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Hereinspaziert in den Zirkus Bloéb: „7 Todsünden“ in Telfs

Eine solid-gute Enthusiasmus-Show ohne Genialitätsfaktor - ein wenig zu sehr bemüht und sich selbst genügend.

Er kam, sah - und sündigte. Neo-Intendant Gregor Bloéb brachte Donnerstagabend bei den Tiroler Volksschauspielen hoch über Telfs als Regisseur "7 Todsünden" zur Uraufführung. Es geriet zu einem Varieté-Nummernrevue-Spektakel - zwischen "Tutti Frutti", "Schlagerboom", Löwingerbühne, Hochleistungssport und - ja, doch auch - ein wenig "Volkstheater". Eine solid-gute Enthusiasmus-Show ohne Genialitätsfaktor - ein wenig zu sehr bemüht und sich selbst genügend.

Hereinspaziert in den Zirkus Bloéb: Hier wird "gesündigt", enthusiastisch gelebt, gelitten, räsoniert, Leistung erbracht, Wurschtigkeit vorgelebt, immer wieder mal spitz gegen gesellschaftliche "Woke"-Tendenzen zu Felde gezogen, mitunter doch auch selber der (moralische) Zeigefinger geschwungen - und vor allem das eigene Spektakel hemmungslos zelebriert und in die Höhe gehoben. Ein "Stück", ganz nach Wesen und Geschmack seines "Spiritus Rector" - als hätte er es nicht nur inszeniert, sondern gleich auch selber geschrieben. "Seht her - Telfs ist wieder da. Und wie" hätte da noch drinnen stehen müssen, nach den vielen Volksschauspiel-Wirrungen der letzten Jahre. Doch der begnadete Selbstdarsteller und Mitreißer Bloéb ließ den Aufbruchs-Schrei auch so - gefühlt - stets mitklingen und hinausschreien in die Tiroler Sommernacht.

Es war auch tatsächlich alles angerichtet. Traumhaft-Kulisse am Birkenberg oberhalb von Telfs, eine neue Freiluft-Location. Eine aufwendige Stahlkonstruktion direkt neben der barocken Wallfahrtskirche. Volle Tribüne, gespanntes Premierenpublikum. Glühlämpchen leuchteten die "7" und die "Sünden" aus. Komponist Matthias Jakisič und Band waren vor malerischer Bergkulisse perfekt postiert und musizierten kongenial.

"Klotzen, nicht kleckern" hatte der künstlerische Leiter Bloéb im Vorfeld als Devise für Telfs 2023 ausgegeben. Das ist ihm mit "7 Todsünden" gelungen. Foto: Tiroler Volksschauspiele

Und überbrückten und veredelten jene sieben Kurzdramen, die Bloéb aufbieten ließ, um seine Telfer Ära mit einem "Bäng" zu eröffnen. Jedes Kurzdrama eine Sündenbehandlung - Hochmut, Trägheit, Habgier, Zorn, Wollust, Neid, Völlerei. Geschrieben von allerlei Starautoren-Prominenz, angefangen von Ex-Lokalmatador Felix Mitterer über Uli Brée bis hin zu David Schalko und der Salzburger Autorin Helena Adler.

Den Anfang machte eine skurrile Talkshow-Persiflage in Form eines Prologs, in dem gesellschaftliche Untiefen unserer Zeit "behandelt" und zentrale Figuren eingeführt wurden. Und über dem der "Freiheitsbegriff" in unserer Gesellschaft stand - aufgehängt an einer grotesken "Debatte" über Landminen. Da diskutierte dann die Generalsekretärin der Stiftung "Menschenrechte jetzt" mit dem Vertreter der "Nationalen Landminen Vereinigung".

So weit - so relativ kreativ, frech, bissig, provokativ, unterhaltsam und lustig. Und dieses "relativ" sollte sich durch den großen Rest des rund dreistündigen Abends ziehen. Mit schauspielerischen Ausreißern nach oben wie dem "Trägheit"-Part, in dem die eindrückliche Gerti Drassl im sehenswerten Zusammenspiel mit Bernhard Bettermann den Text von Adler mit Hintergründigem wie "Was träge ist, ist unbeirrbar" oder "Dein Mich-Ansehen hat mich unansehnlich gemacht" interpretierten.

Ausreißer in die komplett entgegengesetzte Richtung blieben zwar aus, der etwas gehobeneren Mittelmäßigkeit entfliehen konnte man aber nur selten. Was keinesfalls an den fast durch die Bank fantastischen Darstellern lag - vom komödiantisch-hervorstechendem Heinz Weixelbraun über Lisa Hörtnagl (unter anderem als Racheengel im Stück über den verloren gegangenen gerechten "Zorn" von Lisa Wentz) bis hin zu Klaus Rohrmoser und Gerald Votava.

Doch großteils: Etwas angestrengt schillerndes Boulevard Show-"Theater", bei dem die essenziellen Texte nicht ganz mit dem inszenatorischen und darstellerischen Wollen und Können Schritt hielten. Schalkos Erzählung "Cowboys" mündete in die "Wollust" und einem heftigen Techtelmechtel des etwas abgesandelten Playboy-Musikers Jeff Kantner (Votava) mit einer verheirateten Frau (Olivia Grigolli). Eh ganz lustig, manchmal kam einem schon ein Lacher aus. Und gipfelte in der Darbietung von Roy Blacks "Wahnsinn". Da hatte man die Vermutung, gleich könnte Andreas Gabalier um die Telfer-Ecke biegen.

Seinen vielen Großtaten keine weitere ließ Felix Mitterer hinzufügen. Sein Opus für "Habgier" inklusive der ironisierten Gier einer Tiroler Familie nach Pilzen bzw. dem Geschäft mit ebendiesen ("Eine Reaktor-Katastrophe braucht's wieder, dann steigen auch wieder die Preise"), fehlte es etwas an Pfiff, Esprit und (Wort-)Witz. Der "Neid" brachte eine um eine Spur zu langatmige, aber sportlich umso beeindruckendere Dauer-Choreographie mit ebenso beeindruckenden Tänzerinnen und Tänzern. Das "Volkstheater" in Telfs war in diesen Momenten - natürlich Bloéb-gewollt - so weit weg wie lange nicht.

Dem teils prominenten Premierenpublikum gefiel's jedenfalls. Fleißige Standing Ovations. Von Bischof Hermann Glettler bis Altlandeshauptmann Günther Platter, Staatssekretär Florian Tursky (beide ÖVP) sowie Bloéb-Bruder und Schauspielstar Tobias Moretti abwärts.

"Klotzen, nicht kleckern" hatte der künstlerische Leiter Bloéb im Vorfeld als Devise für Telfs 2023 ausgegeben. Das ist ihm mit "7 Todsünden" gelungen. Ein "Theater für Naturinstinkte" wolle er machen. Donnerstagabend wurde klar: Der ein oder andere Unterhaltungsinstinkt müsste noch etwas nachgeschärft werden.

"Es fährt ein Zug nach nirgendwo" von Christian Anders wurde gegen Ende von "7 Todsünden" intoniert. Der Bloébsche-Zug fuhr vorerst schnurstracks in den gefälligen Durchschnitt.

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