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Südtiroler wollten Schutz­anzüge „der Steiner geben“

Ein Buch enthüllt, wie man 400.000 irrtümlich gekaufte Anzüge einer Osttiroler „Kurz-Vertrauten“ andienen wollte.

Schutzausrüstung war zu Beginn der Corona-Pandemie ein begehrtes Gut. Auch in Südtirol wurde nach Ausbruch der ersten Welle fieberhaft nach Masken, Anzügen und Handschuhen gesucht. Zu einem der großen Spieler avancierte dort der Konzern „Oberalp“, über den hunderttausende fehlerhafte Schutzmasken in Umlauf geraten sind, mittlerweile ermittelt die Justiz.

Die beiden Südtiroler Journalisten Christoph Franceschini und Artur Oberhofer rekonstruieren den Fall in ihrem Buch „Das Geschäft mit der Angst“, das heute, Dienstag, erschienen ist. Dolomitenstadt.at wurde vorab ein Exemplar zur Verfügung gestellt. „Oberalp“ lieferte demnach unter anderem aseptische Schutzanzüge zum Preis von 27,90 Euro pro Stück an den Südtiroler Sanitätsbetrieb.

Bei einer ersten Lieferung hat man 30.000 dieser Anzüge bestellt, in einer zweiten Lieferung waren es plötzlich 400.000 Stück, die der Sanitätsbetrieb kaufen wollte. Offiziell, so Franceschini und Oberhofer im Buch, sei es „ein Schreibfehler, für den man am Ende den Arzt Werner Calliari verantwortlich macht. Calliari macht die Bestandsaufnahme und fügt bei den aseptischen Schutzanzügen aus Versehen eine Null zu viel hinzu.“

Journalist Christoph Franceschini ist Co-Autor eines Enthüllungsbuchs über die Causa Oberalp. Es geht um „Vertuschungsaktionen“. Foto: Salto.bz

„Die Aseptischen reißen uns den Arsch auf, weil sie Geld kosten und sie niemand braucht. Oder?“

Thomas Widmann, ehem. Südtiroler Landesrat

Ein teurer Fehler – der Unterschied zwischen 40.000 und 400.000 aseptischen Schutzanzügen liegt bei zehn Millionen Euro. Entsprechend geschockt habe der damalige Gesundheitslandesrat Thomas Widmann – dem Landeshauptmann Arno Kompatscher 2022 seine Kompetenzen entzogen hat – reagiert, als er von Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer über den Fauxpas informiert wurde: „Die Aseptischen reißen uns den Arsch auf, weil sie Geld kosten und sie niemand braucht. Oder?“ Zerzer: „Ganz genau.“

Eine Lösung musste also her und hier wird das Buch aus Osttiroler Sicht spannend. Im Kapitel über „die folgenschwere Nullnummer“ taucht der Name Silke Steiner auf. Steiner war bis 2018 Obfrau des Wirtschaftsbundes in Osttirol, scheiterte jedoch beim Versuch, dieses Amt als Sprungbrett in die Politik zu nutzen.

Zweimal kandidierte die damalige Jung-Unternehmerin bei den Nationalratswahlen – 2013 für die ÖVP und 2017 für das „Team Kurz“. 2016 musste sie sich bei der Bürgermeisterwahl in Amlach dem langjährigen Ortschef Franz Idl geschlagen geben. Steiner gründete 2018 in Lienz das Beratungsunternehmen „Steiner & Wang International Trading Agency“. Sie war damals, wie sie selbst bestätigt, in China tätig.

Die Autoren zitieren in ihren Schilderungen aus den Ermittlungsakten der Bozner Staatsanwaltschaft, bei der Landesrat Widmann in dieser Causa zwei Namen deponiert habe: Sebastian Kurz und „Frau Steiner“. Am 31. März 2020 habe Steiner mehrmals versucht, Thomas Widmann telefonisch zu erreichen.

