Demokratie lebt von Vertrauen. Wenn die Bevölkerung nicht mehr glaubt, dass die staatlichen Organe und Politiker:innen fähig sind, die Demokratie sinnvoll und für die Bevölkerung nützlich umzusetzen, dann sinkt das Engagement für die Demokratie.
Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage offenbart, dass die Menschen in den EU-Staaten genau solch ein Misstrauen wahrnehmen und das aktuell für die größte demokratiepolitische Bedrohung halten. Die Hälfte der EU-Bürger:innen sieht das so. An zweiter Stelle folgt mit 42 Prozent die Sorge vor dem Einfluss von Manipulation und Desinformation. An dritter Stelle (32 Prozent) schließlich steht die fehlende Transparenz, wie bestimmte politische Inhalte durch die Künstliche Intelligenz gefördert werden.
In Österreich sind die Prozentsätze identisch, nur vor Desinformation fürchtet man sich hier weniger. So glauben nur 36 Prozent der österreichischen Bevölkerung, dass Manipulation die Wahlen beeinflussen könnte. Dafür sind hierzulande mehr Menschen als im EU-Durchschnitt (35 gegenüber 27 Prozent) der Ansicht, dass man immer schwerer an unabhängige und vertrauenswürdige Nachrichten gelangt.
Auf die Frage, was die wichtigsten Voraussetzungen für freie und faire Wahlen seien, geben in Österreich 56 Prozent der Befragten (EU-weit sind es 53 Prozent) dementsprechend den leichten Zugang zu korrekten Informationen an, um dann fundierte Entscheidungen treffen zu können. Somit stellt sich die Frage, wie das Nachrichtenkonsumverhalten aussieht.
Gewohnheit überwiegt auch bei den Nachrichten
Die Rolle der Sozialen Medien als Raum für Beeinflussung ist hinreichend bekannt. Im Alltag holt man sich Information meist dort, wo man es immer tut. Oft läuft der Fernseher nebenbei, das Smartphone wird alle paar Minuten in die Hand genommen und TikTok, X oder andere Kanäle formen die Nachrichtenblase für ihre Kund:innen. Influencer leben von dieser Macht der Gewohnheit. Relativ neu hingegen ist es, sich die Nachrichten von künstlicher Intelligenz zusammenstellen zu lassen.
Auch hier gilt, je öfter man dieselbe KI befragt, desto mehr entsteht ein Vertrauensverhältnis. So (ver)formt immer häufiger die Unterhaltung mit ChatGPt oder ähnlichen Sprachmodellen die politischen Meinungen.
Dabei wird ausgeblendet, dass jede Antwort der vermeintlichen Künstlichen Intelligenz lediglich eine Wahrscheinlichkeitsrechnung darstellt und jede Frage die KI füttert. Wenn Zweifel und Kritik an der Demokratie gehäuft nachgefragt werden, hat das Auswirkungen auf die Antworten, die dann eben auch in diese Richtung neigen.
So wird die KI zum vertrauten „Gesprächspartner“ mit ähnlichem Weltbild. Hier kommt ein bekanntes Muster zum Tragen: das eigene Wertesystem. Man entscheidet sich unbewusst lieber, jenen zu vertrauen, die ähnliche Werte vertreten. Der Einfluss einer Person oder Nachrichtenquelle, der man vertraut, wird mit der Zeit nicht mehr mitgedacht. Man wird unkritischer gegenüber den vermittelten Inhalten. Die Wiederholung der immer wieder selben Tonalität hat Folgen.
All das ist leidlich bekannt. Zuwenig bedacht wird zuweilen, wer dies zu nutzen weiß. Das Ergebnis sieht man in den Umfragen zur Demokratiezufriedenheit, denn die Bevölkerung zeigt sich unglücklich mit der Umsetzung der Demokratie, ob in Österreich, Deutschland oder auf EU-Ebene.

Nur zehn Prozent sind der Ansicht, dass die Demokratie in Österreich sehr gut funktioniert, 51 Prozent meinen, eher gut, und 37 Prozent bewerten sie als eher oder sehr schlecht. Das ergibt der Demokratieradar des Instituts für Strategieanalysen, für den im Herbst dieses Jahres 2.080 Personen befragt worden sind.
Jüngere Menschen sind insgesamt weniger zufrieden mit der Umsetzung der Demokratie in Österreich. Personen, die besser verdienen und jene, die eine höhere Ausbildung haben, zeigen sich zufriedener. Die Jüngeren (bis 29 Jahre) sagen auch am seltensten, dass die Demokratie das beste Regierungssystem sei. Früher war dies umgekehrt. Gerade junge Menschen hatten Vertrauen in die Demokratie, in ihre Zukunft und die Hoffnung, dass sie selbst etwas beitragen können.
Der Kern des Problems
Hört man sich in Lokalen, Geschäften oder auf der Straße um, wird weniger über das Nicht-Funktionieren der Demokratie gesprochen als über die Krise der Wirtschaft, die Krise der großen wie kleinen Unternehmen, der leeren Geldbeutel der Bevölkerung, die sich im finanziellen Trübsal der Gemeinden sowie des Staates spiegeln.
Die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger haben nun politische Auswirkungen. Die aktuelle Regierung hätte bei Wahlen keine Mehrheit. Da derzeit allerdings keine Wahlen anstehen, könnte sie die Chance nützen, längerfristig zu denken und Reformen anzugehen, ohne den Eindruck zu erwecken, vor allem die Ärmeren zu treffen. Und man könnte begleitet von nachvollziehbarer Kommunikation erklären, warum man glaubt, was wann nötig ist und welche (hoffentlich positiven) Auswirkungen die aktuellen Einschränkungen und bitteren Entscheidungen für die Zukunft haben könnten.
