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Osttirol zählt zu jenen Regionen, in denen die Gemeinden in zwei Wellen besonders konsequent „enteignet“ wurden. Foto: Expa/Groder

Osttirol zählt zu jenen Regionen, in denen die Gemeinden in zwei Wellen besonders konsequent „enteignet“ wurden. Foto: Expa/Groder

Agrargemeinschaften werden zum Wahlkampfthema

Alter Streit flammt wieder auf. Verein dokumentiert „Grundstückraub“ in 170 Gemeinden.

Zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl lassen Gemeindevertreter die Causa Agrargemeinschaften - bis zur Verabschiedung des Agrargesetzes 2014 ein Dauerstreitthema - wieder aufflammen. Dabei geht es um Liegenschaftsvermögen, das vor vielen Jahren verfassungswidrig an Agrargemeinschaften verschoben worden sein soll. Erhebungen des Gemeindeverbandes zeigten nun, dass - entgegen allgemeiner Annahme - die Frage keineswegs gelöst sei. LHStv. Josef Geisler (ÖVP) hält dagegen. Konkret forderten der Tiroler Gemeindeverband (GVV) und der Verein "Gemeindeland in Gemeindehand" bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag in Innsbruck die Rückübertragung des entzogenen Grundeigentums an die Gemeinden. Dies sei durch ein einfaches Landesgesetz möglich, lautete die klare politische Forderung der Vertreter. "Die Politik verharrt", kritisierte Vereinsvertreter Leonhard Steiger. Der zuständige Landesrat LHStv. Geisler, seines Zeichens auch Bauernbundobmann, ließ die Kritik nicht auf sich sitzen und verwies gegenüber der APA auf den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser habe das Thema "abschließend behandelt" und "eine Rückübertragung ausgeschlossen", erklärte der ÖVP-Politiker die erneut aufgeflammte Debatte gewissermaßen als beendet. Der VfGH hatte die Eigentumsübertragung von Gemeindegut an Agrargemeinschaften bereits 1982 als rechtswidrig bezeichnet. Diese Ansicht fiel in Tirol aber zunächst nicht auf fruchtbaren Boden. Erst als die Gemeinde Mieders vor die Höchstrichter zog und der VfGH sein Erkenntnis von 1982 im Sommer 2008 bekräftigte, kam eine heftig geführte politische Debatte ins Rollen. "Bereits in seinem ersten Erkenntnis zu Mieders hat der VfGH eine Rückübertragung ausgeschlossen", erinnerte Geisler in seiner Stellungnahme. Die Gemeinden hätten "vollen Zugriff auf die Substanz und das Vermögen der Agrargemeinschaften". Zudem habe der VfGH 2010 erklärt, dass auch Gemeindeagrargemeinschaften gesetzlich verankert Eigentumsschutz genießen würden. Die Gemeindevertreter waren anderer Meinung. Der entstandene Schaden sei enorm, unterstrich Werner Lux vom Verein Gemeindeland in Gemeindehand mit Verweis auf umfangreiche, systematische Erhebungen des GVV in den Jahren 2014 bis 2016. Diese Recherchen hätten die "Dimension des Grundstückraubs" verdeutlicht. Durch Regulierungsverfahren in den 1950er und 1960er Jahren wurde Gemeindegut an Agrargemeinschaften übertragen. Zwar unterlägen jene Regulierungen dem Amtsgeheimnis und seien deshalb nicht einsehbar, monierten Lux und Steiger. Für sie stehe jedoch fest: Große Teile des Liegenschaftsvermögens von 170 Tiroler Gemeinden - ein Milliardenvermögen - seien "im Auftrag der vom Bauernbund dominierten Tiroler Landespolitik" in den letzten 100 Jahren "entschädigungslos an rund 400 Agrargemeinschaften verschoben" worden. Ein Fünftel der Gesamtfläche des Bundeslandes seien betroffen. Die Öffentlichkeit müsse über diese "skandalösen Zustände" informiert werden, so die beiden unisono. Der Verein habe die GVV-Recherchen und Hintergrundinformationen deshalb auf einer eigens dafür eingerichteten Website - www.agrarpapers.tirol - zur Verfügung gestellt. "Im Netz ist das gut aufgehoben - es kann nicht verschwinden und unterliegt nicht dem Amtsgeheimnis", kommentierte Steiger die Entscheidung. Dass der Zeitpunkt kurz vor der heißen Wahlkampfphase und der Landtagswahl am 25. September bewusst gewählt wurde, negierten die Vereinsvertreter. Rückendeckung für die Forderungen kam indes von keinem Geringeren als Gemeindeverbandspräsidenten Ernst Schöpf (ÖVP). Auch er sah die Politik säumig: "Der letzte Schritt fehlt", kommentierte Schöpf - selbst kein Mitglied des Vereins, wie er vor Vertreterinnen und Vertretern der Presse betonte - die 2014 mit schwarz-grüner Mehrheit beschlossene Novelle zum Flurverfassungsgesetz (Agrargesetz). Das Gesetz hatte den Gemeinden in vollem Umfang den Zugriff und die Disposition über den Substanzwert - also jene Gewinne, die beispielsweise aus der Jagdpacht, Schottergruben, Autobahnraststätten oder dem Verkauf von Bauland stammen - eingeräumt. "Begangene Fehler" seien dadurch aber nicht korrigiert worden, hielt Schöpf fest und plädierte ebenfalls für das einfache Landesgesetz, das die Rückübertragung regeln soll. "Unrecht wird nicht durch Zeitablauf Recht", man müsse die Causa "aktiv angehen". Mit seiner Forderung stelle er sich im Vorfeld der Wahl nicht gegen die ÖVP, betonte Schöpf, es gehe um "knallharte kommunale Interessen", die der Gemeindeverband vertrete. Die Faktenlage sei gegeben. Er sah in der ungelösten Agrarfrage einen "Auftrag an den dann sich neu zusammensetzenden Tiroler Landtag". Was - "jenseits der politischen Farbenlehre" - aber gar nicht gehe: "Dass man die Dinge schlicht und einfach verdrängt und dann den Leuten auch noch glaubhaft machen will, es sei alles in Butter", fand Schöpf klare Worte. Unterstützung für die Forderungen der Gemeindevertreter kam indes von Seiten der Tiroler NEOS. Justizsprecher Johannes Margreiter pochte gegenüber der APA darauf, dass "dieses Unrecht" gerade "in dieser krisenhaften Zeit", in der Tirols Gemeinden vor "gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen" stünden, "vollständig und rasch beseitigt" werden müsse. Er erwarte sich vom "neuen Tiroler ÖVP-Obmann Toni Mattle, dass er hier ein klares Wort zugunsten aller Tirolerinnen und Tiroler spricht und sich nicht von der Bauernbund-Lobby vereinnahmen lässt", richtete der Tiroler NEOS-Politiker dem ÖVP-Landtagswahlspitzenkandidaten aus.

