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„Nach Osttirol zurückzukehren war eine wichtige Erfahrung“

Andrea Schneeberger über das Heim­kehren, berufliche Vielseitigkeit und das EU-Projekt „Begegnungsraum Osttirol“.

Geboren und aufgewachsen ist die 30-jährige Oberlienzerin Andrea Schneeberger mit ihren Eltern und ihrer Schwester im Lienzer Talboden. Nach vielen Jahren in der Bundeshauptstadt Wien hat es sie mittlerweile zurück in die Heimat nach Lienz verschlagen, wo sie seit 2019 wieder lebt und arbeitet. Die Entscheidung, aus ihrer Studienstadt wieder heimzukehren, entstand aus einer Mischung von beruflichen und privaten Überlegungen.

„Dass in Osttirol natürlich nicht so viele Menschen leben wie in Wien und man sich hier weniger ‚aussuchen‘ kann, in welchen Kreisen man sich bewegt, weiß ich sehr zu schätzen, wie schön wir es in Osttirol haben und dass man den Austausch mit anderen Menschen gefühlt hier mehr wertschätzt.“ Anfängliche Bedenken zum Knüpfen neuer sozialer Kontakte und dem Finden von Anschluss haben sich als unbegründet erwiesen: „Wenn man ein wenig offen ist, findet man auch daheim viel Anschluss – ich fühle mich sehr wohl.“

Bevor wir über Andreas berufliche und private Projekte sprechen, unternehmen wir einen gedanklichen Ausflug entlang ihrer akademischen Karriere und deren Entwicklung nach dem ersten Heimweh Interview vor neun Jahren. Damals befand sie sich inmitten ihres Studiums am Institut der Sprachwissenschaften in Wien mit dem Vorhaben, nach dessen Abschluss in die Linguistik Forschung zu gehen. „Am Institut Translationswissenschaften habe ich außerdem Deutsch, Englisch und Französisch Übersetzung studiert. Das Linguistik-Studium habe ich abgeschlossen, aber in den Translationswissenschaften habe ich mich rein auf die Sprachkurse und weniger auf den kulturellen Teil rundherum konzentriert.“

Die slowakische und tschechische Sprache kamen im Rahmen von Wahlfächern während Andreas Bachelorstudium hinzu. „Das mich sehr interessiert, da ich in der Slowakei 2012/13 gleich nach der Matura ein freiwilliges soziales Jahr verbracht habe.“ Um all die gelernten Sprachen im Gedächtnis zu behalten, trifft sich Andrea virtuell mit Freunden aus aller Welt und besucht einen Französischkurs an der Lienzer VHS.

Ich habe drei Sprachen studiert und diese natürlich immer verwendet, die will ich auch weiterhin einsetzen!

Andrea Schneeberger

„Ich habe gemerkt, dass das mit der Linguistik-Forschung doch nicht so ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Es ist kein Thema, das man in Österreich betreiben kann – ich hätte damals nach dem Masterstudium nach Deutschland gehen müssen, das hat nicht gepasst.“ Auch eine Arbeit mit der Sprache als Krankheitsbild war für Andrea damals aufgrund des diagnostischen Fokus nicht das Richtige. „Ich habe mir dann gedacht: Ich habe drei Sprachen studiert und diese natürlich immer verwendet, die will ich dann auch weiterhin einsetzen!“

So beschloss sie, nach Abschluss ihres Studiums für einen Sommer und ein wenig Pause nach Lienz zu gehen. Als aktives Mitglied der Wasserrettung war sie als Badeaufsicht am Tristacher See tätig. „Ich hatte viel Zeit, um zu Überlegen und Bewerbungen zu schreiben.“ Nachher und nach eineinhalb Jahren in der Arbeitsvorbereitung eines produzierenden Betriebs stand für sie ein Wunsch nach Veränderung an. Im darauffolgenden Herbst zog es Andrea nicht mehr nach Wien, sondern zu einer Anstellung in der Firma iDM in Matrei. „Mit dem dortigen Bereich der Produktionsvorbereitung konnte ich mich allerdings auf Dauer nicht identifizieren und ich habe mich auf die Suche nach Veränderung gemacht“, erklärt sie.

In ihrer Freizeit ist Andrea in den (Osttiroler) Bergen anzutreffen. Fotos: Privat

„Vor zwei Jahren bin ich zur Firma PPD (= PrePress digital; dt. Druckvorstufe), einer Tochtergesellschaft der Durst Group gekommen.“ In ihrer Position als technische Redakteurin kann Andrea alles Spannende aus vorhergehenden Studien verbinden. „Ich übersetze Funktionen, schreibe und übersetze Handbücher und kümmere mich um Neuheiten rund um unser Produkt“. Außerdem recherchiert sie Wörter und fachspezifische Informationen, wobei sie stets im Austausch mit Kolleg:innen und Techniker:innen ist, die sich viel mit den jeweiligen Thematiken befassen.

