Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, was gewesen wäre, wenn ein prägendes Ereignis, ein Einschnitt im eigenen Leben, ein Verlust oder eine Begegnung niemals stattgefunden hätte? Wenn man auf eine Herausforderung anders reagiert oder eine Chance besser erkannt hätte? Die Geschichte des eigenen Lebens lässt sich nicht umschreiben, was passiert ist, ist unumkehrbar.
Umso spannender ist das Experiment, das die aus Lienz stammende Theater- und Filmregisseurin Cornelia Rainer mit prominenten Künstler:innen und 21 Schüler:innen am BG/BRG Lienz durchführt. An den drei Schultagen und vier freien Tagen dieser Woche schreiben die Jugendlichen die Geschichte eines Lebens um und wandeln dabei ein Schicksal ins Positive. Sie fühlen sich in die Protagonisten aus Ödon von Horváths Klassiker „Glaube, Liebe, Hoffnung“ (uraufgeführt 1936) ein, im Speziellen in die Persönlichkeit und das Leben von Elisabeth, der tragischen Heldin dieses Stücks.
Elisabeth ist eine junge Frau, die hoffnungsfroh um ihr Glück und ihre Existenz kämpft, jedoch immer wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt wird und irgendwann ohne Arbeit, ohne Geld und ohne einen Menschen an ihrer Seite aufgibt, nur mehr den Suizid als Ausweg sieht und von ihrem Glauben, ihrer Liebe und ihrer Hoffnung verlassen, auch stirbt. Eine ihrer markanten Aussagen ist: "Das seh ich schon ein, dass es ungerecht zugehen muss, weil halt die Menschen keine Menschen sind - aber es könnt doch auch ein bisschen weniger ungerecht zugehen.“
Diese Möglichkeit nehmen nun Cornelia Rainer, ihr Team und die Schüler:innen des BG/BRG Lienz wahr, um das Ende des tragischen Stückes neu zu interpretieren. Dabei geht es, wie so oft im Leben, um Macht und Machtverhältnisse, die es zu durchschauen gilt. Wer übt wo und wie Macht auf andere aus, wer ist dieser Macht ausgeliefert und – die zentrale Frage – wie kann man Ohnmacht überwinden, kompetentes Handeln stärken, das Ruder des eigenen Lebens in die Hand nehmen und im Idealfall alles zum Besseren wenden?
Spannend wie der Workshop selbst, ist die Präsentation des Ergebnisses. Eine hochkarätige Profitruppe, in der neben Rainer auch der Schauspieler Matthias Mamedof, die französische Schauspielerin Hiba El Aflahi und die aus Lienz stammende Dokumanterfilmerin Judith Benedikt zu finden sind, mischt sich unter die Jugendlichen. Die Dramaturgie und die schauspielerische Umsetzung werden gemeinsam erarbeitet und als Filmdoku aufbereitet.
Von 2. bis zum 6. Juli wird in St. Daniel im Gailtal das vom Land Kärnten geförderte „Kulturfestival Südalpenraum“ über die Bühne gehen. Dort wird „Glaube, Liebe, Hoffnung“ von Profischauspieler:innen aufgeführt, fragmentarisch erweitert um Filmsequenzen aus den Workshops am Lienzer Gymnasium und an einer Kärntner Schule. Das Festival, das sich „Bühne der Macht“ nennt, legt aber auch den thematischen Grundstein für drei philosophische Foren zu den Themen, "Die Macht des Glaubens", "Die Macht der Liebe" und "Die Macht der Hoffnung“.
Cornelia Rainer meint dazu: „Durch das Zusammenspiel der drei Säulen – Künstlerische Produktion, Workshops und Philosophische Praxis – schaffen wir mehr als nur ein Theaterfestival. Diese drei Säulen sind für uns Quellen der Begeisterung, die gegenseitige Impulse, Inspiration und Reflexion bieten. Sie schaffen Denkräume und Handlungsräume für zutiefst menschliche Themen wie Lebensfreude, Angst, Schuld, Ohnmacht, Trauer, Scham sowie Fragen zu Leben und Tod.“
Hier noch einige Bilder vom Workshop im Lienzer Gymnasium, fotografiert von Cornelia Rainer.












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