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„Ich wäre lieber Ed Sheeran als Cristiano Ronaldo.“

Seit dieser Saison spielt der FC Südtirol in der zweithöchsten Liga Italiens. Kapitän Fabian Tait im Interview!

Affission ist südtirolerisch und steht für Begeisterung. Im Umfeld des FC Südtirol ist der Ausdruck derzeit in aller Munde. Zwischen Wattens und Trient hat sich der noch junge Verein zum einzigen Profi-Fußballklub gemausert. Seit dieser Saison spielt der FCS in Italiens zweithöchster Spielklasse, der Serie B. Die Reise dorthin begann 1995, als aus dem SV Milland der FC Südtirol wurde. Der anfänglichen Skepsis und damaligen „Kirchturmpolitik“ zum Trotz hat eine Unternehmergruppe auf ihren Instinkt vertraut.

Heute steppt im Drusus-Stadion in Bozen der Bär. Der Verein hat den Weg in die Beletage des italienischen Fußballs von langer Hand geplant. Ein Beispiel dafür sind die Investitionen in die Infrastruktur. In Eppan trainieren die Profis im hochmodernen FCS-Center. Dort treffen wir den Kapitän des Vereins, Fabian Tait, zum Interview. Der Salurner ist ein Mosaikstein der bewegten Vereinsgeschichte.

Fabian Tait im Gespräch mit Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner. Foto: Dolomitenstadt

Fabian, du bist schon seit acht Jahren hier, hast viele Höhen und Tiefen erlebt. Ich nehme an, der Aufstieg letzte Saison war die berühmte „ciliegina“ auf der Torte?

Ja, das war grandios. Davon haben wir jahrelang geträumt. In den letzten Jahren haben wir eine super Truppe aufgebaut, sind mehrmals knapp vor dem Ziel gescheitert, deshalb war es umso schöner. Wir haben uns das als Mannschaft verdient, rund zwölf Spieler sind seit vielen Jahren hier. Und auch der Verein hat sich diesen Sprung durch die Investitionen in neue Strukturen verdient.

Also war der Aufstieg von langer Hand geplant?

In den letzten Jahren wurde der Grundstein dafür gelegt. Wir haben so eine beachtliche Infrastruktur. Das Stadion wurde modernisiert und hier im Trainingszentrum haben wir ein Schwimmbad, eine Sauna, ein Kaltbecken und einen Physio. In der Summe machen diese Teile den Unterschied.

In Eppan bei Bozen steht das moderne FCS-Center.
Auf mehreren Trainingsplätzen bringt sich der FC Südtirol hier in Form. Fotos: Dolomitenstadt/Wagner

Wie fühlt man sich als Spieler in Italiens zweithöchster Spielklasse? Ist die Serie B eine andere Welt?

Absolut. Nicht nur vor ausverkauftem Haus in Bozen, auch die Auswärtsspiele in den Stadien großer Vereine wie Genua oder Palermo zu spielen, ist grandios. Jedes Spiel läuft im Fernsehen auf Sky und Dazn. Letztes Jahr in der Serie C gab es das nicht. Nun können alle Leute aus der Region unsere Auswärtsspiele verflogen. Wenn ich montags beim Metzger einkaufe, kommentiert er das Spiel vom Wochenende. Spielerisch ist der Rhythmus anders als in der dritten Liga, auch das physische Niveau ist höher.

Fabian Tait stemmt den Meisterpokal! Ab in die Serie B. Foto: FC Südtirol

Wir befinden uns nun mitten in der Saison. Der FC Südtirol steht überraschend gut da. Ist das Team wirklich so gut oder wächst es durch die Euphorie gerade über sich hinaus?

Hätte uns jemand vor der Saison gesagt, dass wir nach 21 Spielen auf Platz fünf liegen, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Die Serie B ist heuer extrem stark besetzt. Obwohl mehr als die Hälfte von uns noch nie in der 2. Liga war, spielen wir eine gewaltige Saison. Nun müssen wir mit beiden Füßen am Boden bleiben. 17 Spiele fehlen noch, die Hinterbänkler werden sich verstärken. Beim Spazieren höre ich schon „Serie A, Serie A“, aber wir müssen einfach konzentriert bleiben, Punkte sammeln und dann sehen wir weiter.

Spricht der Tabellenplatz trotz des hohen Niveaus der Liga nicht umso mehr für eure Qualität?

Natürlich. Unsere Spieler begreifen nun, was sie leisten können. Wir steigern uns von Woche zu Woche und tanken Selbstvertrauen. All das macht uns stärker. Unsere Form hat nichts mit Glück zu tun, wir haben es uns mit unserer Spielweise und unserem Herzblut verdient. Die Challenge ist es nun, oben zu bleiben.

