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Sensoren sollen Abbrüche im Gebirge voraussagen

Experten plädieren für häufigere Anpassung von Gefahrenkarten. Es werde nicht pauschal gefährlicher.

Der Gletscherbruch an der Marmolata in den Dolomiten, der Anfang Juli elf Tote forderte, ist ein viel diskutiertes Thema bei der bis Donnerstag in Innsbruck stattfindenden "International Mountain Conference", an der rund 800 Wissenschafter teilnehmen. Der heiße und trockene Sommer habe bestehende Trends verstärkt, hieß es. Dazu zählen auch größere Naturgefahren, verursacht durch Gletscherschmelze und Auftauen von Permafrost.

"Dennoch sollte man sich vor Pauschal-Aussagen hüten", wendet der Schweizer Geowissenschafter Holger Frey von der Universität Zürich ein. "Es wird nicht überall grundsätzlich gefährlicher. Man muss jeden einzelnen Fall gesondert betrachten." Diese differenzierte Betrachtung sei insbesondere für Haftungsfragen wichtig, schließlich gehe es etwa um die mögliche Sperre bestehender Wanderwege.

Der Gletscherbruch an der Marmolata in den Dolomiten: Das Anbringen von Sensoren könnte in Zukunft derartige Unglücke verhindern. Foto: APA

Die durch den Klimawandel ausgelösten Veränderungen in den Gebirgsregionen sorgten für ganz neue Gefahrenlagen. Bestehende Einschätzungen entsprechend zu adaptieren, sei "eine der großen Herausforderungen" der kommenden Jahre, so Frey im Gespräch mit der APA. "Man kann sich nicht mehr nur auf historische Erfahrungen verlassen." Man müsse Gefahrenkarten künftig stärker als "ein dynamisches Werkzeug" begreifen und sie "in kürzeren Abständen adaptieren".

Dabei könnten Tools helfen, die Jan Beutel mitentwickelt hat. Der deutsche Informatiker, der im Pitztal die Alpen lieben gelernt hat, ist vor zwei Jahren von der ETH Zürich an die Universität Innsbruck gewechselt. "Eine Uni, die meine beiden Leidenschaften - Berge und Data Science - als Forschungsschwerpunkte hat: Das war für mich der Trigger", schmunzelt Beutel. Seinen größten Schatz durfte er nach Tirol mitnehmen: die Daten einer seit 2006 laufenden Messreihe am Matterhorn.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bluetooth-Technik noch in den Kinderschuhen steckte, wurden von Forschern Anwendungsmöglichkeiten für digitale Datenübertragung gesucht. Beutel und sein Team entwickelten Sensoren, die permanent Umweltdaten erheben, aufzeichnen und weiterschicken. Im Rahmen des PermaSense-Projekts werden in Bohrlöchern von rund einem Meter Tiefe Daten wie Felstemperaturen und Neigungs- oder Spaltbewegungen registriert. An der Marmolata gab es diese Sensoren nicht - ansonsten hätte man "hundertprozentig" rechtzeitige Warnsignale wahrgenommen, ist sich Beutel sicher - schließlich seien Lagebeurteilungen anhand von gelegentlichem Augenschein oder Fotos deutlich weniger präzise als permanentes Daten-Monitoring.

In der Schweiz hätten Industrie und Behörden die von ihnen entwickelte Technologie aufgegriffen und in ausgewählten Gebieten auch bereits zum Einsatz gebracht, schildert der Experte für Sensornetzwerke. In den Westalpen, wo einige Dörfer direkt an der Permafrostgrenze lägen und daher über Evakuierungspläne verfügen müssen, sei die Gefahrenlage deutlich ausgeprägter als in Österreich.

Dennoch sieht Beutel auch in Österreich Einsatzgebiete für seine Sensoren, etwa rund um Vent und Obergurgl, im Ötz- und im Pitztal, im Bereich hochalpiner Hütten oder in Gletscherskigebieten. Die richtige Auswahl des Einsatzgebietes und passende Instrumentierung seien aber heikle Aufgaben - man könne schließlich "nicht jeden Fleck" mit Messgeräten versorgen. So hilfreich diese keineswegs bloß für Gebirgslagen geeigneten Instrumente auch seien, so sehr müsse man großflächige und nicht zielführende Anwendungen vermeiden.

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