritätsaktion an.
Zigtausende Bäume hat dieser Schädling in Osttirol schon befallen. Jetzt soll der Borkenkäfer mit einer millionenschweren Aktion gestoppt werden. Foto: APA
80 Prozent des Osttiroler Waldes haben eine Schutzfunktion, die durch die Schäden der letzten Jahre ohnehin gemindert ist. Jetzt muss eine weitere Schwächung des Waldes durch die explosionsartige Vermehrung des Borkenkäfers verhindert werden. 60 Fachleute der Landesforstdirektion in Innsbruck sowie der Bezirksforstinspektionen im ganzen Land werden deshalb in Osttirol zeitlich gestaffelt zusammengezogen, um bei der Organisation der Borkenkäferbekämpfung mitzuhelfen. Außerdem haben sich aktuell 46 Waldaufseher aus Nordtiroler Gemeinden gemeldet, die in Summe 60 Wochen in Osttirol zum Einsatz kommen. „Ich danke den Bezirkshauptleuten und den Gemeinden, aber vor allem dem Forstpersonal selbst, dass sie sich solidarisch zeigen und unsere Bekämpfungsstrategie in dieser einzigartigen Art und Weise unterstützen“, so LHStv Geisler. Zusätzlich zum Personaleinsatz werden vier Millionen Euro in Maßnahmen zum Forstschutz und der Aufarbeitung von Schadholz investiert. Fast eine Million davon bringen die Gemeinden und Waldbesitzer auf.
Bürgermeister Markus Tönig (Hopfgarten i.D.), LHStv Josef Geisler und Erich Gollmitzer, Leiter Bezirksforstinspektion Lienz, mit einem Stück Baumrinde samt Borkenkäferbefall. Foto: Land Tirol/Huldschiner
Wie das Forstschutzkonzept konkret aussieht, erläutert Landesforstdirektor Josef Fuchs: „Wir müssen zum einen die verbleibenden Schneebruchschäden aus dem Jahr 2020 beseitigen und im Sinne der Borkenkäferfrüherkennung vom Borkenkäfer befallene Bäume identifizieren und so rasch wie möglich behandeln, um eine weitere Borkenkäfervermehrung zu verhindern. Aufgrund der Dimension des Problems ist es notwendig, sehr zielgerichtet vorzugehen.“ Von Mitte Mai bis Ende Juli werden täglich durchschnittlich fast 20 Personen ausschwärmen und alle betroffenen Waldflächen begehen. „Das ist die entscheidende Phase, in der es Personal vor Ort braucht. Satellitenbilder und Ähnliches helfen hier nicht.“ In Summe werden 7.000 Hektar Wald „durchforstet“, um vom Borkenkäfer frisch befallene Bäume zu erfassen. Im Zuge der Begehungen wird jeder einzelne befallene Baum markiert. Ideale Bedingungen für den Borkenkäfer „Die Zeit ist ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung der Borkenkäfermassenvermehrung“, sagt Christian Schwaninger, Vorstand der Abteilung Waldschutz. „Wir haben leider optimale Bedingungen für den Borkenkäfer. Aufgrund der Trockenheit und der milden Temperaturen in den vergangenen Wochen haben die Waldbäume geringe Abwehrkräfte.“ Die Borkenkäfer legen ihre Eier in die saftführende Schicht der Bäume zwischen Holz und Rinde. Die Larven fressen diese Schicht und unterbrechen somit den Wasserkreislauf. Der Baum stirbt. Nach sechs bis zehn Wochen fliegt der Käfer aus und bohrt sich in den nächsten Baum ein. Je nach Witterung sind so in einem Jahr bis zu drei Generationen an Borkenkäfern möglich. „Und genau dieser Entwicklung gilt es durch frühzeitiges Einschreiten Einhalt zu gebieten und gezielte Forstschutzmaßnahmen zu setzen“, erklärt Schwaninger. Sind die befallenen Waldflächen und Bäume identifiziert, wird umgehend mit der Bekämpfung begonnen. „Dabei kommen verschiedene Bekämpfungsmaßnahmen zum Einsatz“, schildert Erich