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„Durch Veränderung können viele Dinge besser werden.“

Von Lienz über Graz nach Wien und vom Lehramtsstudium zur Mentorin: Vedrana Markanovic im Interview.

„In meiner Heimat habe ich eine klassische Jugend verbracht. Ich habe das Gymnasium Lienz besucht, war viel unterwegs und habe viel Sport gemacht“ – mittlerweile wohnt Vedrana Markanovic in Wien und ist dort als Lehrerin an einem Gymnasium tätig. „Nach Osttirol komme ich zurzeit nur mehr drei bis vier Mal im Jahr, da es doch eine weite Strecke ist und sich das mit meiner Arbeit nicht so einfach vereinbaren lässt.“

Wenn sie die Reise antritt, hält sie sich – im Gegensatz zu früheren Wochenendbesuchen – gleich ein paar Tage für den Aufenthalt in Lienz frei: „Osttirol ist immer noch ein Treffpunkt für Familie und Freund:innen, die mittlerweile zurück heim gezogen sind oder in anderen Städten quer durch Österreich oder im Ausland leben.“

Etwas, das die 33-jährige Wahl-Wienerin mit bosnischen Wurzeln sehr vermisst, kann man fast nicht übersehen: „Wien ist toll, aber die Berge fehlen mir schon sehr“, schmunzelt sie. Eine Rückkehr in die Heimat kommt für sie – wie bereits in ihrem ersten Heimweh-Interview vor neun Jahren – trotzdem (noch) nicht in Frage. „Ich bin in eine größere Stadt gezogen und ich fühle mich sehr wohl in Wien. Vielleicht ist das in 15 Jahren anders. Ich will Lienz nicht missen und ich fahre gerne heim, nur das Heimziehen wird eher schwierig werden“, so Vedrana.

Die anfängliche Zweifel an ihrer Studienwahl Englisch und Französisch auf Lehramt seien schnell verflogen: „Bis zum Schluss war eine Unsicherheit da, weil man damals nicht so viel Praxis hatte. Ab dem ersten Schritt in die Schule bei meinem ersten Unterrichtspraktikum in einem BORG in Graz habe ich aber sofort gemerkt, dass der Beruf genau mein Fall und die Arbeit mit jungen Menschen toll ist.“ Lächelnd fügt sie an: „Ich bin auch ein bisschen eine Rampensau, da passt der Beruf ganz gut.“

„Bei der Mitternachtseinlage meines ersten Schulballs als Lehrerin habe ich bemerkt, wie entspannt der Umgang an meiner Schule ist“, erzählt Vedrana. Alle Fotos: Privat

In ihr erstes Praxisjahr nach dem Studienabschluss in Graz startete die Osttirolerin großteils mit dem Unterrichten von nur einem ihrer beiden Studienfächer. Seit ihrem Umzug von Graz nach Wien im Jahr 2017 haben sich die Unterrichtsschwerpunkte weiter verändert. „An meiner jetzigen Schule wird sehr wenig Französisch angeboten. Ich habe dafür sechs Jahre lang mit einer Klasse gekocht. Das war ungeplant, aber spannend“, erzählt Vedrana. Seit eineinhalb Jahren ist sie Mentorin für neue Lehrer:innen und unterstützt dabei Studierende und Berufseinsteiger:innen.

Die Aufgabe habe sich nebenbei ergeben: „Ich habe in den bisherigen sieben Jahren als Lehrerin mitbekommen, dass es bessere und schlechtere Mentor:innen gibt. Also habe mir gedacht, dass es für mich eine tolle Herausforderung sein würde, weil ich mich so darum bemühen muss, auch meinen eigenen Unterricht noch ein bisschen spannender zu gestalten.“ Das laufende Feedback bringe sie in ihrer eigenen Entwicklung weiter, erklärt die 33-Jährige.

Offiziell benötigt man für die Tätigkeit eine Zusatzausbildung, die aber aufgrund des hohen Bedarfs auch verkürzt oder nachgeholt werden kann. „Ich habe vor zwei Jahren eine einjährige Ausbildung gemacht, werde aber bereits für Bereiche eingesetzt, die erst nach zweijährigen Ausbildungen benötigt werden. Ich habe viel gelernt und bin sehr froh, dass ich das gemacht habe. Fortbildungen finde ich im Job sowieso ganz wichtig“, erklärt Vedrana. Auf ihrer Wunsch-Lernliste stehen außerdem Themen wie die psychologische Betreuung von Schüler:innen und eventuell ein drittes Unterrichtsfach.