Fabian Tait führt den FCS als Kapitän aufs Feld. Seit acht Jahren ist er Teil des Vereins. Foto: Dolomitenstadt/Wagner

Am Saisonbeginn war dieser Höhenflug nicht absehbar. Es gab drei Pleiten, der Trainer wurde getauscht. Dadurch herrschte eine gewisse Grundskepsis. Fühlst du nun Genugtuung?

Für einen Fußballer gibt es nichts Schöneres, als es den Leuten zu beweisen, die dich abgeschrieben haben. Das war auch bei uns so. Nach den ersten Spielen wurden wir kritisiert und dann gelobt. Aber das ist Fußball. Aus solchen Situationen muss man Motivation ziehen.

Im letzten Spiel hast du gegen Venedig den Siegtreffer erzielt. Zeigen die Veneziani, wie schnell sich das Blatt wenden kann? Sie waren in der 1. Liga, sind abgestiegen und werden nun auch in der Serie B durchgereicht. Ein Mahnbeispiel?

Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Wenn du gewinnst, bist du der Größte. Verlierst du, schießen sie sich auf dich ein. Venedig hat fast die gleiche Mannschaft wie letztes Jahr in der Serie A. Sie waren daher für viele der Favorit in der 2. Liga. Doch wenn nicht jeder für die Kollegen läuft und ackert, wird es schwer. Wir haben nicht das beste Team, aber einen Zusammenhalt, den sich viele andere wünschen.

Ein Faktor für euren Höhenflug ist Trainer Pierpaolo Bisoli. In Italien wird er als „Vulkan“ bezeichnet. Wie explosiv ist er wirklich?

Viele Menschen kommen auch wegen ihm ins Stadion. Er würde am liebsten selbst auf das Feld laufen, ist für uns wie ein zwölfter Mann. Der Trainer hat uns seinen Enthusiasmus, seine Ideen und seinen Hunger eingeimpft. Er schafft es, in unsere Köpfe zu gelangen. Als er uns am Anfang nach drei Niederlagen übernommen hat, brachte er uns Zeitungsartikel über unseren drohenden Abstieg und sagte: „Wollen wir es ihnen nicht zeigen?“

In der Kabine hat er ein Plakat aufgehängt mit den Wettquoten auf den wahrscheinlichsten Absteiger. Wir hatten die niedrigste Quote. Jedes Mal wenn ich aufs Feld gehe, sehe ich die Quoten und will allen zeigen, was ich kann.

Worauf kommt es in der Serie B an. Wie wichtig ist die „cattiveria agonistica“, also eine „dreckige“ Spielweise?

In der Serie C haben wir schöner gespielt, heuer ist unser Spiel wahrscheinlich weniger attraktiv. Wir treten organisiert und kompakt auf, spielen taktisch. Darum geht es in der Serie B.

Der FC Südtirol hat eine gewisse Euphorie ausgelöst. Muss man Ziele nun nach oben korrigieren?

Als Sportler musst du dir immer höhere Ziele setzen, du darfst nie zufrieden sein. Wir müssen uns immer noch auf den Klassenerhalt konzentrieren und brauchen noch mindestens zwölf Punkte. Manchmal geht es schnell und du fällst in ein Loch. Deshalb sind wir gut beraten, uns auf das Wesentliche zu fokussieren.

Die Serie B war immer dein erklärtes Ziel. In der Vergangenheit haben viele Zweitligisten die Fühler nach dir ausgestreckt. Warum bist du trotzdem in Bozen geblieben?

Mit 21 habe ich meinen ersten Profivertrag unterschrieben und danach gute Spiele gezeigt. Das Interesse anderer Klubs war da, mehr aber auch nicht. Nur vor zwei Jahr gab es ein konkretes Interesse von Reggina, als wir noch in der Serie C waren. Ich habe mich gegen einen Wechsel entschieden. Ich habe hier die alten Strukturen erlebt. Da wo wir jetzt sitzen, stand früher ein alter Baum und eine Hütte. Für mich war es eine Herzensangelegenheit, es mit diesem Verein zu schaffen.

Hast du nach dem Aufstieg deinen Tagesablauf verändert?

Ich verbringe mehr Zeit in der Kraftkammer, weil du in dieser Liga mehr Muskeln brauchst. Das habe ich in den ersten Spielen gesehen, die Gegner sind Maschinen.

Seit dem Aufstieg spielt der FC Südtirol regelmäßig vor vollen Rängen. Foto: FCS

Wie nimmst du mittlerweile das Vereinsumfeld wahr? Sprechen dich mehr Leute auf der Straße an?

