Die Höhe der Wahlkampfkosten ist gesetzlich geregelt. Zwischen den Parteien soll ein fairer Wettbewerb stattfinden. Es soll jene Partei erfolgreich sein, deren Programm den Wählern am meisten zusagt. Wahlen sollen nicht gekauft werden können. Es soll nicht der Reichere, es soll der Bessere gewinnen. Die österreichische Realität ist eine andere. Die Höhe der Ausgaben einzelner Parteien für ihre Wahlkämpfe ist in den letzten Jahren geradezu explodiert. Die gesetzliche Kontrolle hat auch in diesem Bereich mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten.
Die Wahlkampfkosten-Obergrenze bei Nationalratswahlen beträgt 7 Millionen Euro. Diese Obergrenze wurde 2017 von der Partei, die den Sieg einfuhr, um 6 Millionen Euro überschritten. Obwohl diese Partei fast doppelt so viel für Wahlkampfkosten ausgab als erlaubt, waren die Konsequenzen gering. Es mussten nur 800.000 Euro an Strafe bezahlt werden.
In Österreich ist die Überschreitung der Wahlkampfkosten immer noch ein Kavaliersdelikt. Besser noch, es zahlt sich aus. Derzeit bringt jedes Nationalratsmandat einer Partei jährlich 182.801,81 Euro an öffentlicher Parteienförderung. Eine Strafe von 800.000 Euro liegt unter der Parteienförderung, die einer Partei für fünf Nationalratsabgeordnete jährlich zusteht. Anders gesagt: Bei einer Legislaturperiode von fünf Jahren rechnet sich der Fairnessverstoß für die Partei schon bei einem zusätzlichen Nationalratsabgeordneten. Der Steuerzahler finanziert dies.
In Österreich ist die Überschreitung der Wahlkampfkosten immer noch ein Kavaliersdelikt. Besser noch, es zahlt sich aus.
In anderen Ländern wird die Fairness im Wahlkampf deutlich ernster genommen. So etwa in Frankreich. Auch Präsident Nicolas Sarkozy hat in seinem Wahlkampf im Jahr 2012 fast das Doppelte der erlaubten Wahlkampfkosten ausgegeben, nämlich 42 Millionen Euro statt der erlaubten 22,5 Millionen Euro. Sarkozy wurde dafür im September 2021 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Diese Strafe ist noch nicht rechtskräftig. Das Berufungsverfahren wird im Dezember 2023 stattfinden. Die Haftstrafe gegen Nicolas Sarkozy wurde verhängt, obwohl das Gericht ausführt, dass der Präsident selbst das Ausmaß der Wahlkampfkostenüberschreitung möglicherweise gar nicht genau gekannt hat.
Eine Überschreitung der zulässigen Wahlkampfkosten um annähernd das Doppelte führt in Frankreich zu einer unbedingten Haftstrafe für den Präsidenten, in Österreich zu einer milden Geldbuße für die Partei, ohne jede Konsequenz für die handelnden Politiker. Wie kann das kommen? Die Parteien in Österreich kontrollieren sich immer noch selbst. Sie müssen nicht „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben“, wie dies Artikel 21 des Grundgesetzes in Deutschland vorschreibt.
In Österreich sollen die Parteien bis zum 30. September des Folgejahres einen Rechenschaftsbericht über Einnahmen und Ausgaben erstellen. Dieser Bericht soll geprüft werden. Die Prüfung erfolgt durch Wirtschaftsprüfer die von der Partei bestellt werden. Diese Wirtschaftsprüfer der Partei sollen dann feststellen, ob die Vorschriften des Parteiengesetzes eingehalten worden sind. Der Rechnungshof kann den Bericht des Wirtschaftsprüfers der Partei prüfen, darf aber von der Partei weder Nachweise noch Aufklärung verlangen, darf keine Belege einsehen, keine Parteibediensteten befragen. Der Rechnungshof muss sich bei seinem Kontrollverfahren auf die Angaben der Parteien verlassen. Er darf nur die Richtigkeit der Angaben der Parteien in deren Rechnungsbericht prüfen. Ein Blick in die Unterlagen der Parteien kann der Rechnungshof aber nicht nehmen.
Obwohl die Kontrolle durch den Rechnungshof gleichsam mit verbundenen Augen stattfinden muss, ergeben sich aus den Angaben der Parteien nicht selten Anhaltspunkte dafür, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Wenn der Finanzbericht unschlüssig, lückenhaft oder fehlerhaft ist, darf der Rechnungshof seine Ansicht veröffentlichen. Das war‘s dann. Unfairness im Wahlkampf durch Wahlkampfkostenüberschreitung bleibt ohne spürbare Konsequenzen.