21 Postings

Accipiter
vor 2 Jahren

Vertrauenswürdiger als diesen Verein "Gemeindeland in Gemeindehand" finde ich: www.agrar-info.at

 
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so ist es vielleicht
vor 2 Jahren

Sg. Herr Dr. Lux! Meine Frage dazu wäre, geht es jetzt eigentlich "nur" noch darum, dass auch im Grundbuch wieder endgültig "Gemeinde ..." als Eigentümerin steht und nicht nur die Substanzverwaltung unter den einzelnen Mitgliedern eingetragen ist, aber weiterhin der Name "Agrargemeinschaft...." im Eigentumsblatt der Einlagezahl aufscheint? Denn faktisch gehören diese Agrargemeinschaften doch inzw. den Gemeinden, so wie ich das verstanden habe. Denn nur der Substanzverwalter (oft ist das ja gleichzeitig auch der Bgm.) entscheidet über Kauf oder Verkauf der Substanz seiner AG. Oder benötigt es dazu doch wie bei AG üblich weiterhin eine Vollversammlung der Mitglieder mit Zustimmung der Mehrheit?

Im übrigen befürchte ich, dass so manche Gemeinde zur Zeit gar nicht mal mehr eine so große Freude mit ihrem zurückgewonnenem Grundbesitz haben dürfte, wenn man die aktuellen Waldschäden und die damit verbundenen Kosten sieht und mal gegenrechnet... Denn im Bezirk Lienz wird es wohl wenig richtig gewinnbringende Gemeindeguts-AG geben, da wir wenig Schottergruben oder zum Glück gar keine Autobahnraststätten o.ä. haben. 🤔

 
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    defregger
    vor 2 Jahren

    Ich weiß von einer Agrargemeinschaft, einem Insider, lebt nicht mehr, im Def. das selbige an die 2€ Mio. auf der hohen Kante hat. Einnahmen aus jahrzente langem Holzverkauf.

