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Alles begann mit einem Sommerfestival 1993: Der „Villgrater Kulturwiese“. Foto: Lukas Schaller

Alles begann mit einem Sommerfestival 1993: Der „Villgrater Kulturwiese“. Foto: Lukas Schaller

Musicbanda Franui: Nach 30 Jahren zurück zu den Wurzeln

Wie in Innervillgraten alles begann und was beim dreitägigen „Hochkultur­festival“ im August geboten wird.

Die Geschichte ist vor Ort bekannt: Andreas Schett gründete 1993 in Innervillgraten gemeinsam mit dem Fremdenverkehrsobmann, dem Bürgermeister und etlichen anderen ein Sommerfestival mit Namen »Villgrater Kulturwiese«, die regionale bäuerliche Kultur mit zeitgenössischen Strömungen der Kunst in Verbindung bringen sollte. In unmittelbarer Umgebung gründeten junge Musiker:innen aus dem Dorf als »Haus- und Hofmusikkapelle der Villgrater Kulturwiese« die Musicbanda Franui.

Ihr Instrumentarium entsprach von Beginn an einer österreichischen Tanzkapelle: Hohes und tiefes Blech, Holzbläser, Volksharfe, Zither und Hackbrett, dazwischen und darüber Streichinstrumente. Das Sommerfestival fand nach weniger als fünf Jahren ein jähes Ende, als Gegner der Initiative 1996 das älteste Holzhaus des Tales abfackelten, in dem das neue Festivalzentrum hätte entstehen sollen. Andreas Schett ging daraufhin nach Innsbruck und später nach Wien, nahm Franui gleich mit und der Weg auf die Bühnen der Hochkultur hatte begonnen.

Spiel- und experimentierfreudig war Franui schon in den neunziger Jahren. Foto: Lukas Schaller

30 Jahre später kehren Schett & Co. mit einem Hochkulturfestival an ihre erste Wirkungsstätte zurück, nicht genau auf die Franui-Wiese aber auf die 1.673 m hoch gelegene Unterstalleralm. »Als zentrales Werbesujet für das Festival verwenden wir einen gewöhnlichen Bachstein, der orange angesprüht ist und den man drehen und wenden kann, wie man will. Er steht für unsere Arbeitsweise: Es ist eine Frage der Perspektive, ob man die kleine Welt in der großen wahrnehmen kann, oder umgekehrt«, ist Andreas Schett überzeugt.

Seit ihrer Gründung hat sich die Musicbanda einen eigenen Platz zwischen allen Genres erspielt: Wurden sie anfangs als Variante einer neuen Volksmusik wahrgenommen, so rückten sie mit den weit geöffneten Notenschränken großer Meister wie Schubert, Brahms oder Mahler bald auf die internationalen Bühnen der Hochkultur. Als Virtuos:innen des Fortschreibens legen Franui mit unbändiger Spielfreude an der Sortenvielfalt deren musikalische Substanz frei, um sie in neuer Lesart und in eigenwilligen Zusammenhängen jenseits aller Klischees weiterzuspinnen.

Tag 1, 10. August: Von Moretti bis Mundharmonika

Eröffnet wird das Festival am Donnerstag mit einer Premiere: Erstmals finden sich der Schauspieler Tobias Moretti und Franui zur Kollaboration ein, um im Rahmen einer Uraufführung Klassisches von Eichendorff, Heine oder Rückert mit der strahlenden Klangbatterie der Musicbanda zu verbinden.

Für den zweiten Teil finden sich Künstler:innen aus den unterschiedlichsten Richtungen auf der Hochgebirgs-Bühne ein: Auf ihrem aktuellen Album »Resonanzen« erweitert und vertieft die hochgelobte deutsche Jazzpianistin Johanna Summer ihren ganz eigenen Ansatz des improvisatorischen Weiter-Erzählens klassischer Meister. Ausgehend von Bach über Schubert, Grieg bis zu Ligeti durchdringt sie virtuos die Welten von Komposition und Improvisation.

Und auch in den Liedern der jungen Wiener Singer-Songwriterin Anna Mabo, die gemeinsam mit dem Cellisten Clemens Sainitzer zu Gast ist, findet sich nach jeder Zeile eine überraschende Wendung, wenn sie vieldeutig und schonungslos witzig über sich und ihre Generation schwadroniert.

Einem der wohl verkanntesten Instrumente haben sich die vier finnischen Musiker von Sväng verschrieben: Neben Originalkompositionen zählen vor allem Arrangements finnischer Folkmusik zum außergewöhnlichen Repertoire des Mundharmonika-Quartetts, das Jouko Kyhälä, Eero Turkka, Eero Grundström und Tapani Varis mit lustvoller Vitalität als volksmusikalische Melange präsentieren.