Das würde gewiss nicht einfach werden, weil der Bevölkerung Mut und Optimismus abhandengekommen sind. Doch Menschen neigen prinzipiell zur Hoffnung. Diese anzusprechen ist Teil der Aufgabe von Politik.
Dass manche politischen Strömungen um jeden Preis dagegen arbeiten werden, weil sie vom Misstrauen der Bevölkerung profitieren, liegt auf der Hand. Gerade deswegen wäre es so wichtig, gegen die aktuelle depressive Stimmung zu arbeiten, doch nicht mit Desinformation und parteipolitischem Geplänkel, sondern mit offenen Worten. Die fundierten und korrekten Informationen erwartet sich die Bevölkerung nämlich nicht nur von den Medien, sondern auch endlich von den Politiker:innen. Und das gilt für alle Parteien.
4 Postings
Ich sag nur Trump, Putin, Xi Jinping, Orban, Weidel, Kickl und weitere Konsorten in vielen Staaten...
Solche Menschen untergraben weltweit und national den Glauben an Wahrheit und Ehrlichkeit! Gefährlich wirds dann, wenn man diesen Spinnern auch noch folgt und deren Machtgelüste unterstützt!
Wir in Österreich haben (noch) die Chance, fair und zukunftsorientiert zu wählen, in vielen Staaten ist das durch den dortigen Verfassungsumbau fast gar nicht mehr möglich!!!
Und das sollten unsere aktuellen Staatenlenker immer im Hinterkopf behalten, dass man solche Diktatoren nur mehr schwer los werden kann, sollten sie auch bei uns an die Macht kommen und beginnen, die Demokratie abzubauen, wie es z.B. Trump gerade in den USA macht.
Die Macht der „Zweiten Reihe“: Warum es nicht nur am Anführer liegt Du hast vollkommen recht: Es ist gefährlich, sich nur auf den Kopf der Schlange zu konzentrieren. Ein autokratischer oder populistischer Anführer ist ohne seinen Apparat machtlos. Er braucht ein Heer von Funktionären, die seine Befehle nicht nur ausführen, sondern sie oft erst möglich machen. Das Problem liegt oft tief in den Strukturen der Parteien und Behörden:
1. Die willigen Vollstrecker (Die Maschinerie) Diktatoren oder Autokraten können Gesetze nicht alleine ändern. Sie brauchen: Abgeordnete, die im Parlament die Hand heben, auch wenn sie wissen, dass ein Gesetz der Demokratie schadet. Richter und Staatsanwälte, die wegschauen oder politisch motivierte Urteile fällen (wie man es z. B. in Ungarn oder Polen gesehen hat). Polizeichefs und Beamte, die bereit sind, gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen oder Oppositionelle zu schikanieren. Ohne diese tausenden „kleinen Rädchen“, die funktionieren, würde der Motor des Autokratismus sofort stillstehen.
2. Karriere über Gewissen (Opportunismus) Viele dieser Funktionäre sind keine ideologischen Fanatiker. Es sind oft reine Karrieristen. Sie sehen eine Chance, schnell aufzusteigen, wenn sie dem „Chef“ nach dem Mund reden. Sie haben Angst um ihre Posten und Pensionen und entscheiden sich für das Schweigen statt für den Widerstand. Das Gefährliche daran: Diese Menschen normalisieren das Unrecht. Wenn ein angesehener Beamter oder ein lokaler Parteifunktionär plötzlich radikale Thesen vertritt, wirkt das auf die Bevölkerung legitimierend.
3. Der „Marsch durch die Institutionen“ Du hast den „Verfassungsumbau“ angesprochen. Das passiert nicht über Nacht. Es ist eine Taktik, bei der gezielt loyale Gefolgsleute in Schlüsselpositionen gesetzt werden: In die Medienräte (um die Berichterstattung zu steuern). In die Verfassungsgerichte (um Gesetze abzusichern). In die Wahlbehörden (um Wahlergebnisse zu beeinflussen, wie wir es in den USA teils sehen).
Wenn Trump, Orbán oder andere von „Säuberungen“ sprechen, meinen sie genau das: Unabhängige Fachleute durch treue Parteisoldaten zu ersetzen. Was bedeutet das für uns in Österreich? Dein Hinweis auf Österreich ist essenziell. Wir haben (noch) starke Institutionen, aber sie sind nicht unverwundbar. „Wehret den Anfängen“ bedeutet nicht nur, den falschen Kanzler zu verhindern, sondern auch genau hinzusehen, wer in die Ministerien, in den ORF-Stiftungsrat oder in die Justiz entsandt wird. Eine Demokratie stirbt meistens nicht mit einem lauten Knall, sondern leise – durch viele kleine Unterschriften von Funktionären, die ihre Verantwortung vergessen haben. Fazit Du triffst den Nagel auf den Kopf: Die Diktatoren sind das Gesicht der Gefahr, aber die Funktionäre sind das Rückgrat. Solange es in Parteien und Behörden genügend Menschen gibt, die bereit sind, für ein Stückchen Macht ihre moralischen Kompasse wegzuwerfen, bleibt die Demokratie gefährdet. Es liegt also nicht nur an den Wählern, sondern auch an der Zivilcourage derer, die im System arbeiten, „Nein“ zu sagen, wenn rote Linien überschritten werden.
da könnte man auch bei den kommentarfunktionen ansetzen. täuschen z.t. eine scheinmeinungsfreiheit vor. was nicht in die linie passt, muss draußen bleiben, im günstigsten fall.
Da hat die lia wohl leider recht.
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren