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Tiwag-Chef sieht keine Möglichkeit für Gas-Ausstieg

Wasserkraftausbau für Erich Entstrasser auf Schiene: "Wir bauen derzeit so viel wie wohl nie zuvor."

Der Vorstandsvorsitzende des Tiroler Energieversorgers Tiwag, Erich Entstrasser, sieht die aktuellen Zielvorstellungen in Österreich und Europa in Bezug auf die Energiewende kritisch. "Zu sagen: 'Morgen raus aus Gas' - das wird nicht funktionieren. Das hätte enorme Folgen, die wir bereits sehen", sagte Entstrasser im APA-Interview. Auch das alleinige Setzen auf Photovoltaik und Windkraft sei zu kurz gedacht, denn dann wäre es zu bestimmten Zeiten "ziemlich kalt". Diese Erkenntnis sei "in Expertenkreisen schon lange vorhanden", betonte der Tiwag-Vorstandschef. "Die Politik wäre gut beraten, bei ihren Entscheidungen die Expertenmeinungen zu berücksichtigen", mahnte Entstrasser. Statt "punktueller, ideologiegetriebener Lösungen" und der Verfolgung von "partiellen Einzelinteressen" brauche es eine "gesamthafte Schau auf das Energiesystem" und einen guten "Mix". Die Energiewende sollte nicht rückabgewickelt, sondern überdacht werden. CO2-getriebene Energieträger sollten mehr und mehr der Vergangenheit angehören, aber mit "akzeptablen Zeithorizonten" für die Umstellung versehen werden. Es werde auch in zehn Jahren noch Gas geben - "zwar viel weniger als heute, aber doch". Zudem brauche es gesicherte Grundlasterzeugung, so der Tiwag-Chef. Dies zeige beispielsweise auch die Entwicklung in Deutschland. Dort sei man bereits wieder bestrebt, Kohle- und Gaskraftwerke ans Netz zu bringen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. "Nur Photovoltaik und Wind wird nicht funktionieren. Es braucht Leitungs- und Speicheranlagen, wie etwa Pumpspeicherkraftwerke. Nennenswerte Speicher- und Grundlastenenergie kommt nicht aus Photovoltaik, sondern aus anderen Kraftwerkstypen. Es wird ergänzend zu den volatilen Erzeugungen aus Wind und PV auch andere Kraftwerke brauchen, die ständig gesichert produzieren, egal welches Wetter vorherrscht. Und die die Möglichkeit haben, Überschusserzeugung, die Wind und Photovoltaik zu Zeiten liefern, in denen sie nicht verbraucht wird, zu speichern", meinte Entstrasser. Es sei nicht eine Frage des "Entweder-oder", sondern des "Sowohl-als-auch", die letztlich über den Erfolg der Energiewende entscheiden werde.
Erich Entstrasser ist überzeugt: "Nur Photovoltaik und Wind wird nicht funktionieren. Es braucht Leitungs- und Speicheranlagen, wie etwa Pumpspeicherkraftwerke.“ Foto: Brunner Images
Dass bis zum Jahr 2030 zusätzlich etwa elf Terawattstunden zur Erreichung der nationalen Klima- und Energieziele im Strombereich aus der Photovoltaik und weitere zehn aus dem Wind kommen sollen, hält der Tiwag-Vorstandsvorsitzende für "nicht erreichbar". Dies entspreche dem Gegenwert von jeweils mindestens zehn großen Donaukraftwerken. "Nur mit Wind und Photovoltaik werden die Ausbauziele, so wie jetzt vorgesehen, zudem keine sichere Energieversorgung gewährleisten", schlussfolgerte Entstrasser. Dass Gas aus Russland in Folge des Ukraine-Krieges knapp, limitiert oder abgedreht werden könnte, hoffte Entstrasser nicht, derzeit schaue es Gott sei Dank nicht danach aus. Betroffen wären im Worst-Case-Fall im kommenden Winter nicht die "geschützten Kunden" (Haushalte, Krankenhäuser etc.) - da abgesichert durch die gerade angelegten strategischen Gasreserven sowie durch die Energielenkung durch die Politik -, sondern die großen Betriebe, sprich die Industrie: "Das hätte dann aber verheerende, oft unterschätzte Rückwirkungen durch den Verlust von Arbeitsplätzen, Wertschöpfung und Importquoten". In puncto Befüllung der Gasspeicher sah der Tiwag-Chef Österreich auf einem "guten Weg". Die vorgegebenen 80 bis 90 Prozent seien ein "ehrgeiziges Ziel, aber machbar". Bei den Energiepreisen rechnete der Manager im kommenden Jahr mit einem weiteren Anstieg - demzufolge werde sich das auch für Standardkunden über die Indexbildung niederschlagen: "Es wird Erhöhungen geben müssen." Abhängig sei dies alles natürlich davon, was auf der Börse passiere und ob es zu einer Entkoppelung von Strom- und Gaspreis komme. Die Tiwag habe jedenfalls trotz Erhöhungen nach wie vor den "günstigsten Strompreis" unter den Landesgesellschaften. Die Gesamtstromrechnung für Standardkunden sei für 2022 aufgrund der Entlastungsmaßnahmen der Politik sogar um rund 100 Euro billiger als im Vorjahr, wurde betont. Die Tiwag-Bilanz für das Jahr 2021 wird indes erst nach dem Beschluss der Hauptversammlung Ende Juni veröffentlicht, Entstrasser gab allerdings bereits erste Einblicke. Beim operativen Konzernergebnis liege man um rund neun Prozent unter jenem des Jahres zuvor. Dies hänge in erster Linie mit dem schwierigen Umfeld im Gasbereich zusammen. Das Ergebnis vor Steuern sei deutlich besser als 2020 - dies resultiere aber weniger aus dem operativen Geschäft, als aus der Bewertung von Bilanzpositionen. Auch der Umsatz sei gestiegen, aber dies sei "logisch, wenn die Preise steigen". "Von Rekordergebnissen sind wir meilenweit entfernt", betonte der Vorstandsvorsitzende jedenfalls. In Sachen Wasserkraftausbau sah Entstrasser alles auf Schiene: "Wir bauen derzeit so viel wie wohl nie zuvor." Er verwies auf 1,6 Mrd. Euro an Investitionen in den kommenden fünf Jahren. Der mitunter heftig bekämpfte Ausbau des Kraftwerks Kaunertal sei wiederum essenziell, wolle Tirol - wie politisch vorgegeben - wirklich bis zum Jahr 2050 energieautonom sein und die Energiewende vorangetrieben werden.