In ihrer Freizeit ist Andrea oft bei diversen Sportarten anzutreffen, reist gerne, hört Musik und probiert Dinge aus, die sie noch nicht kennt. „Ich besuche gerne neue, spannende Vorträge oder sehe Filme.“

Ein Projekt, das ihr besonders am Herzen liegt und welches den Austausch untereinander in Osttirol unterstützen soll, hat sie gemeinsam mit vier anderen Osttiroler:innen im vergangenen Jahr in die Tat umgesetzt. „Wir haben das EU-Projekt ‚Begegnungsraum Osttirol‘ ins Leben gerufen und dafür einen Unterstützungsantrag beim Europäischen Solidaritätskorps gestellt. Unterstützt wurde das Projektteam sowohl von der Nationalagentur ‚Oead‘ bei der Antragstellung als auch vom InfoEck Innsbruck in der Kommunikation des Projektes.“ Im Juni 2022 wurde der Antrag des Osttiroler Organisationsteams bewilligt und während der Projektlaufzeit bis Mai 2023 wurden insgesamt fünf Veranstaltungen umgesetzt. „Vorbereitungszeit, Organisation und Durchführung nehmen einiges an zeitlichen Kapazitäten und Ressourcen in Anspruch. Jede und jeder, der dabei war, hat ja auch einen ‚normalen Job‘, den es zu erfüllen gilt“, erklärt Andrea auf die Frage, wie aufwändig die Umsetzung eines solchen Vorhabens ist.

Im Rahmen des EU-Projektes „Begegnungsraum Osttirol“ organisiert Andrea mit ihrem Team Events, wie hier eine Kräuterwanderung.

„Es ist aber sehr erfüllend, ehrenamtliche Tätigkeiten auszuüben – das wurde mir schon 2012/13 im Rahmen meines ersten Projektes bewusst, das mir die Motivation zu dem aktuellen Vorhaben gegeben hat. Dass man die Möglichkeit hat, so ein Projekt über eine EU-Stelle zu machen und das dank deren Unterstützung nicht aus eigener Tasche zu finanzieren, ist echt viel wert“, freut sie sich. Über diverse Kanäle angekündigt, wurden die Veranstaltungen des Projekts zu Selbstläufern. „Es gibt wirklich genug Menschen, die sich für Neues interessieren und aus ihrer Komfortzone hinauswollen. Ob bei Kräuterwanderung, Sprachencafé oder Theaterworkshop – das Angebot wurde von vielen Altersgruppen gut angenommen“, zieht Andrea ihr Resümee.

In Zukunft möchte sich die gebürtige Oberlienzerin beruflich – sowohl in technischem Know-How als auch im Übersetzungsbereich – weiterbilden. Auch das Projekt „Begegnungsraum Osttirol“ möchte sie, wenn möglich, in Form von Veranstaltungen weiterführen. Die Entscheidung, nach Osttirol zurückzukehren, beschreibt sie als wichtige Erfahrung. „Es ist außerdem wichtig, sich bewusst zu machen, dass das, was man hat gut ist, wie es ist. Man lernt, mit der Zeit zu sagen: ‚Ich bin jetzt zufrieden.‘

Könnte sie der damals 21-jährigen Andrea aus heutiger Sicht einen Ratschlag geben, würde dieser wohl „Stress dich nicht!“ lauten. „Gerade in der Zeit zwischen 20 und 30 Jahren tut sich so viel, da kann das Leben jede Woche anders ausschauen. Man entwickelt sich sowieso immer in allen Bereichen des Lebens laufend weiter. Das ist schön und darauf darf man sich einlassen. Ein Tag hat aber nur 24 Stunden und man darf sich gönnen zu sagen: ‚Das hat heute gut gepasst, wie es war.‘


Zwischen 2014 und 2016 befragten die Künstlerin Linda Steiner und das Redaktionsteam von Dolomitenstadt mehr als hundert Studierende mit Osttiroler Wurzeln nach ihren Zukunftsplänen und -träumen. Wir nannten die Interviewserie „Heimweh“. Jahre später laden wir die Gesprächspartner:innen von damals in der zweiten Staffel Heimweh 2.0 erneut zum Interview. Was hat sich seither getan in dieser besonders spannenden Phase des Lebens?

Elena Einhauer hat Marketing & Kommunikation studiert und lebt in Innsbruck. Als freie Journalistin berichtet sie für dolomitenstadt.at über aktuelle Events und stellt spannende Persönlichkeiten vor, mit einem Blick für das Besondere, den auch ihre Fotoreportagen widerspiegeln.

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Andrea Schneeberger 
hat eine Leidenschaft: Sprachen.

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