    So jedenfalls seine Aussage mit stolzer Brust vorgetragen!

    Fazit: arme Bauern, oder besser gesagt, jetzt reiche Gemeinde!

     
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    Neutral
    vor 2 Jahren

    Ich habe den ebenfalls den Eindruck, dass sich so manche Osttiroler Gemeinde die Zugewinne bereits vor Eintritt der massiven Waldschaeden (Sturm, Schneedruck, Borkenkaefer) wesentlich höher vorgestellt hat und zudem ziemlich hohe bürokratische und finanzielle Aufwendungen hat und insgeheim frustriert ist. Blöd gelaufen 😊

     
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e-mission
vor 2 Jahren

die verfassungsrichter haben ein fehlurteil produziert. das ganze ist noch beim eugh anhängig.

 
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le corbusier
vor 2 Jahren

Langsam muss man sich echt fragen, warum nicht die gesamte ÖVP mit ihren Teilorganisationen nach § 278a StGB Kriminelle Organisation (Mafia-Paragraph) angeklagt wird.

 
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Werner Lux
vor 2 Jahren

Die von der ÖVP dominierte Tiroler Landespolitik ist bis heute ebenso konsequent wie hemmungslos der Doktrin des Tiroler Bauernbunds „Gemeindeland in Bauernhand“ gefolgt und hat unter Mithilfe willfähriger Beamter im Eigentum von Tiroler Gemeinden stehende Liegenschaften mit einem Flächenmaß von insgesamt ca. 2.350 km2 – ein Fünftel des Fläche Tirol - systematisch und entschädigungslos an Agrargemeinschaften übertragen. In seinem Erkenntnis vom 11.07.2008, Zl. B464/07, führte der Verfassungsgerichtshof zusammen¬gefasst aus, dass die Übertragung des Gemeindeguts an Agrargemeinschaften gegen verfassungs¬recht¬lich geschützte Grundrechte, nämlich den Gleichheitsgrundsatz und den Grundsatz der Unversehrt¬heit des Eigentums, verstoßen habe und daher "offenkundig verfassungs¬widrig" gewesen sei. Ungeachtet dessen, dass dem VfGH die Aufhebung der Übertragungsbescheide in Beachtung der eingetretenen Rechtskraft nicht möglich sei, habe die Gemeinde dadurch ihr Recht auf den Vermögenswert dieser Liegenschaften (auf den soge¬nannten "Substanzwert") nicht verloren. Den Nutzungsberechtigten stehe keineswegs das Eigentumsrecht an den von der Über¬tragung betroffenen Gemeinde¬liegenschaften, sondern lediglich der zur Erhaltung des landwirtschaft¬lichen Betriebes notwendige „Haus- und Gutsbedarf“ zu. Festzuhalten ist, dass nach herrschender Lehrmeinung die Rückführung des verfassungs-widrig entzogenen Eigentumsrechts am Gemeindegut an die Gemeinden durch ein vom Tiroler Landtag zu beschließendes einfaches Landesgesetz bewerkstelligt werden kann. Dr. Heinrich Kienberger, der ehemalige Vorstand der Abteilung Verfassungsdienst im Amt der Tiroler Landesregierung und langjährige Richter beim Verfassungsgerichtshof, hat ein-drucksvoll nach¬gewiesen, dass der Gemeinde durch den Verlust des formalen bücherlichen Eigentums die rechtliche Möglichkeit genommen worden ist, über die zum „atypischen Gemeindegut“ gehörenden Grund¬stücke unmittelbar selbst rechtsgeschäftlich zu verfügen (vgl. Kienberger, Das Gemeindegut als Ver¬fassungsproblem [LexisNexis 2018], S 43 f). Da dieser Eigentumseingriff ohne gesetzliche Grundlage und ohne Gewährung eines Ersatzes an die Gemeinde vorgenommen wurde, liegt darin (jedenfalls auch) eine Verletzung des ver¬fassungs¬gesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes der Gemeinde. Der verfassungswidrige Rechtszustand wurde weder durch die TFLG-Novelle 2010 noch durch die TFLG-Novellen 2014 (oder 2017) noch auf andere Weise beseitigt und besteht daher unverändert weiter. Somit wird das bestehende Unrecht nur durch eine Rücküber-tragung des Eigentums an den Gemeindegutsgrundstücken zu den Gemeinden verfassungs¬konform gelöst (vgl Kienberger aaO, S 44, 47 f). Schon 2013 hat der Bundesverfassungsdienst zu diesem Problemkreis festgestellt:„Die Rückübertragung atypischen Gemeindegutes in das Alleineigentum der Gemeinden ist geeignet, einen jahrzehntelangen Konflikt zu bereinigen, und liegt damit im öffentlichen Interesse.“ Das aufgezeigte Unrecht wird somit erst nachhaltig saniert, wenn sich die Mitglieder der Tiroler Landes¬regierung sowie die Abgeordneten zum Tiroler Landtag an das von ihnen abgelegte Gelöbnis zur Gesetzes- und Verfassungstreue erinnern und sich endlich zur Beendigung einer allein dem eige¬nen Machterhalt und dem Vermögenserhalt ihrer Klientel entschließen, um eine Benachteiligung der Mehrheit der Gemein¬de¬bürger sowie kommender Generationen in Kauf nehmenden Politik hintanzuhalten. Öffentliche Bekenntnisse prominenter ÖVP-Politiker in Sonntagsreden zu Vergangenheits¬bewältigung und Aufarbeitung von Unrecht allein genügen keineswegs. Die Österreichische Volkspartei sieht sich in ihrem Parteiprogramm ausdrücklich einerseits einem christlich-humanistischen Menschenbild und andererseits der vom liberalen Rechts¬staat getragenen parlamentarischen Demokratie verpflichtet. Diesen Leitlinien folgend ist es für die Tiroler Volkspartei hoch an der Zeit, für eine Rückgabe des – so der Verfassungsgerichtshof - offenkundig verfassungswidrig entzogenen Gemeindeguts an die Gemeinden Sorge zu tragen, um damit end¬lich einen verfassungskonformen Zustand herzustellen und der schon aus dem 7. Gebot abzuleitenden Forderung „Was einem nicht gehört, hat man zurückzugeben“ nachzukommen. Dr. Werner Lux, Innsbruck

