An der Fassade und im Kreuzgang des Tiroler Volkskunstmuseums wird vom 3. Oktober bis 16. November 2025 die Intervention „Kaddisch“ der Künstler Oskar Stocker und Luis Rivera gezeigt. Achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzen sie damit ein sichtbares Zeichen für Erinnerungskultur und Frieden.
Das „Kaddisch“ ist eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Zwar erwähnt es den Tod nicht, doch wird es traditionell für Verstorbene gesprochen. Die aramäischen und hebräischen Texte sind Jahrtausende alt, ihre Rezitation hält bis heute das Gedenken wach. Stocker und Rivera greifen dieses Ritual auf und übertragen es in den öffentlichen Raum.
Die Intervention umfasst eine großformatig bemalte Leinwand an der Museumsfassade sowie ein hinterleuchtetes Fragment im Kreuzgang. Hebräische Schriftzüge, inszeniert mit Spuren von Beschmutzung und Übertretung, verweisen auf die spirituelle Dimension des Kaddisch, zugleich aber auch auf die Verletzbarkeit demokratischer und kultureller Werte.

„Kaddisch ist ein Trauergebet, zugleich preist es das Leben, die Hoffnung und den Frieden. Diese Spannung wollten wir sichtbar machen“, sagt Kuratorin Rosanna Dematté. Die Künstler selbst betonen: „Wir wollen Gelegenheit bieten, gemeinsam zu gedenken. An die Opfer des Nationalsozialismus, aber auch an alle Menschen, die aufgrund ihrer Religion oder Herkunft Gewalt erlitten haben.“
Das Tiroler Volkskunstmuseum knüpft mit „Kaddisch“ an vergangene Projekte zur Erinnerungskultur an. Kurator Roland Sila verweist auf die Notwendigkeit, Erinnerung im öffentlichen Raum zu verankern: „Genau dort kann sie in unsere Gegenwart eintreten.“ Museumsleiter Karl C. Berger spricht von einem „sichtbaren Zeichen für die gesellschaftliche Verantwortung, würdevoll zu erinnern und für Frieden einzutreten“.
Stocker, geboren 1956 in Lienz, ist besonders für seine Porträts bekannt. Rivera, geboren 1960 in Graz, arbeitet ebenso wie Stocker an der Schnittstelle von Malerei und Installation. Beide Künstler beschäftigen sich seit Jahren mit Erinnerungskultur. Ihre Arbeit „Kaddisch“ entstand 2018 in der Kollegienkirche Salzburg und war 2024 auch im österreichischen Parlament zu sehen.
Begleitet wird die Ausstellung von einem Rahmenprogramm aus Podiumsgesprächen, Führungen und interreligiösen Begegnungen. Damit wird die Intervention nicht nur zum künstlerischen, sondern auch zu einem gesellschaftlichen Ereignis: ein öffentliches Angebot, Erinnerung aktiv zu leben und Hoffnung auf Frieden zu formulieren.
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