Widmann habe die Osttirolerin an besagtem Tag zurückgerufen. Dabei habe sie vorausgeschickt, dass sie „eine enge Vertraute von Sebastian Kurz“ sei, von dem sie auch den Kontakt zu Thomas Widmann habe. Steiner habe erklärt, dass sie eine „internationale Handelsagentur“ betreibe, die auch in Süd-Ost-China tätig sei. Konkret habe sie über einen Corona-Schnelltest gesprochen, den man zusammen mit einer Partnerfirma in Hangzhou entwickelt habe.

Silke Steiner vor der Nationalratswahl 2017 an der Seite von Sebastian Kurz. Foto: Frischauf

Die ehemalige Wirtschaftsbündlerin habe aber auch erwähnt, dass sie verschiedene Schutzausrüstungen vertreibe, die sie dem Land Südtirol anbieten könnte. Widmann habe sich vor allem am Corona-Schnelltest interessiert gezeigt, sah offenbar aber auch einen Weg aus der Misere mit den Schutzanzügen. Er habe daher versucht, die überschüssigen 350.000 aseptischen Schutzanzüge über Steiner weiter zu verkaufen. Im Buch wird aus einem Telefonat zwischen Widmann und Sabes-Direktor Zerzer zitiert:

Thomas Widmann: „Wir werden eine Lösung finden, glaub mir das. Und wenn wir sie nach Österreich verkaufen.“
Florian Zerzer: „Mhm.“
...
Widmann:
„Ja. Weißt du, es geht immer ums Geschäft. Das heißt, wenn wir sie um 27 Euro weitergeben, und wir geben sie der Steiner, sie bekommt sie sofort und kann dafür 28 verlangen. Ja, nona.“
Zerzer: „Mhm.“
Widmann: „Die macht mit einem Totsch [dialektaler Ausdruck für Schlag - Anm. d. A.] 300.000 Euro, wenn sie das Zeug bekommt. Wo meinst du, wo die sich überall meldet.“
Zerzer: „Ja, das ist auch ein Deal…“

Ein Geschäft kam letztlich nicht zustande, weil die Bestellung von Südtiroler Seite „umgepolt“ wurde. Angesprochen auf die im Buch geschilderten Vorkommnisse zeigt sich Silke Steiner empört: „Das ist so nicht passiert.“ Sie dementiert, jemals mit Widmann über Schutzanzüge gesprochen zu haben. Generell habe sie „vielleicht ein Mal und das auch nur kurz“ mit dem Südtiroler Landesrat telefoniert. Dabei habe sie sich aber nie als Vertraute von Ex-Kanzler Kurz ausgegeben und „keine Geschäfte gemacht“.

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12 Postings

kleintirol
vor 8 Monaten

...."vielleicht einmal telefoniert zu haben" .... das klingt nach guter alter Politiker-Manier. Grauenhaft !!

 
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multi 1
vor 8 Monaten

Zum Glück weiß man nicht mehr, wieviele Gelder damals geflossen sind. Gibt sicher viele die was jetzt schön den Mund halten.

 
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vitl
vor 8 Monaten

Da hat der Landesrat aber ein schönes Luftschloss gebastelt. 300.000 Schutzanzüge zu a 27€ wären für Silkes damaligen Weltkonzern vielleicht dann wohl doch etwas zu ambitioniert gewesen.

BTW: Die Optik einer ausgemusterten Regionlpolitikerin, welche mal ganz frech direkt bei einem italienischen Regierungsmitglied durchklingelt (Nummer praktischerweise vom engen Vertrauten Sebastian bekommen) um einen öffentlichen Auftrag niederschwellig an Land zu ziehen, ist mehr als schief und in meinen Augen klassisches österreichisches Politikerverhalten.

 
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    Hannes Schwarzer
    vor 8 Monaten

    @vitl: bleib am Boden: wenn, dann hat sie mit dem Südtiroler Gesundheitslandesrat Widmann telefoniert, aber nicht mit einem 'italienischen Regierungsmitglied' ! Von Bozen nach Rom ist's dann doch noch ein weiter Weg !!