Vedrana bei der Pride Parade 2023 in Wien. Sozialpolitik und Inklusion jeder Art liegen ihr sehr am Herzen.

Internationale (Bildungs-)Luft hat die junge Osttirolerin schon während ihres Studiums geschnuppert, war sie doch für ein Semester im französischen Nantes. „In Zukunft würde ich mir einen erneuten Auslandsaufenthalt sehr wünschen. Der Plan wäre, in ein paar Jahren Bildungskarenz zu machen und irgendwo im englischsprachigen Raum für ein paar Monate zu leben und mich dort in irgendeiner Form weiterzubilden“, so Vedrana.

Auch in ihrer Freizeit sitzt die Wahl-Wienerin nicht still. Lesen, Kino- oder Viennale-Besuche, aber auch viel Zeit mit ihren Freund:innen stehen regelmäßig auf dem Programm: „Auch sportlich habe ich einiges ausprobiert. Von Volleyball über Squash, Bouldern und Mountainbiken ist bei mir alles dabei und ich erkunde Stück für Stück die Natur rund um Wien.“ Im vergangenen Sommer hat sie eine Fahrradtour von Kroatien nach Lienz unternommen.

Neben einem Auslandsaufenthalt steht für Vedrana ein weiterer Meilenstein an: „Ich bin gerade dabei, eine Klasse von der ersten bis zur achten Schulstufe zu begleiten. Derzeit sind wir in der vierten Klasse, in ein paar Monaten steht der große Umbruch mit dem Schulwechsel an. Das wird sehr emotional, glaube ich.“

Weil Vedrana eine Freundin mit einem gehörbeeinträchtigten Kind hat, würde sie gerne im Bereich Gebärdensprache eine Ausbildung absolvieren: „Das ist allerdings sehr intensiv und wäre mit viel Zeit und Kosten verbunden.“ Abgesehen davon sei ihre Lehrerinnentätigkeit nicht in Stein gemeißelt. „Die nächsten Jahre bleibe ich sicher dabei, weil es mir wahnsinnig viel Spaß macht. Ich bleibe trotzdem offen für Neues. Die Werbebranche würde mich auch reizen, also mal schauen“, so Vedrana.

Im Islandurlaub 2022 – Vedrana reist gerne und hat den Norden für sich entdeckt.

Rückblickend auf die vergangenen Jahre seit dem letzten Heimweh-Interview zeigt sich Vedrana zufrieden: „Eine sehr gute Wahl war der Umzug nach Wien im Sommer 2017. Ich hatte Angst vor dieser Veränderung, es hat sich aber alles innerhalb kürzester Zeit richtig angefühlt. Ich denke, dass man schon Fehler macht, aber ich bin um alle Entscheidungen froh, die ich getroffen habe. Sie haben mich dahin geführt, wo ich jetzt bin und damit bin ich sehr zufrieden.“

Der damals 24-Jährigen würde sie daher aus heutiger Sicht mit auf den Weg geben, „keine Angst vor Veränderung“ zu haben: „Das bedeutet nicht, dass etwas schlechter wird. Im Gegenteil, durch Veränderung können viele Dinge noch besser werden.“


Zwischen 2014 und 2016 befragten die Künstlerin Linda Steiner und das Redaktionsteam von Dolomitenstadt mehr als hundert Studierende mit Osttiroler Wurzeln nach ihren Zukunftsplänen und -träumen. Wir nannten die Interviewserie „Heimweh“. Jahre später laden wir die Gesprächspartner:innen von damals in der zweiten Staffel Heimweh 2.0 erneut zum Interview. Was hat sich seither getan in dieser besonders spannenden Phase des Lebens?

Elena Einhauer hat Marketing & Kommunikation studiert und lebt in Innsbruck. Als freie Journalistin berichtet sie für dolomitenstadt.at über aktuelle Events und stellt spannende Persönlichkeiten vor, mit einem Blick für das Besondere, den auch ihre Fotoreportagen widerspiegeln.

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