Den Abschluss des ersten Festivaltages begehen Franui gemeinsam mit dem Puppenspieler Nikolaus Habjan und der Diva Lady Bug: Gemeinsam haben sie anlässlich des 100. Geburtstages von Georg Kreisler ausgewählte Lieder musikalisch und szenisch neu übersetzt und zeigen in ihrer Hommage an den großen Komponisten, Dichter, Musiker und Kabarettisten, dass dessen Werk nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Tag 2, 11. August: Gratwanderung zwischen Pop und Klassik

Der zweite Festivaltag beginnt mit einer Gratwanderung zwischen Populär- und klassischer Kammermusik, begangen mit den visionären Interpretationen des Fauré Klavierquartetts: Lebendig und mitreißend erforschen Erika Geldsetzer (Violine), Sascha Frömbling (Viola), Konstantin Heidrich (Violoncello) und Dirk Mommertz (Klavier) neue Repertoirewelten und machen aktuell mit der Weltersteinspielung der eigens arrangierten Meisterwerke »Bilder einer Ausstellung« von Mussorgsky und »Etudes tableaux« von Rachmaninoff Furore.

Er ist Vokalist, Stimmkuriosum, Jodler und Obertonsänger in einem und lässt sich in seiner Vielfalt doch nicht einordnen: Der Schweizer Christian Zehnder verbindet sein nonverbales Universum, musikalische Traditionen und Zeitgenössisches zu einem ganz eigenen, imaginären Kosmos, immer nah am Herz und doch fern von der Heimat.

Die junge Niederländerin Harriet Krijgh wird als eine der aufregendsten und vielversprechendsten Cellistinnen der Gegenwart gefeiert. Leidenschaftlich entfaltet sie das jeweilige Farb- und Ausdrucksspektrum und weist mit poetischem Erzählstil weit über die musikalische Interpretation hinaus.

Ergänzt wird der zweite Teil vom Duo Die Strottern, die im Zusammenspiel mit Künstler:innen aus anderen Genres immer nach neuen und heute gültigen Ausdrucksmitteln für das Wienerlied suchen. Dabei entstauben Klemens Lendl und David Müller das Liedgut musikalisch und inhaltlich so gründlich, dass aus einer lokalen Tradition eine Musik entsteht, die auf der ganzen Welt verstanden wird.

Tag 3, 12. August: »Iceland’s Glenn Gould« auf der Alm

In Innervillgraten ist er mit den »Goldberg-Variationen« zu Gast, als »Iceland’s Glenn Gould« bezeichnete ihn bereits die New York Times: Seit einigen Jahren schon hinterlässt der Pianist Víkingur Ólafsson mit seiner bemerkenswerten Kombination aus musikalischer Perfektion und visionären Arrangements einen tiefen Eindruck. Seine Programme von Bach bis Glass und Kurtág haben ihn zum weltweit angesagten Pianisten gemacht, wobei er stets unterschiedlichen Spuren nachgeht, um in seinem Klangkosmos einzelne Werke zu verbinden.

Mit ihrer energiegeladenen Mischung aus hypnotischem Afrobeat und Beat-Grooves sind Shake Stew einer der aktuell gefragtesten Live-Acts der internationalen Jazz-Szene. Die ungewöhnliche Instrumentierung mit zwei Schlagzeugern, zwei Bassisten und drei Bläser:innen machen die Auftritte der österreichischen Band zu pulsierenden Happenings. Neben Astrid Wiesinger bilden Johannes Schleiermacher und Mario Rom die Bläsergruppe, mit Nikolaus Dolp und Herbert Pirker am Schlagzeug und Lukas Kranzelbinder und Oliver Potratz am Bass ist mitreißender Tanzsound garantiert.

Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt: Zum großen Finale des HOCH KULTUR FESTIVAL blicken Franui gemeinsam mit dem Bariton Florian Boesch der Vergänglichkeit ins Auge. Mit ihrem gefeierten Programm »Alles wieder gut« nehmen der Ausnahmebariton und die zehnköpfige Banda mehr oder weniger bekannte Lieder der Romantik von Schubert, Schumann, Mahler und Co. radikal neu in Augen- und Ohrenschein, wobei die Melodielinie zumeist unverändert belassen, das Klanggewand aber gänzlich neu geschneidert wird.


30 Jahre sind seit der Gründung vergangen. Das feiert die Musikbanda mit einem denkwürdigen Fest in den Villgrater Bergen.

Informationen zu Programm, Karten sowie Weiterführendes zu Anreise und Unterkünften finden Sie unter www.hochkulturfestival.at.

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Festivalschauplatz ist von 10. bis 12. August die Unterstalleralm auf 1.700 Metern Seehöhe.

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