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Ein Dorf, 813 Einwohner und 28 Taxilenker:innen

Die Gemeinde St. Jakob im Defereggental ist weit verzweigt. Ein Ruftaxi erweitert seit 2017 das Mobilitätsangebot.

Es ist Montagmittag, 18. März. Vereinzelte Regentropfen klopfen auf mein Autodach. Im Radio höre ich meinen Kollegen Martin Senfter die Zuhörer seines Podcasts „Dolo Music“ fragen, von wo aus sie die erste Folge anhören. Meine Antwort lautet „St. Jakob in Defereggen“, während ich rechts abbiege und die letzten steilen Meter und Kurven zu meinem Ziel hinauf fahre. Das 813-Einwohner Dorf (Stand 1. Jänner 2023) zeigt sich nicht gerade von seiner schönsten Seite. Dichte Wolken lassen nur erahnen, wie malerisch die Aussicht auf die noch immer schneebedeckten Berge ringsum ist. 

Die Gemeinde auf 1.390 Metern lebt hauptsächlich vom Tourismus. Alle Fotos: Alexandra Hassler

Wo andere Urlaub machen – die Gemeinde auf 1.390 Metern lebt hauptsächlich vom Tourismus – wohnt Josef Grimm, der sich Zeit seines Lebens in Vereinen und der Freiwilligenarbeit tatkräftig engagiert. „Ich bin heute immer noch sehr aktiv und viel beschäftigt … vielleicht zu viel beschäftigt“, erklärt der gelernte Kfz-Mechaniker bei einer Tasse Kaffee. Lachend ergänzt Josef: „Aber das gefällt mir!“ 

Neben seiner langjährigen Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr und der Leitung des Seniorenvereines, beteiligt sich Josef am Projekt „e-DefMobil“. Ein- bis zweimal im Monat fährt der Pensionist mit einem Rufauto durch die Gemeinde. Er gehört dem 28-köpfigen Team in St. Jakob an, das ausschließlich ehrenamtlich arbeitet.

Fahrzeiten sind von Montag bis Freitag zwischen 8.00 und 12.00 sowie zwischen 13.00 und 18.00 Uhr. „Wenn ich Dienst habe, gehe ich in der Früh hinunter zur Gemeinde und hol’ alle notwendigen Sachen ab, sprich Autoschlüssel, Handy und Geldtasche. Um 18.00 Uhr stell‘ ich das Auto wieder in der Garage ab und stecke es zum Aufladen an.“

Heute sitzt aber nicht Josef hinterm Lenkrad sondern sein Kollege Robert Kröll. „Das ist meine fünfte Fahrt heute“, betont der Fahrer, als Josef und ich in den Citroen e-Berlingo einsteigen. Robert erzählt weiter: „Im Durchschnitt komme ich auf zehn bis zwölf Fahrten pro Tag.“ „Und die Fahrten sind so vielseitig“, führt Josef weiter aus. Die Bewohner rufen an, um zum Doktor, zum Einkaufen oder zur Bank gefahren zu werden. Auch Kinder werden hin und wieder nach der Schule abgeholt und zur Musikschule oder zum Sport gebracht. Dafür liegen zwei Kindersitze im Kofferraum.

Was das die Fahrgäste kostet? Nur 1,50 Euro in eine Richtung. Wie oft das System in Anspruch genommen wird? 1.800 Personen wurden im Jahr 2023 befördert. „Wir erzielen im Jahr 2024 wahrscheinlich die Zahl von 2.000 beförderten Personen“, ist sich Josef sicher. St. Jakob ist weit verzweigt. Das Nahverkehrsangebot kommt gerade deshalb so gut an, weil es die Mobilitätslücke zwischen Haustür und Bus-Haltestelle füllt.  

Robert bringt uns ins Zentrum. Wir fahren an der Bank, an Hotels und Restaurants und am Supermarkt vorbei. Vor dem Gemeindeamt biegen wir rechts ab, hinunter in einen Hinterhof. Josef steigt aus und sperrt mit einem überdimensionalen Schlüssel ein Holztor auf: Die Garage des Elektroautos. Vollständig geladen reicht der Akku für 200 bis 250 Kilometer. Während Josef beweist, wie einfach die Ladestation zu betätigen ist, klingelt das Handy im Auto. „Ich bin in zehn Minuten bei dir“, versichert Robert seinem nächsten Fahrgast.