Letztes Jahr war alles noch ganz anders. Heute wollen die Menschen Fotos und Autogramme, wenn sie mich beim Essen oder in der Stadt treffen. Vor allem die Kinder sind total fanatisch. Früher waren nach den Spielen kaum Leute vor dem Stadion, heute warten Hunderte auf uns. Das ist wunderschön.

In zwei Wochen wirst du 30. Im Juni läuft dein Vertrag beim FC Südtirol aus. Dein nächster Kontrakt wird besonders wichtig. Bleibst du in Bozen?

Ich bin seit acht Jahren hier und habe einen guten Draht zu unserem Sportdirektor. Der Verein ist wie eine zweite Familie für mich. Sie bringen mir viel Wertschätzung entgegen und ich weiß, was ich hier habe. Ich denke, dass wir die Vertragsverlängerung nach dem Transferfenster erledigen werden.

Dann könntest du Rekordspieler des FCS werden...

Das ist eines meiner größten Ziele. Vor der Kabine im Trainingszentrum hängen Bilder von Hannes Fink und Hans-Rudi Brugger, die beide mehr Spiele absolviert haben. Jedes Mal wenn ich daran vorbeigehe, wünsche ich mir, dass mein Bild an erster Stelle hängt. Das wird nicht leicht, ich muss mindestens noch zwei, drei Jahre konstant gut spielen.

Die Bilder der Rekordspieler im FCS-Center. Noch hängt Tait an dritter Stelle...
...doch das könnte sich bald ändern. Der 29-Jährige will den Vereinsrekord knacken.

Wo trifft man dich ohne Ball am Fuß?

Ich habe zwei Hunde, mit denen ich viel Zeit verbringe. Wir spazieren und spielen gemeinsam. Ich bin auch Hobbymusikant. Früher habe ich bei der Musikkapelle Salurn Waldhorn gespielt. Mittlerweile spiele ich Gitarre, das habe ich mir selbst beigebracht. Wenn mich jemand fragt, wäre ich lieber Ed Sheeran als Cristiano Ronaldo.

Kapitän und Musikant – du gibst also gerne den Ton an…

Kann man so sagen (lacht). Auf Hochzeiten von Kollegen schnappe ich mir immer eine Gitarre.

Du hast in der laufenden Saison an einer Oberschenkelverletzung laboriert. Wie fit bist du?

Letztes Jahr habe ich mich im Endspurt verletzt. Im Meisterrennen draußen zu sitzen, war richtig bitter. Danach habe ich mich erholt und im dritten Spiel gegen Venedig wieder verletzt. Das war aber schnell erledigt und seitdem bin ich beschwerdefrei.

Heute erwartet euch im Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Reggina eine besonders knifflige Aufgabe. Was ist drin für euch?

Es wird brutal schwer, sie haben mit Jeremy Menez zum Beispiel einen ehemaligen Spieler von Paris St. Germain. Wir haben sehr gut trainiert und werden alles reinwerfen. Wir haben nichts zu verlieren, der Druck liegt bei Reggina.

Achtest du eigentlich auf deinen Marktwert? Seit dem Aufstieg steigt dein Wert kontinuierlich und liegt mittlerweile bei knapp einer Million Euro.

Ein Freund hat mir mal einen Screenshot gezeigt, aber ich beschäftige mich nicht damit. Es bringt mir persönlich ja nichts. Ich glaube nicht, dass jemand kommt und sagt, ich will den Tait für eine Million. Dann würde ich sagen: „Der spinnt komplett.“

Durch den Aufstieg ist euer Team Teil des beliebten Videospiels FIFA. Hast du schon eine virtuelle Karriere mit dem FC Südtirol gestartet?

Früher habe ich oft FIFA gespielt. Jetzt schicken Kollegen Fotos von ihrer Aufstellung, wo sie mich neben Messi und Mbappe spielen lassen. Ich hätte nie gedacht, dass ich es einmal in dieses Spiel schaffe. Man konnte in den Jahren zuvor ja selbst einen Spieler erstellen. Ich muss ehrlich sagen, da habe ich besser ausgesehen als in der aktuellen Version als echter Spieler (lacht).

Blicken wir zum Abschluss kurz auf das Saisonende voraus. Wo steht der FCS nach Spieltag 38?

Auf Platz 15 oder höher, also nicht im Abstiegskampf.

Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner studierte an der FH Joanneum in Graz und ist ein Reporter mit Leib und Seele. 2022 wurde Roman vom Fachmagazin Österreichs Journalist:in unter die Besten „30 unter 30“ gewählt.

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