Bürger, Unternehmen und Vereine müssen ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Staat gegenüber offenlegen. Sie müssen offenlegen woher ihre Einnahmen stammen und dass sie diese Einnahmen versteuern. Sie müssen Registrierkassen anschaffen, Steuererklärungen abgeben und rechtzeitig und vollständig ihre Steuern bezahlen. Die Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten der Bürger wurden den veränderten wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst.
Parteien in Österreich hegen ihre altgewohnte Intransparenz, halten ihre Finanzen „unter der Tuchent“ und kontrollieren sich selbst. Gerichtsstrafen für Parteien oder Politiker wegen Wahlkampfkostenüberschreitungen sind in Österreich nicht vorgesehen. Solche Gesetze müssten von den im Nationalrat vertretenen Parteien beschlossen werden. Das ist bislang nicht geschehen. Das ist nicht nur anachronistisch, sondern mittlerweile auch demokratiegefährdend.
Wenn Spitzenpolitiker und Parteien Gesetze nicht beachten, die sie betreffen, warum sollten sie dann Gesetze beachten, die sie nicht unmittelbar betreffen? Wenn Parteien und Spitzenpolitiker derzeit ungestraft Gesetze übertreten können, ist es hoch an der Zeit, die Gesetze anzupassen.
Rechnungshofkontrolle mit verbundenen Augen mag vor einiger Zeit ausreichend gewesen sein. Heute entspricht sie nicht mehr den Anforderungen, die an die Parteien in aufgeklärten Demokratien zu stellen sind. Parteien müssen „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben“. Unfairness im Wahlkampf muss bestraft werden.
3 Postings
Wahlkampfkosten und Parteispenden in Ö. Wann erfolgt endlich gelebte Transparenz? Nie!
Umfangreiche Wahlkampfversprechen – auch durch die aktuelle Regierung (ÖVP/Grün), in Sachen Informationsfreiheit, Amtsgeheimnis, Transparenz bei Parteispenden und Wahlkampfkosten.
In Wahrheit sieht keine Parlamentspartei bei diesem Thema gut aus! Die Grünen und Neos bemühen sich zwar, aber erreichen im Grunde auch nichts! Die Eigeninteressen der einzelnen Parteien sind gewichtiger, als die viele Versprechungen an die Wähler.
Aus meiner Sicht würde es brauchen: Klarheit (glasklar!), wie Parteien und Politiker finanziert werden. Kontrolle und vollkommene Durchleuchtung von der Öffentlichkeit und vom Rechnungshof. Zudem Konsequenzen, wenn Regeln, Gesetze gebrochen werden (welche zum großen T. erst geschaffen werden müssten z.B. strafrechtliche Verfolgung von politischen Verantwortungsträgern, wie von Hrn. Unterweger angesprochen).
Und genau bei diesen Forderungen sind wir wieder in der ewigen (Warte-)Schleife, warum Politiker nicht volle Transparenz und diese in klare Gesetze gegossen - gegen sich - nicht zustimmen wollen. Selbst wenn es sich um Wahlversprechen handelt und damit Wähler betrogen werden.
Die meisten Wahlberechtigte vergessen schnell… Keiner soll glauben, dass die SPÖ auf absolute Transparenz aus ist. Geschweige denn, wenn wir von der neuerdings, volksnahen-kleine Mann-Kickl-FPÖ-Partei reden – oh, wie leicht seid ihr (30% Wähler) zu beeinflussen. Ihr werdet enttäuscht werden! "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist". Und von den Türkisen/ÖVP wissen wir, dass die alles untern Tisch kehren und ihr Wahlversprechen im vollen Umfang nicht einhalten.
"Gaston Glock, Heidi Horten, René Benko: Diese Namen nannte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in jener schicksalhaften Nacht auf Ibiza vor versteckter Kamera als Beispiele für potenzielle Spender. Derartige Geldgeber würden jedoch nicht direkt an die Partei, sondern an einen Verein spenden, meinte Strache... "
https://www.profil.at/oesterreich/ibiza-affaere-wie-unternehmer-verdeckte-spenden-an-einen-fpoe-nahen-verein-leisteten/401015279
Der Themenkreis "Parteispenden" ist eigentlich eine andere Ebene, ist aber gleichermaßen intransparent konstruiert und nach den bestehenden Bestimmungen gleich wenig kontrollierbar für die laut Gesetzen zuständigen Stellen. Freigrenzen oder "Bagatellgrenzen", die eine Parteispende nicht meldepflichtig machen, dürften höchstens zweistellig sein.
Aber es ist natürlich dasselbe Grundproblem: Die Parteien beschließen ihre eigenen Spielregeln ohne Kontrollinstanz. Damit kann - durch das aktuell herrschende Verständnis von Politik - offenbar nicht mehr sichergestellt werden, dass im Sinne des Gemeinwohls gehandelt wird ...
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren