Am 14. November 1940 flog die deutsche Luftwaffe auf die mittelenglische Stadt Coventry einen schweren Bombenangriff. 568 Menschen kamen ums Leben, so viele wie bei keinem anderen deutschen Luftangriff in England. Neben 4330 Häusern wurde auch die gotische St Michael’s Cathedral zerstört. Das aus Zimmermannsnägeln des Dachstuhls zusammengesetzte „Coventry Cross of Nails“ gilt bis heute als Symbol der Versöhnung. Sich versöhnen heißt auf lateinisch „(re)conciliare“ und hat damit dieselben sprachlichen Wurzeln wie das Konzil.
Neben der Ruine wurde um 1960 ein Neubau errichtet, für den Graham Sutherland ein riesiges Altarbild entwarf. Die 15 Meter hohe Tapisserie wurde aus Fäden in über hundert Farbtönen in Frankreich gewebt. Eine Paraphrase auf dieses Bild ziert das Plakat zur heurigen Jahresausstellung „BLICKE NACH INNEN Nicäa“ im Museum Schloss Bruck. Sie schrumpft das Spektrum auf zwei Farben zusammen: Cyan und Magenta, das Markenzeichen von SUSI POP, einem Künstlerkollektiv, dessen Spezialität die Aneignung und Kontextualisierung berühmter Kunstwerke ist. Ausstellungskurator Hubert Salden hat das Label schon öfter bemüht.
Es ist auch nicht die erste Zusammenarbeit des gelernten Juristen und Kunstwissenschaftlers mit dem Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler, der das Unternehmen aus seinem Mensalgut mitfinanziert, vor allem aber durch sein Netzwerk und sein organisatorisches Knowhow unterstützt hat.
Die effiziente, kostensparende Logistik sorgte trotzdem für Nervenkitzel. Bis zum buchstäblich letzten Moment. Die fünf Lettern, mit denen der Lienzer Künstler Günther Steiner den Eingang zur Schau überschrieb, waren erst zwei Tage zuvor gedruckt, gerahmt und gehängt. Einen halben Tag vor der Eröffnung traf der deutsche Konzept- und Computerkünstler Manfred Stumpf mit einem Esel aus Frankfurt ein. Im weniger buchstäblichen Sinn.


















Hubert Salden hat mit Bischof Glettler zum 80. Todestag der in Auschwitz ermordeten jüdischen Philosophin und katholischen Ordensschwester Edith Stein im Stift Stams und anlässlich des 500. Geburtstages des Diözesanpatrons Petrus Canisius Ausstellungen konzipiert. Sein Zugang zu spiritueller Erfahrung, ob männlich, weiblich oder gemeinschaftlich, verhindert, „dass das eigentliche Religiöse in pastoralen Phrasen steckenbleibt“.
So lautete nämlich die Kritik an William Wylers Monumentalschinken Ben Hur, dessen Filmposter die Zeitleiste der christlichen Bildproduktion, die allerdings erst mit dem Konzil von Nicäa so richtig Fahrt aufnimmt, akzentuieren. Bescheidener in der Optik, aber klar in der Botschaft ist Pasolinis „Evangelium nach Matthäus“, das 1964 beim 2. Vatikanischen Konzil frenetischen Beifall kassierte.
Das Ausstellungskonzept neigt nicht gerade dazu, die Autorschaft und geografische Herkunft der Exponate zu feiern. Bilder kommen von Bildern, und diese wiederum von Bildern. Kaum eines der rund 90 Ausstellungsstücke trägt seinen Stammbaum nicht stolz vor sich her: Andy Warhols Pinselzeichnung von einem Ausschnitt aus Leonardo da Vincis Abendmahl, oder die Serigrafie einer Traumlandschaft, die der Renaissancemaler in seiner frühen Verkündigung in den Uffizien entfaltet hat. Thomas Locher dekonstruiert Giottos „Fußwaschung“ und „Judaskuss“, und auch Manfred Stumpfs „Einzug in Jerusalem“, ist von einem Fresko in der Capella Scrovegni in Padua inspiriert. Eine ganze Karawane aus mosaizierten Eseln schmückt übrigens Stumpfs Frankfurter U-Bahnstation „Habsburgerallee“.
Es gibt aber auch Korrespondenzen mit dem Ausstellungsort. Glenn Brown, im Jahr 2000 für den von der Londoner Tate Gallery ausgeschriebenen Turner Preis vorgeschlagener „Aneignungskünstler“, zeigt ein virtuos kalligraphiertes Paar Füße, das an ein gespiegeltes Detail aus Andrea Mantegnas Toten Christus erinnert. Auch Albin Egger-Lienz hat dieses Motiv variiert. Der Vergleich ist ein paar Räume weiter, in der Dauerausstellung zu ziehen.
Und dann wäre noch Hermann Nitsch, dessen Werk schon vor zwei Jahren die Stirnwand des Rittersaals zierte. Neben den großflächig-dichten, doch völlig unblutigen Zeichnungen geht ein Kleinod im schweren Goldrahmen beinahe unter: eine Federzeichnung des Sechzehnjährigen, gekonnt und im Vergleich mit seinem berühmten Vorbild doch noch berührend naiv. Vor Rembrandts „La petite tombe“, einer Radierung mit einer fiktiven Predigt Jesu, hat Nitsch sein erzählerisches Gespür unter Beweis und auf die Probe zu stellen versucht.
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