 
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    Senf
    vor 2 Jahren

    Eine verständliche Sachverhaltsdarstellung über das Unrecht, dass damals unter der Führung von LH Wallnöfer (ÖVP) auf politischem Weg begonnen wurde. Aus der Angst dieses Herrn, dass die damals aufsteigenden "Roten mit Kreisky" auch in den Gemeindestuben das Sagen bekommen könnten, führte zur Auslagerung des Gemeindegutes an die Bauern. Der Standard berichtete 2013:

    "Ein Briefwechsel aus dem Jahr 1969 bringt neue Brisanz in die Thematik: Der Schriftverkehr, von dem die Tiroler Tageszeitung diese Woche berichtete, verlief zwischen Eduard Wallnöfer, der von 1963 bis 1987 Tiroler Landeshauptmann war, und dem Bürgermeister der Osttiroler Gemeinde Ainet, Alois Girstmair. Wallnöfer nennt den Strukturwandel in der Gesellschaft, den Rückgang der bäuerlichen Bevölkerung, als Grund für die Übertragungen. Damit sollten für Wallnöfer "Konflikte aus den Gemeindestuben herausgehalten werden". Für Oppositionsparteien und Koalitionspartner SP belegen die Briefe einmal mehr die Verantwortung der VP - und, dass die Übertragungen von höchster politischer Stelle angeordnet wurden.

    Eine detaillierte Zusammenfassung ist zufinden unter:

    https://journals.univie.ac.at/index.php/rhy/article/download/7037/6993

     
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    Chronos
    vor 2 Jahren

    Vielen Dank, Herr Dr. Lux für Ihre fachliche Expertise und klaren Worte zur Rückgabe des entzogenen Gemeindegutes!

