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„Trotz der Umstände darf man nicht verzweifeln“

Die 19-jährige Sofiia erzählt von ihrem Alltag in der Ukraine, ihren Zukunftsplänen und ihrer Zuversicht.

Im März 2022 floh Sofiia mit ihrer Mutter Oksana, ihrer Großtante Ludmilla und ihrer Großcousine Marta aus der Ukraine. Ihre Heimatstadt Schytomyr wurde damals zum ersten Mal von der russischen Armee bombardiert. Das eigene Zuhause war für sie nicht mehr sicher, daher traten sie die lange Reise nach Lienz an.

Als Sofiia nach Österreich kam, war sie 15 Jahre alt und hatte noch zwei Schuljahre zu absolvieren. In Lienz nahm die Ukrainerin dann an einigen Unterrichtsstunden im Gymnasium teil und arbeitete im CineX. „Es war so angenehm, dieses Lächeln der Menschen zu sehen, als ich in Lienz war. Und es war einfach sehr schön, dass die Menschen mich und meine Familie akzeptierten“, zeigt sich Sofiia dankbar.

„Ich werde dieses Jahr, also 2022, nie vergessen. Nicht nur wegen dem Krieg, sondern auch wegen der Großzügigkeit und Liebe, die meiner Familie entgegengebracht wurde.“

Sofiia

Nun sind mehr als drei Jahre vergangen: Die Ukraine wird noch immer angegriffen, Sofiia hat ihren Schulabschluss gemeistert und studiert mittlerweile in Litauen. An einer internationalen Universität in Klaipéda macht sie ihren Bachelor in „International Relations and Development“. In ihrem Studium geht es viel um Diplomatie und Konfliktlösung. Eine Lösung für ihr eigenes Land wünscht sich Sofiia ebenso, aber nur mit der Aussicht auf eine souveräne und unabhängige Ukraine.

Sofiia ist wieder zu Hause in der Ukraine, sicher fühlt sie sich dort aber nicht. Foto: Privat

Aktuell hat Sofiia Sommerferien und ist in Schytomyr bei ihrer Familie. „Es ist ein zweiseitiges Gefühl, einerseits sind wir glücklich, einander zu treffen und zusammen Zeit zu verbringen. Aber andererseits glaube ich, dass meine Eltern darauf warten, dass ich weggehe, um mich zu schützen“, erklärt Sofiia. Untertags trifft sie sich mit Freund:innen und verbringt Zeit mit der Familie: „Ich gehe aus, ich treffe neue Leute und alles klingt gut, aber wenn die Nacht kommt, kann es sehr gefährlich sein.“

Die Heimat der 19-Jährigen liegt 140 Kilometer westlich von Kiew und 150 Kilometer südlich der Grenze zu Belarus. Von Russland wird die Stadt gerade so intensiv angegriffen wie noch nie. Sofiia und ihre Familie leben im sechsten Stock eines Wohnblocks. In der Nacht werden sie vom Bombenalarm aus dem Schlaf gerissen: „Wir sind daran gewöhnt, aber es ist schrecklich zu sagen, dass sich jemand daran gewöhnen kann.“

Um sich zu schützen, muss die Familie nach draußen laufen, zu einem Bunker in der Nähe des Hauses. Doch Sofiia kann nicht mitlaufen, denn sie hat sich das Bein gebrochen. Mit ihrem Gips kann sie die Stiegen nicht bewältigen und den Lift zu benutzen, wäre viel zu gefährlich, „deshalb setzen wir uns ins Badezimmer und hoffen einfach, dass alles besser wird.“

„Man kann nie wissen, wohin diese Raketen fallen. Du liegst im Bett und du denkst dir, Gott, bitte mach etwas mit meinem Bruder, der in Kiew lebt, damit er sicher ist.“

Sofiia

„In solchen Momenten erinnere ich mich an die Familien Rossbacher und Istenich, die meiner Familie so viel gegeben haben in Lienz“, betont Sofiia. „Es ist eine große Kraftquelle für mich und für meine Familie, uns an solche Leute und an solche Herzen zu erinnern.“

Sofiia denkt viel an ihre Zukunft, sie ist sehr fleißig, um sich später ein gutes Leben zu ermöglichen. Im Herbst beginnt ihr drittes Jahr an der Universität. Zusätzlich nimmt sie zweimal die Woche Deutschunterricht: „Ich lerne Deutsch, weil ich verstehe, wie wichtig es ist, mehr als eine Sprache zu können. Trotzdem ist Deutsch für mich sehr schwierig. Aber ich versuche einfach besser zu werden und alles zu machen, was ich kann.“ In der Zukunft würde die 19-Jährige gerne ein Praktikum in einem deutschsprachigen Land machen: „Ich möchte die deutsche Sprache anwenden und Erfahrungen sammeln.“

Die junge Ukrainerin betont, wie wichtig es ist, auch in so schwierigen Situationen positiv zu bleiben und Hoffnung zu haben. Außerdem möchte sie vermitteln, dass man alltägliche Dinge schätzen sollte. Hier ein kurzer Video-Clip mit ihrer wichtigsten Botschaft an uns alle, die wir in sicheren Ländern leben. Unten der gesamte Podcast.



Der Dolomitenstadt Podcast ist ein akustisches Magazin, das die Redaktion von dolomitenstadt.at in Lienz zusammenstellt. Das Themenspektrum ist breit und beschränkt sich nicht nur auf die Region. Wir stellen spannende Projekte vor, widmen uns den Künsten und der Kunst des Lebens, schauen in Kochtöpfe und über den Tellerrand, greifen heiße Eisen an und diskutieren die Themen unserer Zeit mit Menschen, die etwas zu sagen haben. Zu finden auch auf Spotify und bei Apple Podcasts.

Lea Seifter hat am BG/BRG Lienz maturiert, studiert Kommunikation in Wien und arbeitet als Jungreporterin für dolomitenstadt.at.

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