Am 16. Oktober 1978 um 18.18 Uhr schlich ein ungläubiges Raunen durch die dicht gedrängte Menschenansammlung am Petersplatz. „Eminentissimum ac reverendissimum Dominum Carolum“, hatte Pericle Felici den frisch gewählten Papst angekündigt, den „Kardinal der Heiligen Römischen Kirche Uoitiua.“ Der Kardinalprotodiakon hatte den Namen korrekt ausgesprochen, den der heilige tirolische Volksmund später zu „Pfarrer Wojtyla“ eindeutschen sollte. „Ein Afrikaner!“, mutmaßten nicht wenige, und ich bin mir sicher, dass sie ihrer Sprachlosigkeit durch das N-Wort Ausdruck verliehen.
„Lo hanno chiamato di un paese lontano“, wandte sich, um das Geheimnis zu lüften, nun der Papst selbst an die Menge. Aus einem weit fernen Land hätten sie ihn gerufen. In Lampedusa weiß heute jedes Kind, dass Polen von Italien wesentlich weiter entfernt ist als Afrika. 1978 aber war Afrika einem Mitteleuropäer, der keine koloniale Vergangenheit vorweisen konnte, wegen seiner vielen weißen Flecken als der Schwarze Kontinent wohl vertraut. Polen brachte man bestenfalls mit der Schwarzen Madonna von Tschenstochau in Verbindung.
In den weniger als fünfzig Jahren, die seit der Wahl Johannes Paul II. vergangen sind, hat sich so ziemlich alles geändert. Spätestens beim letzten Konklave 2013 hatte bei den Buchmachern der aus Ghana stammende Kurienkardinal Peter Turkson die Nase vorn. „Fratelli e sorelle, buonasera“, begrüßte Papst Franziskus in seiner ersten Ansprache sein Publikum. „Wie ihr wisst, ist es die Aufgabe des Konklaves, Rom einen Bischof zu schenken. Es scheint, als hätten sich meine Kardinalsbrüder bis ans Ende der Welt aufgemacht, um einen herzubekommen.“ Das Entfernungskriterium hatte sich klar gegen die im selben Jahr gegründete Black Lives Matter Bewegung behauptet.
Der Papst dazwischen war kein Schwarzarbeiter aus Polen, sondern ein „einfacher, demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn.“ Und Marktl am Inn liegt möglicherweise am Arsch, doch bestimmt nicht am Ende der Welt. Aber, Hand aufs Herz: Gibt es irgendwo auf der Welt etwas, das weiter von Rom entfernt ist als die katholische Kirche in Deutschland? Böse Zungen behaupten, das sei vor Benedikt XVI. noch ganz anders gewesen, aber wenn wir das bevorstehende Konklave extrapolieren, dann kommt der nächste Papst ohnehin nicht von dieser Welt. Wenn es nach dem einflussreichsten Oligarchen von dieser Welt ginge, dann käme er nämlich vom Mars!
Offenbar war die Welt bis dato nicht reif für einen Schwarzen in der Tunica Alba, dem klerikalen Festtagsgewand. In Tirol sieht man das eher pragmatisch: Alba heißt weiß, Alaba schwarz. So wollte es der damalige Landeshauptmann. Und in Lienz? Der damalige Stadtpfarrer, der viel mit dem Rad unterwegs war, bevorzugte auffallend bunte Gewänder. Bei Nacht hätte man ihn sonst leicht übersehen. So sehr hatte man sich an ihn schon gewöhnt.
Afrikanische Kardinäle sind heute die Aushängeschilder des erzkonservativen Flügels der katholischen Kirche. Robert Sarah aus Guinea gilt als Verfechter des Tridentinischen Ritus und als strikter Gegner der von Franziskus genehmigten Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Das ist angesichts der empfindlichen Strafen, bis hin zum Tod, mit denen Homosexuelle in den meisten afrikanischen Ländern bedroht sind, plausibel, sollte aber in Zeiten, zu denen ein Papst – wenigstens in dem im Vorjahr veröffentlichten Film „Konklave“ des österreichischen Regisseurs Edward Berger – über Gebärmutter und Eierstöcke verfügen darf, kein katholischer Aufreger mehr sein.
Überhaupt sollte man den neuen Pontifex nicht nur auf seine Rechtgläubigkeit, sondern, im Hinblick auf künftige Biopics, auch auf seine schauspielerischen Qualitäten examinieren. Wie erinnerlich war Anthony Hopkins als Joseph Ratzinger in der Netflix-Produktion „Die zwei Päpste“ keine glückliche Wahl: Sie wollen als praktizierender Christ doch nicht Hannibal Lecter in Ihrem Hirn haben! Und warum nicht Halle Berry oder Viola Davies? Die wären eine echte Alternative zu den alten weißen Männern aus der Vergangenheit!
Und warum nicht gar ich? Schließlich kann jeder männliche Katholik zum Papst gewählt werden. „And the Oscar goes to…“ In wenigen Tagen werden wir es dann wissen.
3 Postings
Warum nicht Donald Trump, der sich offenbar als den eigentlich Würdigen auf dem Throne Petris sieht und der jetzt auch die katholische Ikonographie mit einem Bild von sich im päpstlichen Ornat bereichert hat. Eine Ikone, von der noch viel Wundertätiges zu erwarten ist.
So bald? Vor zwei Wochen sind sie noch gegen Thron und Altar eingetreten, und jetzt möchten sie beide in einer Hand?
Wo auch immer er herkommen mag, es ist zu hoffen, dass der nächste Papst die Werte des Propheten lebt und nicht jene der Institution(en). Das scheint bei den Kandidaten aus Afrika nicht der Fall zu sein...Das sage ich als agnostischer Mensch, denn logisch betrachtet ist es anzunehmen, dass die Wahl sehr wohl leider Einfluss auf den weiteren Verlauf von Frauenrechten, Kindergesundheit und der Behandlung sexueller Minderheiten haben wird.
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