Gollmitzer, Leiter der Bezirksforstinspektion Osttirol. In Abstimmung mit den Gemeinden und den WaldeigentümerInnen wurden die Maßnahmen bereits im Herbst/Winter geplant und festgelegt. Die entsprechenden Arbeitsgespräche hat die Bezirksforstinspektion in Zusammenarbeit mit den Gemeindewaldaufsehern mit allen betroffenen WaldeigentümerInnen bereits geführt. Um eine Massenvermehrung der Borkenkäfer zu verhindern, werden auf betroffenen Waldflächen einzelne oder mehrere frische Bäume bzw. Baumgruppen gefällt, in denen der Borkenkäfer dann die Brut anlegt. Vier Wochen nach der Besiedlung werden die sogenannten „Fangbäume“ aus dem Wald gebracht. Auf ca. 300 Befallsflächen sind solche Fangschläge geplant. Der Borkenkäfer geht ins Netz In bisher in Tirol noch nie dagewesenem Umfang kommt in Osttirol auch das System Trinet zum Einsatz. „Dabei handelt es sich um ein pyramidenförmiges Dreibeingerüst, über das ein Netz gespannt ist. In dieses Netz ist ein Wirkstoff eingearbeitet, der den Borkenkäfer in kürzester Zeit wirkungsvoll bekämpft. Der Wirkstoff kann nicht ausgewaschen werden und deshalb auch nicht in den Boden kommen“, erklärt Gollmitzer. Im Schnitt ca. 100 Dreibeine pro Gemeinde, also rund 3.500 Stück dieses Systems, werden zum Einsatz kommen. Die Kosten dafür liegen bei 250.000 Euro, die vom Bund im Rahmen des Waldfonds zu 80 Prozent und zu 20 Prozent von den Gemeinden und den Waldeigentümer:innen getragen werden. Das System Trinet eignet sich vor allem für Flächen mit kleineren Borkenkäfernestern mit zehn bis 20 Bäumen und Gebiete, in denen ein Maschineneinsatz nicht infrage kommt.
Das System Trinet, ein pyramidenförmiges Dreibeingerüst, über das ein Netz gespannt ist, soll tausendfach in Osttirol aufgestellt werden und Borkenkäfer neutralisieren. Foto: Land Tirol/Huldschiner
Mit 160.000 Kubikmeter Schadholz in Folge von Windwurf und Schneebruch ist das Defereggental eine der hauptbetroffenen Regionen. In der Gemeinde Hopfgarten i. D., in der mehr als 90 Prozent der Waldfläche Schutzfunktion haben, wird nunmehr ein Hauptaugenmerk auf den „Gronglwald“ gelegt. „Der Gronglwald ist ein unverzichtbares Schutzelement vor Naturgefahren für Wohngebäude sowie Landes- und Gemeindestraße. Wir wollen möglichst viel vom geschädigten Wald erhalten und die neuen Kahlflächen so rasch wie möglich wieder vollständig aufforsten. Dabei sind wir für jede Unterstützung dankbar“, betont Bürgermeister Markus Tönig die Dringlichkeit der Maßnahmen. Mit den Arbeiten wurde vergangene Woche bereits begonnen. 500 frische Bäume werden geschlägert, um den Borkenkäfer gezielt anzulocken. Dieses Holz wird Anfang Juni mittels Lasthubschrauber ausgeflogen. Begleitend dazu werden 20 Trinet-Anlagen aufgestellt. Im Herbst sollen dann 4.000 Bäume neu gepflanzt werden. „Die Borkenkäferbekämpfung in Osttirol ist ein Kraftakt. Allein das Beispiel Hopfgarten zeigt, wie aufwändig diese Aktion nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch ist. Wenn das Holz aus dem Wald gebracht ist, muss es auch noch verarbeitet werden. Allen, die einen Beitrag zur Erhaltung unserer Schutzwälder leisten, möchte ich ganz herzlich danken – den WaldbesitzerInnen, den Gemeinden mit den Waldaufsehern sowie den MitarbeiterInnen der Bezirksforstinspektion und der Landesforstdirektion“, so LHStv Josef Geisler.  

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