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Kontroverse Ausverkaufs-Debatte im Tiroler Landtag

Vor allem Liste Fritz Klubobmann Markus Sint wetterte gegen Spekulanten und „dubiose Investorenmodelle“.

Wird es den Einheimischen auch wegen politischen Unterlassens zunehmend verunmöglicht, sich das Leben in Tirol noch leisten zu können - diese Frage stand am Donnerstag im Mittelpunkt der letzten regulären Landtagssitzung vor der Landtagswahl am 25. September. Vor allem die oppositionelle Liste Fritz geißelte in der von ihr vorgegebenen "Aktuellen Stunde" den "Ausverkauf" der Heimat. Die ÖVP sah Tirol an allen Stellschrauben drehen, aber oft rechtlich gebunden. Es war ein recht düsteres Bild, das Liste Fritz Klubobmann Markus Sint zeichnete: Spekulanten, die in Goldgräberstimmung verfallen seien, dubiose Investorenmodelle, illegale Freizeitwohnsitze, leer stehende Häuser und Wohnungen, ein Wildwuchs bei Chaletdörfern, der nicht selten ein "Einfallstor" für illegale Freizeitwohnsitze sei - und auf der anderen Seite viele Tirolerinnen und Tiroler, dis sich nicht zuletzt deshalb keine Existenz mehr im eigenen Land aufbauen können. Illegale Freizeitwohnsitze bedeute: "Sie verknappen Grund und Boden, sie verteuern Grund und Boden für alle Einheimischen, sie verursachen Kosten für die Gemeinden, die wiederum die Bürger tragen müssen. Und sie sorgen für seelenlose Geisterdörfer. Viele Einheimische fühlen sich in ihren Gemeinden nicht mehr wohl", erklärte der Klubchef der Oppositionspartei. "Geisterdörfer" könne man vor allem im Bezirk Kitzbühel besichtigen. In diesem Zusammenhang führte der Liste Fritz-Politiker die Beispiele von Ex-Fußballstar Bastian Schweinsteiger und David Alaba an, die in Westendorf bzw. Kirchberg riesige Bleiben errichtet hätten und dort Hauptwohnsitze begründen konnten, obwohl sie nur sehr selten dort aufhältig seien.
"Es ist viel schmutziges Geld unterwegs, das gewaschen wird", behauptete Markus Sint von der oppositionellen Liste Fritz im Landtag und schoss sich auf Investoren und Spekulanten ein. Foto: Expa/Groder
Auch die "Profiteure" dieser Entwicklung und dieser Zustände machte Sint schnell aus: Bauern als Grundverkäufer, Immobilienmakler, Steuerberater, Rechtsanwälte. "Es ist viel schmutziges Geld unterwegs, das gewaschen wird", behauptete Sint. Und richtete den Blick sogleich zur ÖVP und fragte: "Warum interessiert und juckt es die ÖVP nicht, ob schmutziges Geld gewaschen wird?". Die Volkspartei halte "seit Jahren und Jahrzehnten" mit ihrer "Klientelpolitik" und durch Wegschauen die schützende Hand über alle diese negativen Entwicklungen und Machenschaften. Diese Politik mache "aus Grundbesitzern Millionäre" und aus Menschen ohne Grundbesitz Bettler. Es brauche eine "konsequente Grund- und Boden-Politik", die Gemeinden müssten verpflichtet werden, alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Auch für rigorose Freizeitwohnsitzkontrollen sowie die Gründung einer Task Force trat Sint ein. "Wir haben die strengste Raumordnung in ganz Österreich", konterte der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP). Wenn Sint illegale Machenschaften unterstelle, sei dies "Populismus in Reinkultur". Man betreibe eine konsequente Grund- und Boden-Politik, habe es aber mit verfassungsrechtlich eingeschränkten Möglichkeiten zu tun: "Wir müssten aus der EU austreten, würden wir alle Ihre Forderungen erfüllen". So habe etwa der Europäische Gerichtshof ein generelles Freizeitwohnsitzverbot gekippt. Man drehe aber an allen Stellschrauben, versicherte Geisler, und habe etwa gerade de facto ein Freizeitwohnsitzverbot bei der Ausweisung von 142 Vorbehaltsgemeinden erlassen. ÖVP-Spitzenkandidat und Wirtschaftslandesrat Anton Mattle plädierte indes dafür, "Käufer zu schaffen" - auch aufseiten der öffentlichen Hand. Vielleicht sollten sich Kommunen oder eine Region anbieten, Immobilien zu übernehmen oder einen touristischen Betrieb weiterzuführen. Handlungsbedarf sah indes Grünen-Tourismussprecher Georg Kaltschmid. Investorenmodelle seien ein "Verrat an eingesessenen Betrieben", erklärte er. Investoren hätten oft nichts mit Tourismus zu tun und würden zu illegalen Freizeitwohnsitzen "einladen". Kaltschmid brachte ins Spiel, dass die Raumordnung vielleicht an höherer Stelle angesiedelt werden sollte - und nicht bei den Bürgermeistern. "Viel zu viele Bürgermeister denken zu kurzfristig, an die paar Euro Kommunalsteuer". Es brauche ein "touristisches Raumordnungsprogramm". Die mitunter horrenden Kosten fürs Wohnen in Tirol beklagte SPÖ-Klubobmann Georg Dornauer: "Mehr als ein Drittel der Tiroler sind von steigenden Wohnkosten betroffen". Wohnen sollte nicht mehr als 25 Prozent des gesamten Haushaltseinkommens ausmachen, erneuerte er eine rote Forderung und warb dabei gleich für eine SPÖ-Regierungsverantwortung nach der Wahl. Es benötige eine "ganzheitliche Strategie", etwa mit der massiven Besteuerung von gewidmetem, brachliegendem Bauland. Denn auch im Falle von lange brachliegendem Bauland handle es sich um "Ausverkauf". Den im Übrigen die ÖVP zu verantworten habe, schoss auch Dornauer ein wenig gegen die Volkspartei. Auch der rote Parteichef sprach von "Immobilienheuschrecken" und "Fonds, die alles aufkaufen": "Und unsere Tiroler können sich Tirol nicht mehr leisten". Etwas weniger hart ins Gericht mit Investoren und dergleichen gingen FPÖ und NEOS. FPÖ-Obmann Markus Abwerzger fragte sich aber, was die schwarz-grüne Landesregierung in den vergangenen neun Jahren gegen diese Entwicklungen unternommen habe. Abwerzger, selbst Rechtsanwalt, verwahrte sich dagegen, dass ganze Berufsstände wie eben Anwälte, Steuerberater usw. an den Pranger gestellt würden. Der blaue Klubobmann brachte zudem eine neue Idee ins Spiel: So könnte etwa in Gewerbegebieten Wohnraum realisiert werden. Auch NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer wollte nicht alle Investoren in einen Topf geschmissen sehen. Vielfach sei im Vorfeld skandalisiert worden, ohne dass sich die Vorwürfe letztlich bewahrheitet hätten. Es gehe darum, bestehenden Wohnraum neu und zusätzlich zu nutzen und zu "verdichten". Tirol stehe überdies vor einer Zeitenwende, besonders im Tourismus. Man habe es dort in der Vergangenheit mit einer Art Selbstausbeutung zu tun gehabt - sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Mehr und mehr Familienbetriebe im Tourismus würden nicht mehr weitergeführt - weil sie nicht mehr können oder die nachfolgende Generation nicht in die Fußstapfen treten will. Hier habe es zu wenig Unterstützung durch die Politik gegeben. Dies müsse sich ändern. Auch sei es an der Zeit für eine neue Tourismusvision.

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