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„Uns Mädchen wurde rationales Denken abgesprochen“ 

Ursula Wurm bewahrt Dialekt und Alltag einer prägenden Kindheit im Defereggental vor dem Vergessen.

Nicht Märchen wollten Ursula Wurms Kinder vor dem Einschlafen hören, sondern viel lieber Geschichten aus der Kindheit ihrer Mutter. Und so entschloss sich die pensionierte Lehrerin, ihre eigenen Erinnerungen an die Volksschulzeit und ihr Aufwachsen in Hopfgarten im Defereggental niederzuschreiben. Damit war der Bann gebrochen und Ursula investierte viel Zeit und Engagement in ein weiteres Buch, das sich der Mundart im Defereggental widmet. Obwohl sie nun schon seit Jahrzehnten in Nußdorf-Debant lebt, faszinieren Ursula der Klang und die Melodie ihrer alten Heimat immer mehr, je älter sie wird.

Ursula Wurm wurde 1938 geboren und wuchs am Klamperer-Hof ihrer Familie Blasisker in Hopfgarten im Defereggental auf. Abgelegene Bergbauernhöfe und noch heute bewirtschaftete steile Wiesen und Felder prägen das Tal. Ursula kennt in ihrer Mundart über ein Dutzend unterschiedliche Bezeichnungen für „hinauf“ und „hinunter“. 

Ursula Wurm lebt seit Jahrzehnten in Nußdorf-Debant, doch geprägt hat sie das Aufwachsen in Hopfgarten im Defereggental, an das sie sich in Büchern und Erzählungen erinnert. Foto: Evelin Gander

Arbeitsmethoden, die vor gar nicht so langer Zeit noch zum Alltag gehörten, sind vielen Menschen heute unbekannt und somit gehen auch viele Dialektwörter verloren, die diese Arbeit beschreiben. Ursula hat sie festgehalten und kann sich sehr gut an Vieles – wie das „Ean aurenn“ – erinnern. Ihre Kindheit war geprägt von harter Arbeit, Entbehrungen und Schicksalsschlägen. Der Vater musste in den Krieg ziehen, die Mutter starb als Ursula vier Jahre alt war. Heute Unvorstellbares wurde Kindern zugemutet, aber ebenso zugetraut. 

Für Ursula war ihre Kindheit eine schöne, prägende Zeit, die ihr zur Selbstständigkeit verhalf. Das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie erlebte, würde sie sich für alle Kinder der Welt wünschen, „allerdings mit mehr Toleranz allem Fremden gegenüber“, betont sie.

An ihre Volksschulzeit erinnert sich Ursula gerne: „Einen halben Tag nichts arbeiten müssen, aber Neues lernen – wie herrlich!“ Trotz Widerstands – „Vom Lehrer wurde uns Mädchen rationales Denken generell abgesprochen“ – wurde sie das, was sie immer werden wollte: Lehrerin!


Der Dolomitenstadt Podcast ist ein akustisches Magazin, das die Redaktion von dolomitenstadt.at in Lienz zusammenstellt. Das Themenspektrum ist breit und beschränkt sich nicht nur auf die Region. Wir stellen spannende Projekte vor, widmen uns den Künsten und der Kunst des Lebens, schauen in Kochtöpfe und über den Tellerrand, greifen heiße Eisen an und diskutieren die Themen unserer Zeit mit Menschen, die etwas zu sagen haben. Zu finden auch auf Spotify, bei Apple Podcasts und Google Podcasts.

Evelin Gander ist nicht nur Stadtführerin und Biobäuerin, sondern auch Ideenlieferantin und Geschichtenerzählerin mit viel Einfühlungsvermögen. Thema ihrer Reportagen und Podcasts ist das Leben in all seinen Facetten.

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