6 Postings

so ist es vielleicht
vor 2 Jahren

Photovoltaik scheint den Stromanbietern irgendwie ein Dorn im Auge zu sein/zu bleiben. 🤔 Es geht dabei ja eh nur um die direkte Nutzung für Licht, Kochen/Waschen oder PC/TV oder ums Laden von Akkus 🔋 🔋 🔋! Dieser Kleinverbrauch kann auch bei Firmen oder Bauernhöfen o.ä. genutzt werden...und nur darum geht es, dass Lieferwege für Strom kurz gehalten und möglichst direkt verbraucht werden können. Für Großabnehmer und Netzstabilität braucht es natürlich weiterhin größere Lösungen, aber die Energieerzeuger sollen endlich aufhören, diese lokale Art der Stromerzeugung immer einwenig negativ zu bewerten. Und es sollte mehr fürs Einspeisen lukriert werden, denn selbst dieser Strom kann schon vom nächsten Wohnblock oder Einfamilienhaus ohne Photovoltaikanlage wieder verwertet werden!

 
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    tiroler85
    vor 2 Jahren

    Natürlich hats der Stromanbieter nicht so gern, wenn der Kunde seinen Strom selber erzeugen kann. Die OMV würdes es auch nicht gerne sehen, wenn wir selber nach Öl bohren würden ;). Wenn der Kunde dann auch noch eine Speicherlösung für die Energie hat, ists monetär noch schlechter für den Netzanbieter.