    Couragiert und bemerkenswert finde ich, dass eine so hochangesehene Persönlichkeit wie Sie, diese deutlichen Worte über die politische Lage und die seit Jahrzehnten von der ÖVP dominierten Tiroler Landespolitik und des Tiroler Bauernbundes findet. Sie haben sich als Richter und als ehem. SenPräs. d. OLG IBK auf Grund Ihres Engagements und Ihren exzellenten fachlichen Kenntnissen ausgesprochen verdient gemacht. Ihre Worte haben Gewicht!

     
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      Senf
      vor 2 Jahren

      @chronos: schon interessant, die gegenstimmen bei den Beiträgen.

       
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TW-WU
vor 2 Jahren

Seit der causa agrargemeinschaften, dem grössten vermögensdelikt der 2. Republik, braucht kein tiroler mehr mit dem Finger auf die zustände in irgendwelchen korrupten ländern zeigen. Da hat sich die "Familie" über Generationen Grund, macht und Geld gesichert,...

https://profil.at/home/vermoegensskandal-boeden-tirol-von-agrargemeinschaften-238550

 
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    tiroler85
    vor 2 Jahren

    In Osttirol sogar schon vor der 2. Republik...

     
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MWN
vor 2 Jahren

Die Sache ist tatsächlich geklärt. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, die Entscheidungen des VfGH vom 11.6.2008, B 464/07, vom 5.3.2010, B 984/09 und B 997/09, vom 10.12.2010, B 639/10 und B 640/10, und vom 28.2.2011, B 1645/10, sowie die Leitentscheidung des VwGH vom 30.6.2011, 2010/07/0091 zu lesen. Daraus geht u.a. hervor, dass im Falle einer aus Gemeindegut regulierten Agrargemeinschaft davon auszugehen ist, - dass mit dem zwar verfassungswidrigen, aber rechtskräftigen Regulierungsakt das zivilrechtliche Eigentum am Regulierungsgebiet an die Agrargemeinschaft übergegangen, die Eigenschaft als Gemeindegut aber nicht untergegangen ist, - dass sich durch diesen Eigentumsübergang das Eigentumsrecht der Gemeinde in ein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft verwandelt hat und dieses inhaltlich mit dem Recht auf Verfügung über den Substanzwert gleichzusetzen ist, - dass der Substanzwert ausschließlich der Gemeinde zusteht und die übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft in Ansehung des Substanzwerts über keinerlei Rechte verfügen, - dass es verfassungsrechtlich geboten ist, den Anspruch der Gemeinde auf den Substanzwert des Gemeindegutes z.B. im Wege der Einräumung von Zustimmungs- und Mitwirkungsrechten in den Organen der Agrargemeinschaft, der Einrichtung zweier Rechnungskreise, der Einräumung von Einsichts- und Entnahmerechten zu wahren und dementsprechend die Verfügungsbefugnisse der Agrargemeinschaft als bloß formale Eigentümerin zu beschränken, - dass der Anteil der Gemeinde am Gemeindegut als Surrogat ihres ursprünglichen, durch die Regulierung beseitigten Alleineigentums als Eigentum iSd Art. 5 StGG bzw. Art. 1 1.ZPEMRK anzusehen ist, wobei die Rechtsposition der Agrargemeinschaft denselben Schutz genießt, - dass zwar die Feststellung von Gemeindegut und der damit verbundene Substanzwertanspruch der Gemeinde in diese Rechtsstellung der Agrargemeinschaft eingreifen, aber keine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum der Agrargemeinschaft darstellen, und - dass der Substanzwertanspruch der Gemeinde öffentlich-rechtlicher Natur ist, daher nur durch Entscheidung der Agrarbehörde begründet, geändert oder aufgehoben werden kann und - im Unterschied zu Privatrechten - sohin eine Verjährung der Anteilsrechte der Gemeinde bzw. eine Ersitzung durch die Agrargemeinschaft im Umfang des Rechtes an der Substanznutzung nicht in Frage kommt.

Dass der Tiroler Landesgesetzgeber mit der Novelle des TFLG 1996 LGBl. 7/2010, das Erkenntnis des VfGH vom 11.6.2008, B 464/07, verfassungskonform umgesetzt hat, wurde vom VfGH bestätigt. Damit sind die (sehr spezifischen) Verhältnisse betreffend die Tiroler Gemeindegutsagrargemeinschaften ausreichend geklärt.