Im Mai 2017 wurde der Grundsatzbeschluss gefasst, das Mikroverkehrsangebot in St. Jakob zu starten. Anschließend fand im Gemeindesaal eine Informationsveranstaltung für die Bürgerinnen und Bürger statt. Kein halbes Jahr danach rollte das e-DefMobil los. Allein in Osttirol wird das Konzept in fünf weiteren Gemeinden und Tälern angeboten und so eine umfassende Mobilität im ländlichen Raum gesichert. 

Für Josef Grimm, der vor seiner Pensionierung 31 Jahre lang als Buslenker arbeitete, war es von Anfang an selbstverständlich, Teil des Projekts zu sein. „Ich bin einfach ein Gesellschaftsmensch, ich mag die Leute und kann ihnen damit eine Freude bereiten. Deshalb mach‘ ich die Arbeit extrem gerne.“ 

Über die Jahre hinweg festigte und entwickelte sich das System weiter. „Um kundenorientiert zu arbeiten, braucht es Erfahrung“, betont der engagierte Rentner. Mittlerweile finden gemeindeübergreifende Fahrten von Hopfgarten über St. Veit bis St. Jakob statt. „Die Nachfrage wurde daher auch größer, da beispielsweise der einzige Frisör im Defereggental in Hopfgarten ist.“ 

„Um kundenorientiert zu arbeiten, braucht es Erfahrung.“

Josef Grimm

Weiters wurde im letzten Jahr ein neues Auto mittels der Initiative „Defereggental mobil“ angeschafft. Nach fünf Jahren gaben die Gemeinden im Defereggental die drei Renault Zoe von der Regionalenergie Osttirol zurück und kauften Citroen e-Berlingo. „Die sind super angenehm zum Fahren“, versichert Robert, der am liebsten den Montags-Dienst übernimmt. Das Raumangebot im Citroen spricht auch für sich. Jetzt können Familien mit Kinderwägen oder Personen mit Rollstuhl und Gehhilfe abgeholt werden. Außerdem fällt das Einsteigen durch die Höhe der Sitze leichter. 

Wir halten beim Spar-Markt an. Ein Herr, der zuvor bei Robert angerufen hatte, hat seinen Einkaufskorb zum Abholen dort gelassen. In einem Café wartet er auf das Ruftaxi. Josef holt die Besorgungen und verstaut sie auf der Rückbank.

Es sind diese Kleinigkeiten, die den Freizeit-Job besonders machen: „Die Rückmeldungen sind so positiv und dankbar, sodass es immer wieder schöne Erlebnisse gibt.“ Egal ob die Gespräche mit einer 91-jährigen Kundin die am Weg zum Arzt aus ihrem Leben in früherer Zeit erzählt oder Eltern die sich bedanken, dass Josef die Kinder heil nach Hause bringt - diese Momente geben ein Gefühl von Stolz.

In den Erzählungen von Josef und Robert spüre ich den gemeinschaftlichen Zusammenhalt in St. Jakob, zu dem vor allem die Pensionisten beitragen. Bis auf wenige Berufstätige sind der Großteil der 28 ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrer im Ruhestand. Josef liegt es am Herzen sich bei allen Freiwilligen, die ihren Teil zur Mobilität beitragen, zu bedanken und „um dieses Projekt auch weiterhin zu garantieren, sind neue freiwillige Fahrer:innen immer erwünscht.“

„Ich könnte stundenlang erzählen“, sagt Josef Grimm. Und ich? Ich könnte noch stundenlang den Geschichten des Großvaters über sein Engagement in der Gemeinde und seinen Erlebnissen als „e-DefMobil“-Fahrer lauschen. Aber Robert muss weiter: „Am Nachmittag ist für gewöhnlich mehr Betrieb.“ Außerdem wartet der Einkaufskorb auf der Rückbank noch auf seinen Besitzer.  

Alexandra Hassler stammt aus Irschen, hat an der HAK Lienz maturiert und absolviert eine Ausbildung zur Online-Journalistin in der Redaktion von dolomitenstadt.at.

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2 Postings

OG
vor einem Monat

Hallo Frau Hassler Alexandra dieses Ruftaxi gibts nicht nur in St.Jakob , sonder auch im ganzen Defereggetal . Allen Freiwilligen Fahrern ein großes Lob und großen Dank für ihre Zeit.

 
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Damaha
vor einem Monat

Super Sache! Wir wären ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer so verloren. Danke jedem einzelnen - Respekt!

 
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