Andreas lässt
die Puppen tanzen
Andreas lässt die Puppen tanzen
Andreas Ulbrich lebt in Winklern und bereist als Puppenspieler den deutschsprachigen Raum. Hier spricht er über Berthold Brecht, den Kasperl und die therapeutische Wirkung des Puppentheaters.

DOLOMITENSTADT: Hallo Herr Ulbrich, schön, dass wir uns treffen. Ich bin großer Puppentheater-Fan.

Andreas Ulbrich: Ja, auch hallo. Ich bin auch großer Puppentheater-Fan (lacht). Lienz hat ein richtig gutes Festival.

Ich habe gehört, Sie wohnen in Winklern, wie das? Sie klingen eher nach Berlin als nach Mölltal.

Dabei wohne ich mit meiner Familie schon zehn Jahre in Winklern, wir haben dort einen alten Hof gekauft und hergerichtet. Meine Frau Verena arbeitet als Restauratorin und unsere Söhne gehen in Lienz zur Schule.

Ist Puppenspieler ein Berufswunsch, den man schon als Kind haben muss, um das durchzuziehen?

Nein gar nicht, ich war mal Lehrer an der Oberstufe (Gymnasium). Als Student habe ich erstmals Puppenspieler getroffen und mit knapp dreißig beschlossen, das will ich auch. Ich musste aber erst eine Ausbildung am Theater Berlin machen, damit ich dieses Handwerk anwenden kann. Eine Spätzündung sozusagen.

Also kein Kindertraum?

Nein, ich war Kind in der ehemaligen DDR und da gab es zwar viel Puppentheater russischer Schule, aber den Kasperl gab es zum Beispiel gar nicht.

Wie kann man sich Ihren Beruf – oder Ihr Handwerk – vorstellen?

Erstmal muss man sehr reisefreudig sein, ich spiele im Winter viel mit dem Puppentheater Prenzlkasper im EliasHof am Berliner Prenzlauer Berg. Aber durchschnittlich schaut ein Monat bei mir so aus, dass ich viel unterwegs bin: Berlin – St. Veit an der Glan – Völkermarkt – Lienz – Südtirol – Berlin. Das Puppentheater Prenzlkasper habe ich übrigens selber gegründet.

Andreas Ulbrich im Puppentheater „Prenzlkasper“ am Berliner Prenzlauer Berg. Er hat das Theater selbst gegründet.

Ich kann mir denken, Ihre ganze Familie macht mit, anders geht es doch kaum, oder?

Wahrscheinlich prägt der Beruf des Vaters immer irgendwie das Familienbild. Meine Frau ist Restauratorin, das bringt eine große Kreativität und handwerkliches Verständnis mit sich. Sie kümmert sich um Bühnenbilder, Kostüme, Kulissen und so weiter. Sie ist sehr kunstbegabt. Unser großer Sohn hat am wenigsten Interesse an der Puppenspielerei, aber der Jüngere tritt vielleicht einmal in meine Fußstapfen. Wir werden sehen (lacht). Alleine könnte ich jedenfalls keine so große Vielfalt an Stücken und Techniken anbieten, das könnte ich mir schon finanziell nicht leisten.

Was kostet die Ausstattung für ein Stück?

Meine Frau macht das, Gott sei Dank. Kauft man bei einem professionellen Ausstatter, ist man schnell mit 10.000 Euro dabei. Wie teuer das ist, merkt man manchmal, wenn Puppenspieler ihre eigenen Puppen entwickeln. Schnell werden dann die Puppen entweder sehr abstrakt oder ganz schlicht.

Woher kommen Ihre Figuren denn?

Bisher hat die Köpfe ein befreundeter Künstler aus Berlin gemacht, der leider verstorben ist. Jetzt suche ich händeringend einen neuen Partner für meine Figuren. Es müsste jemand sein, der handwerklich umsetzen kann, was ich mir an Ausdruck und Gestaltung vorstelle – und das zu annehmbaren Preisen.

Das kann doch aber jetzt – gerade in unserer Region – kein großes Problem sein?

Ich bin viel in Südtirol unterwegs, zum Beispiel in Gröden, und nicht einmal dort machen die Bildhauer Puppen. Dabei ist sowas echt anspruchsvoll. Immerhin müssen Kinder und auch Erwachsene manchmal über Jahre von dem Gesicht, dem Ausdruck, fasziniert werden. Vielleicht findet sich ja noch jemand.

Herr Ulbrich, Andreas (wir duzen uns inzwischen), abgesehen vom Puppenspiel für Kinder bietest du auch Workshops an. Erzähl mal.

Ja, ich unterrichte Lehrer, Erzieher aber auch Laien im Puppenspiel. Manchmal auch Teams und Firmengruppen. Man kommt schon nach drei bis vier Nachmittagen ziemlich weit und kann seine Hemmungen, die man anfänglich hat, abbauen.

Puppenspiel als therapeutischer Ansatz?

Ganz ehrlich, ja. Für mich ist die therapeutische Wirkung enorm, es befreit einen und man kann mit dem Theaterspiel alles ausdrücken was man möchte, ohne direkt Bezug zu einem selbst zu schaffen. Ganz nach Berthold Brecht, episches Spiel eben (lacht wieder). Ich bin Erzähler und Schauspieler in einem, und wenn mir was nicht passt, baue ich es in ein Stück ein. In meinen Workshops kann man das lernen.

Du spielst stehend über Kopf, konnte ich da feststellen.

Das stimmt, so habe ich das gelernt und auch nur so gekannt. Erst in Österreich habe ich das erste Mal gesehen, dass Kasperltheater sitzend gespielt wurde. Finde ich sehr merkwürdig, weil man sitzend nicht so gut atmen und dann eben auch nicht so gut sprechen kann. Ganz abgesehen davon, dass die Figuren nicht so lebendig sind, weil der Bewegungsradius des Spielers eingeschränkt ist. Allerdings ist die Perspektive für die Kinder vielleicht schöner, weil sie nicht so weit nach oben schauen müssen.

Vielleicht erzählst du mir am Schluss noch, wie das mit deinem Roman gekommen ist?

Ja, ich habe ein Buch geschrieben, stimmt. Du kennst es ja bereits, weil es in der Lienzer Bücherei präsentiert wurde. „Der Mann mit dem Bärentöter“ ist eine Mischung zwischen Krimi mit Tod und Ermittlungen und Gesellschaftsroman. Ein Verlag hat sich auch schon dafür interessiert und wollte es nächstes Jahr eventuell auflegen. Das dauerte mir aber zu lang und deshalb habe ich es selbst aufgelegt. Ich möchte eine Lesereise machen, die ich mit Puppenspiel kombiniere. Und in Wahrheit schreibe ich schon am zweiten Teil.

Alles sehr spannend, wir könnten ewig plaudern. Vielen Dank jedenfalls, dass du uns einen Einblick gewährt hast in deine Welt! Bis bald!

Credits
  • Interview: Anja Kofler
  • Fotografie: Carsten Jost

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