Für einen vermeintlichen „Wahlkampfknüller“ ist so etwas aber natürlich immer gut.

 
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    iseline
    vor 2 Jahren

    In einem Kommentar in der heutigen TT sieht das Dr. Hye ganz anders. Entgegen den Aussagen von Landesrat Geisler argumentiert er, dass der Verfassungsgerichtshof NIE entschieden hat, dass eine Rückübertragung verfassungswidrig sei, weil er mit dieser Frage gar nicht befasst wurde. Ein entsprechender Dringlichkeitsantrag aller Oppositionsparteien dazu wurde 2013 von der ÖVP unter Herwig van Staa verhindert. Fakt ist ebenso, dass das Land, statt einer klaren Rückübertragung, sämtliche betroffene Gemeinden ihren Anspruch selbst durchkämpfen hat lassen. Sollten nicht alle Gemeindebürger gleich viel wert sein und sollte das nicht vor den Wahlen sehr zu denken geben?

     
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      MWN
      vor 2 Jahren

      Ich bin weder hier noch sonstwo der Verteidiger von Landesrat Geisler. Der Verfassungsgerichtshof hat tatsächlich NIE entschieden, dass eine Rückübertragung verfassungswidrig sei; was er allerdings sehr wohl ausgesprochen hat, ist, dass die Übertragung zwar aus verschiedenen Gründen verfassungswidrig war, aber rechtskräftig geworden ist, weil sie nicht bekämpft wurde, obwohl das möglich gewesen wäre. Eine Rückübertragung wäre (rechtlich) möglich, kann aber nicht (mehr) erzwungen werden. Notwendig wäre der politische Wille, der allerdings nicht vorhanden zu sein scheint; bis dieser politische Wille einkehrt, ist die Sache mMn aus rechtlicher Sicht erledigt.

       
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    Hye
    vor 2 Jahren

    Sehr geehrter MWN! Ihr Hinweis auf die Höchstgerichte und insbesondere auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Zl. B 464/07 ist verfehlt. Der VfGH hat – wie Sie zutreffend zitieren - ausgeführt: „Ist dieser Akt jedoch - wie hier - rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist“. Aber damit wurde keineswegs die gesetzliche Wiedergutmachung des an den Gemeinden begangenen Unrechts für alle Zeiten ausgeschlossen. Es ist falsch, wenn LHStv. Geisler dies behauptet. Die Frage der Rückübertragung des Gemeindegutes an die Gemeinden durch ein Landesgesetz bisher noch nicht an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, weil die ÖVP die Anträge der Opposition betreffend eines solchen Gesetzes im Landtag abgeschmettert hat. Im Jahr 2013 hätte es dafür sogar eine Mehrheit gegeben, aber die Abstimmung darüber wurde mit allen möglichen Geschäftsordnungstricks verhindert. Tatsächlich wurden die höchstgerichtlichen Erkenntnisse von der ÖVP nur unzureichend umgesetzt. Im Vordergrund der sogenannten „Agrargesetze“ stand immer der Schutz der eigenen Klientel. Und das, obwohl die Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben (Wohnen, Gewerbe, Infrastruktur für Verkehr und Freizeit, Schulen und Kindergärten, Soziales etc.) die entzogenen Grundstücke und Einnahmen dringend benötigen würden. Vielmehr wurden und werden die Gemeinden von der angeblichen Bürgermeisterpartei ÖVP zu Bittstellern degradiert, die im Landhaus um Bedarfszuweisungen „betteln“ müssen. Der Präsident des Tiroler Gemeindeverbands Ernst Schöpf (ÖVP!) und der Verein Gemeindeland in Gemeindehand fordern daher völlig zu Recht die Rückübertragung des Gemeindeguts. Das ist nicht nur rechtlich möglich, sondern auch dringend geboten um eine verfassungskonforme Rechtslage herzustellen, wie dies der verstorbene Hofrat Dr. Kienberger – er war Mitglied des Verfassungsgerichtshofes und Leiter des Verfassungsdienstes im Amt der Tiroler Landesregierung – in seinem 2018 herausgegebenem Buch „Das Gemeindegut als Verfassungsproblem“ ausgeführt hat. Übrigens auch für die Heimat des neuen ÖVP Obmanns Toni Mattle, die Gemeinde Galtür, wurde seinerzeit ein Regulierungsverfahren eingeleitet. Allerdings hat dort der ehemalige Landesamtsdirektor Kathrein gewohnt und die Gemeinde juristisch beraten und eindringlich vor dem Ansinnen der vom Bauernbund dominierten Landesregierung gewarnt. Daher musste die Agrarbehörde schließlich unverrichteter Dinge abziehen und ihr Vorhaben aufgeben. Die Eigentumsverschiebung ist unterblieben! Mattle hat – sollte er Landeshauptmann werden – daher allen Grund, die geschädigten 170 Gemeinden zu unterstützen, weil nicht alle hatten eine so exzellente Beratung wie Galtür und waren den Übergriffen aus dem Landhaus schutzlos ausgeliefert!

