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„Outreach“: Radikale Stilpluralität im Jubiläumsjahr

In Schwaz teilten sich AHL6, Leni Stern und Dave Taylor die Bühne bei der Eröffnung des Jazzfestivals.

Das Tiroler Musikfestival "Outreach" in Schwaz, das unter der künstlerischen Leitung von Österreichs Jazz-Export Franz Hackl steht und in diesem Jahr zum 30. Mal auf die Bühne gebracht wurde, ist am Donnerstag mit einem Kunstgriff eröffnet worden. Statt auf drei verschiedene Sets zu setzen, teilten sich AHL6, das Leni Stern Quartet und ein Ensemble rund um den Posaunisten Dave Taylor die Bühne mit abwechselnden Musik-Impulsen.

Rund je 20 Minuten dauerten diese Kurz-Sets der Acts, die dieses Wechselspiel mehrmals durchdeklinierten. Schon allein die dadurch flachfallenden Pausen zwischen den Musik-Darbietungen brachten eine Intensivierung und schonungslose Sichtbarwerdung des Outreach-Konzepts, das seit jeher bevorzugt auf Stilvielfalt setzt und seine Fühler gerne vom Jazz ausgehend in viele Richtungen ausstreckt. Den Anfang am Eröffnungsabend machte der New Yorker Dave Taylor mit einem Solo-Stück auf seiner Bassposaune. Die avantgardistisch anmutenden Posaunen-Einschübe, die in zahllosen Genres wilderten und sich mit Spoken-Word-Passagen abwechselten, die auch lautmalerische Qualitäten hatten, glänzten mit enormem Spielwitz und Einfallsreichtum. Sich an diesem Klang-Wahnsinn zu messen versuchte das österreichische Ensemble AHL6 im unmittelbaren Anschluss erst gar nicht. Stattdessen setzte man auf den ersten Blick vertrauten Jazz-Rock, der auch stellenweise Anleihen von Surf-Musik in sich zu tragen schien und mit vertrackten Rhythmen ebenso auftrumpfen konnte wie mit mitreißenden Bläsersätzen und nicht zuletzt mit geschickt und passgenau eingesetzten Effekten, die eher dem Avant-Pop neueren Zuschnitts entnommen waren. Das Leni Stern Quartet entführte schließlich in die Welt der afrikanischen Gegenwartsmusik jazzigen Anstrichs. Leni Stern, die zu Beginn des Sets ihre vertraute Gitarre gegen ein afrikanisches Saiteninstrument tauschte, vermochte mit ihrem Quartett, bestehend aus Pianist, Bassist und Perkussionist, gekonnt 70er-Jahre-Fusion mit Weltmusik zu vermählen. Auch Festival-Mastermind Hackl hatte hier einen Solo-Trompeten-Auftritt. Im zweiten Set gab es schließlich eine musikalische Widmung der Arbeit des amerikanischen Fotojournalisten Ozier Muhammad, der das diesjährige Festival-Sujet beigesteuert hatte und am Abend anwesend war. Mit Fotos des langjährig für die New York Times tätigen Journalisten gelang Dave Taylor und seinen Mitmusikern eine berührende Musik-Hommage. Dass das diesjährige Outreach-Konzept, das pausenlos und ohne Rücksicht auf Verluste verschiedenste Musik kredenzte, auch Kippmomente hatte, zeigte sich spätestens nach fast zwei Stunden mit wechselnden Sets. Was beim ersten Durchgang noch frisch und abenteuerlich klang, nutzte sich nach einiger Zeit doch etwas ab. Zudem wirkten die Gedicht-Rezitative, die zwischen den Kurzauftritten der Bands und Musiker ein verbindendes Element darstellen sollten, eher willkürlich und trugen mehr zur Ermüdung denn zum Erhalt der Spannung bei.  

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