     
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      vitl
      vor 8 Monaten

      Du weißt aber doch bestimmt, dass dejure diese Sonderautonomie zu Italien und ein Landesrat derselben zur Regierung zählt.

      Wäre analog auch schade, wenn wir Tiroler nur Tiroler und keine Österreicher wären (oder Europäer).

       
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      Hannes Schwarzer
      vor 8 Monaten

      @vitl: Du weisst aber schon, dass Thomas Widmann Mitglied der Südtiroler Landesregierung (LH Kompatscher) war und nie Mitglied einer italienischen Regierung (MP Meloni)? Der Unterschied dürfte geläufig sein...

       
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      Hannes Schwarzer
      vor 8 Monaten

      Haben jetzt (bisher) 6 ablehnende Daumen Bildungslücken, oder drückt man -wenig glaubwürdig- beim Schwarzer halt 'Daumen unten' ?? Für mich sind 640,4 km Bozen-Rom ein durchaus weiter Weg und in Bozen sitzt immer noch die Südtiroler Landesregierung und nicht die italienische! Wenn's anderer Meinung sind, dann halten Sie (alle bisher 6) sich bitte an Bruno Kreisky: 'lernen Sie Geschichte!'

       
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      vitl
      vor 8 Monaten

      Wer wird denn gleich so grantig sein... Erkläre uns doch in stringenter Weise - und nicht invers kausal mit aufs Komma genauen KM Zahlen - weshalb die Südtiroler Regierung nicht italienisch sein sollte. Ich hoffe nicht, dass diese deine Wortklauberei nur einer notorischen Besserwissersei geschuldet ist.

       
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      Edi1913
      vor 8 Monaten

      Rom darf nicht Bozen werden! 😉

       
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      Hannes Schwarzer
      vor 8 Monaten

      @vitl: Originaltext: '...bei einem italienischen Regierungsmitglied durchklingelt..' So, Thomas Widman war Mitglied der Landesregierung eines Teiles einer autonomen italienischen Region (Trentino-Südtirol), aber nie einer italienischen Regierung! Mattle ist Vorsitzender der Tiroler Landesregierung, aber nie und nimmer Mitglied einer österreichischen Regierung! Es gibt EINE österr. Regierung und 9 Landesregierungen, mit eigenen Gesetzen (Jagd-, Jugendschutz, Bauordnung etc) und Aufgaben im übertragenen (Bundes-)bereich. Erkläre bitte den (fast) 2/3 - genaue Zahlen sind ja unerwünscht- deutschsprachigen Südtirolern, dass Widmann Mitglied einer 'italienischen' Regierung war... Nur weil Tirol Teil der Republik Österreich ist, ist die Tiroler Landesregierung noch lange nicht die österreichische!

       
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beobachter52
vor 8 Monaten

Was will dolomitenstadt.at mit diesem Artikel?! Ist es heute schon ein "Verbrechen", wenn man mit Sebastian Kurz näheren Kontakt hatte? Die Südtiroler Autoren machen sich aus gestohlenen Informationen (oder gibt es in Südtirol keinen Datenschutz?) ein Bild, wie es ihnen passt - und dolomitenstadt.at daraus anscheinend einen Artikel, wie er ihnen passt .... Seriöer Journalismus, wirklich!

 
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    MVP
    vor 8 Monaten

    zum einen wird nur aus dem buch zitiert (und steiner natürlich dahingehend befragt, was journalistisch völlig legitim ist), zum anderen ist man natürlich kein verbrecher wenn man mit kurz kontakt hatte... man muss aber schon sagen, dass viele, die mit kurz kontakt hatten ihr amt oder ihre funktion schon eher verhaltensauffällig gestaltet haben ... einschließlich basti himself!

    ein interessantes interview dazu gibts hier: https://www.derstandard.at/story/3000000187426/kriminalfall-um-defekte-masken-das-politische-versagen-ist-absolut-da

     
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