     
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      MWN
      vor 2 Jahren

      Sehr geehrter Hye, ich glaube nach wie vor nicht dass mein Hinweis auf die Höchstgerichte verfehlt ist. Die von mir zitierten Erkenntnisse zeigen, dass die Rückgängigmachung des offenbar geschehenen Unrechts nicht (mehr) mit rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden kann, sondern eine politische bzw. gesetzliche Lösung notwendig wäre. Dass die Übertragung an die Agrargemeinschaften "in Ordnung" gewesen wäre habe ich ausdrücklich nicht behauptet.

       
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      Hye
      vor 2 Jahren

      Sehr geehrter MWN, danke für die Klarstellung. So weit liegen wir nicht auseinander. In der Homepage des Vereins Gemeindeland in Gemeindehand wird in überzeugender Weise ausgeführt, dass die gesetzliche Rückführung des Gemeindegutes an die Gemeinden nicht nur zulässig ist, sondern auch dringend notwendig, um das geschehene Unrecht wiedergutzumachen und verfassungskonforme Verhältnisse herzustellen: https://www.agrarpapers.tirol/rueckuebertragung/

       
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    Senf
    vor 2 Jahren

    @MWN in deiner ersten Zeile behauptest du, das alles geklärt sei und in der vierten Zeile teilst du uns mit, dass ein verfassungswidriger aber rechtskräftiger Rechtsakt das zivilrechtliche Eigentum am Regulierungsgebiet an die Agrargemeinschaft übergegangen, die Eigenschaft als Gemeindegut aber nicht untergegangen ist. Tolles Rechtsempfinden.

    Also, du eignest dir verfassungswidrig meinen Grund und Boden an, ziehst daraus weiterhin deine übertragenen LW- Nutzungsansprüche und gestehst mir grosszügig zu, dass alles was dieses Areal darüberhinaus noch hergibt, eh mei Gut sei. Pasta!

    Tolles Rechtsempfinden und ein sonderbares Demoktratieverständnis. Das sogar nach dem 7. Gebot und mit Gottes Segen.

     
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      MWN
      vor 2 Jahren

      @senf dass diese Vorgänge in Ordnung gewesen wären habe ich nicht behauptet. Wie der VfGH äußerst klar festgestellt hat, waren sie das auch nicht. Wenn ich mir - um bei Ihrem plastischen Beispiel zu bleiben - verfassungswidrig Ihren Grund und Boden aneignen würde, was ich freilich als mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch nicht tun würde, und Sie sich dagegen nicht zur Wehr setzen würden, obwohl Sie dazu die Möglichkeit hätten, dann wäre Ihr Grund und Boden tatsächlich mein Grund und Boden. Weil so etwas in unserer Rechtsordnung nicht erwünscht ist, gibt es Rechtsschutzmöglichkeiten, die man allerdings auch nützen muss.

       
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      Senf
      vor 2 Jahren

      @MWN, die etwa 270 Bürgermeister von damals habe sich nicht zur Wehr gesetzt, weil sie ja alle der ÖVP angehörten und das gemacht haben, was ihnen vorgegeben war. Sie kamen zum überwiegenden Teil sogar aus dem ÖVP-Bauernbund. So einfach ist das.

      Im übrigen ist die Rückgabe des Gemeindegutes verfassungsrechtlich sicher kein Problem.

      "Bei meiner Ehr, man muss es nur wollen - hand aufs Herz!"

       
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