     
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      Senf
      vor 2 Jahren

      @tiroler85: mich faszinieren immer wieder die geistreichen argumente wenn es um photovoltaik geht. man richtet es, wie man es braucht und lasst es tuschen. hauptsache ein schuldiger wurde gefunden!

      dem stromanbieter ist es egal, wenn du deine elektroenergie selbst erzeugen kannst, allerdings muss er immer dann herhalten, wenn du gerade keinen strom erzeugst, aber am meisten brauchst. stell dir vor, du fährst im frühling oder herbst mit deinem e-goggomobil abends von der arbeit heim, willst volltanken (laden) und? ... gott sei dank fährt in der früh der bus, das privatgefährt hängt ja leider an der nabelschnur - den ganzen, nächsten tag lang. ausser du nimmst das angebot deines stromanbieters an und steckst über nacht an.

      ganz schlimm dann im tirolerwinter. es schneit. diesmal nachts. wer steigt nun frühmorgens aufs dach - du freilich! denn deinem opa und deiner frau macht die zigmalige reinigung der solarzellenplatten am tag, oder über winter keine freude ... aber nicht nur bei dir funktionierts zu diesen zeiten nicht so optimal, auch im ganzen bergland wird geflucht!

      ja lieber tiroler85, deshalb gibt es ja die großen lieferanten, die in der lage sind, jederzeit ausreichend strom zu produzieren und damit zu handeln. sie haben ja den versorgungsauftrag, sie helfen dann, wenns bei dir und landauf-landab knapp wird.

      der vergleich mit der ömv, die offenen frage der speicherlösung? ja, das ist völlig überflüssig.

      und damit du mich richtig verstehst: ich bin ein großer verfechter der photovoltaik und solarenergie und betreibe selber so ein werkl am dach und es ist mir völlig wurscht, ob ich die energie daraus im vergleich zum markt zu teuer produziere. ich halte nur nichts von dieser miesmacherei mit den beliebig hergeholten argumenten, denn nichts verdiehnt ehrlichkeit mehr, als dieses komplexe thema, das unsere zukunft arg beeinflussen wird!

      und meine bäume im garten? die sind längst hiebreif, mir aber als brennholz (alternativ) zu schade, denn sie liefern mir/uns noch lange den nötigen sauerstoff, was mir angesichts der klimaproblematik doch wichtiger erscheint, denn europa ist ja gerade dabei, seine wälder zu verheizen.

       
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      tiroler85
      vor 2 Jahren

      Danke Senf für deine Ausführung, nur erschließt sich mir nicht, wo du in meinem Kommentar herausliest, das ich einen Schuldigen ausgemacht habe. Freut es den Energieanbieter wenn ich selber Strom produziere, sei es durch Photovoltaik oder Wasserkraft? Egal wirds ihm sein, bei der Menge die ich benötige, aber Freude wird auch nicht aufkommen. Sehe in meinem Kommentar auch nicht, dass ich geschrieben habe den Energieanbieter nicht zu brauchen. Und was genau mach ich mieß? Aber danke für deine Aufklärungen, denen ich allen zustimme, es jetzt nur befremdlich finde, dass ich von dir so angegriffen werde. Übrigens habe ich keinen Vater oder Opa mehr, der mir das Dach räumen kann, falls du mir mit dieser Formulierung Jugend und Naivität unterstellen wolltest.

       
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Der Graukofler
vor 2 Jahren

Ob meine Gesamtstromrechnung für 2022 billiger wird als im Vorjahr, glaube ich erst, wenn ich es schwarz auf weiß sehe. Der bisherige Energiebonus von 150,00 Euro dürfte das Kraut wohl nicht fett machen.

 
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    MWN
    vor 2 Jahren

    Wenn der Energiebomus Ihnen zu minder ist müssen Sie ihn ja nicht abrufen.

     
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