Wie geht eigentlich Juchizen?
Wie geht eigentlich Juchizen?
Spontane Jamsessions und musikalische Improvisationen erwarten uns beim Besuch eines Jodel-Workshops am Kollreidhof. Was auch sonst?

Die Reaktionen, die ich ernte, als ich erzähle, dass wir am kommenden Wochenende auf einem abgelegenen Hof in Anras an einem Jodelkurs teilnehmen werden, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Ob positiv oder negativ, eines ist ihnen allerdings gemein: Sie alle sind mit einem sehr klischeehaften Bild vom Jodeln verbunden. Viele denken an Bilder von Almen, Kühen, Lederhosen und Dirndln. Anderen fällt der Stereotyp des dauergrinsenden Alpenländers, wie er auch oft im Ausland transportiert wird, ein – die dazugehörigen nervenaufreibenden Klänge inklusive. Und der Rest hat Hubert von Goisern oder Zabine im Kopf – oder besser gesagt im Ohr. Dabei hat das Jodeln noch ganz andere Facetten! Und die wollen wir kennenlernen.

Eine bunte Truppe von naturverbundenen Musikliebhabern versammelt sich am Kollreidhof, um gemeinsam die Kunst des Jodelns zu erlernen.

Wir treffen uns am Kollreidhof in Anras. Auf dem Weg dorthin wird die Straße immer enger und schlechter und gerade als wir uns fragen, ob wir uns vielleicht verfahren haben, merken wir: Wir sind angekommen. Der steile Wald lichtet sich und vor uns steht der malerische Hof mit seinem Wohn- und Stallgebäude und der Kapelle inmitten einer wundervollen Kulisse. In den kommenden zwei Tagen wird uns der Südtiroler Markus Prieth die Kunst des Jodelns näherbringen. Die Idee und Initiative dazu kommen von Stefanie Walchensteiner. Nachdem die Sozial- und Erlebnispädagogin, die in der mobilen Jugendarbeit tätig ist, in Brixen an einem von Markus’ Jodelseminaren teilnahm, stieß sie damit auf reges Interesse in ihrem Freundeskreis. Groß geredet wird aber bekanntlich schnell – und so ist der Kern, der bleibt, eine bunte Truppe aus Musik liebenden, naturverbundenen und unternehmungslustigen Menschen.

Markus ist Profi durch und durch. Er schafft es, uns mit Enthusiasmus, Leidenschaft und Humor binnen weniger Übungen aus der Reserve zu locken und nimmt uns die Angst, „falsch“ zu singen oder uns zu blamieren. Wir lösen uns schnell von gelernten Konventionen – Was klingt „schön“? – wir experimentieren mit der Stimme und jeder findet für sich selbst die geeignete Stimmlage. Ob erfahrener Musiker oder Anfänger mit wenig trainierter Stimme: Für alle ist das Jodeln eine Herausforderung.

Stefanie Walchensteiner hatte die Idee zum Jodelkurs – sie organisierte das herrliche Wochenende am Kollreidhof.
Der Südtiroler Markus Prieth ist unser Jodellehrer.

Man singt meist Silben ohne Wortbedeutung und konzentriert sich so ganz auf den Klang der Stimme. Jodeln ist archaisch, kraftvoll und befreiend. Die Atmung wird tief und gleichmäßig. Es ist also ganz und gar nicht weit hergeholt, dass Jodeln immer öfter auch in Verbindung mit Yoga angeboten wird. Im urbanen Raum ist das Jodeln längst angekommen, Jodelschulen in Berlin finden regen Anklang. Dort findet übrigens auch der nächste Kurs von Markus statt, denn die Szene ist durch Jodelconventions gut vernetzt.

Das Wochenende verläuft keinesfalls wie ein klassischer Kurs mit fixen Zeiten. Die Lektionen gehen in spontane Jamsessions in den Pausen und musikalische Improvisationen über. Genau das ist auch das Konzept von Stefanie Walchensteiner, von der man in dieser Hinsicht bestimmt wieder hören wird. Denn das gemeinsame Wohnen, Essen und Zusammensitzen und das spontane Musizieren tragen zu einer ganz eigenen Dynamik bei, die ein klassischer Kursalltag oder herkömmliche Locations nicht bieten können.

Unser Jodelworkshop verläuft keineswegs wie ein klassischer Kurs. Wir musizieren nicht nur gemeinsam, sondern wohnen und essen auch miteinander.
Jodeln um 7.30 Uhr morgens? Für mich als Morgenmuffel eigentlich eine Horrorvorstellung, aber ich muss zugeben: Es macht wirklich gute Laune!
Theresa performt mit Gitarre und Gesang.
Martin, Momo, Markus, Karo und Moni ...
... Theresa, Daniel, Hansjörg, Anja und Chrissi bei einem unterhaltsamen Improvisationsspiel.
Wir jodeln in der Stube, ...
... im Stadel ...
... und draußen im Freien – und je nachdem, wo wir sind, verändert sich die Akustik und unsere Stimmen klingen ganz anders.
Eine Herausforderung: Sich gegenüberstehend im Kanon Jodeln und einen Rhythmus klatschen – das ist gar nicht so einfach!

Wir wechseln zwischen Stube und Kapelle hin und her, jodeln im Stadel oder am Teich und merken deutlich, wie sich die veränderte Akustik auf den Klang der Stimme auswirkt. Dabei singen wir meist zwei- oder dreistimmig, mal kommt die Geige zum Einsatz, dann die Gitarre. Dann gibt es wieder herausfordernde Übungen oder unterhaltsame Aufgaben. Vieles geschieht impulsiv und intuitiv: Ein Nieser, ein herumliegendes Kochbuch, ein Klassiker – kaum zu glauben, was man bei der richtigen Stimmung alles „verjodeln“ kann.

Wie geht Juchizen? Wenn du über diese Frage nachdenken musst, ist es schon zu spät.
Markus Prieth

Markus Prieth bringt vieles auf den Punkt. Am besten für dieses unbeschwerte, aber erkenntnisreiche Wochenende steht aber wohl diese Aussage: „Wie geht Juchizen? Wenn du über diese Frage nachdenken musst, ist es schon zu spät!“

Credits

Ein Posting

senf
vor 6 Jahren

muss wohl ein lässiges wochenende gewesen sein. vielleicht entsteht etwas neues daraus, denn die oberländer waren immer schon erfinderisch und talentiert. machts lei weiter, leitln.

 
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