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Infoabend: Natura 2000 als Erfolgsgeschichte am Lech

"Die Welt ist nicht untergegangen. Wir leben noch. Und wir leben ganz gut."

Zum Auftakt der Veranstaltung in der Wirtschaftskammer demonstrierten die Natura 2000-Gegner aus dem Virgental. Fotos: Brunner Images
Zum Auftakt der Veranstaltung in der Wirtschaftskammer demonstrierten die Natura 2000-Gegner aus dem Virgental. Fotos: Brunner Images
Hätte diese Veranstaltung vor einem Jahr stattgefunden, dem Bezirk Osttirol wäre vermutlich einiges an Diskussionen und Polarisierung erspart geblieben – Das war Grundtenor beim Infoabend zum Thema Natura 2000 am 23. September in der Lienzer Wirtschaftskammer. Landesrätin Ingrid Felipe hatte dazu geladen und bewusst ein positives Motto für den Abend gewählt: "Chancen und Entwicklungspotenziale von Natura 2000."
Landesrätin Ingrid Felipe wurde von Bürgermeister Heinrich Ginther aus der Natura-2000-Anrainergemeinde Elmen begleitet.
Landesrätin Ingrid Felipe wurde von VP-Bürgermeister Heinrich Ginther aus der Natura-2000-Anrainergemeinde Elmen begleitet.
Was Günter Salchner, Geschäftsführer Regionalentwicklung Außerfern, und Bürgermeister Heinrich Ginther aus der Natura-2000-Anrainergemeinde Elmen vor den ca. 120 Besuchern des Infoabends ausbreiteten, war dann auch ermunternd. Die beiden Nordtiroler trugen eine ebenso spannende wie lehrreiche Erfolgsgeschichte vor und ließen nicht den geringsten Zweifel aufkommen, dass Natura 2000 am Lech nicht nur wenig verhinderte, sondern zum kräftigen Ankick für eine vorwiegend auf den Tourismus fokussierte Weiterentwicklung wurde. Bis heute seien nicht nur insgesamt 96 Millionen Euro an Investitionen in einer strukturschwachen Region ausgelöst worden. Zusammengehörigkeitsgefühl, Aufbruchsstimmung und positive Energie wurden freigesetzt, versichern die Betroffenen.
Präzise, detailliert und in verständlichen Worten schilderte Günter Salchner, Geschäftsführer Regionalentwicklung Außerfern, wie am Lech durch Natura 2000 fast 100 Millionen Euro in die Wirtschaft gepumpt wurden.
Präzise, detailliert und in verständlichen Worten schilderte Günter Salchner, Geschäftsführer Regionalentwicklung Außerfern, wie am Lech durch Natura 2000 fast 100 Millionen Euro in die Wirtschaft gepumpt wurden.
Die Front der Natura 2000-Gegner war an diesem Abend sehr stark vertreten, bewaffnet mit Transparenten und zwei Gstanzl-Sängerinnen. Dennoch wurde das Dilemma der vorwiegend aus Virgen und Matrei kommenden Gruppe mit jeder Wortmeldung spürbarer: die immer wieder geschilderten Negativszenarien sind weitgehend fiktiv und müssten sich erst bewahrheiten, während die an diesem Abend geschilderten Erfolge als Realität messbar sind.
Die Argumente der Natura 2000-Gegner wurden auch folkloristisch vorgetragen. Man konnte sich sozusagen einen Reim darauf machen.
Die Argumente der Natura 2000-Gegner wurden auch folkloristisch vorgetragen. Man konnte sich sozusagen einen Reim darauf machen.
Mehr als 100 Betriebe beteiligen sich am Projekt Lechweg, das zweistellige Nächtigungszuwächse und riesiges Medienecho brachte. "Wenn ein schöner Weg reichen würde, wäre auch das Virgental erfolgreich", versuchten die Natura-Gegner die "Werbeveranstaltung" zu hinterfragen und der Regionalmanager aus dem Außerfern gab ihnen sogar recht. "Wir haben weit mehr als einen Weg, wir haben ein buchbares Qualitätsprodukt, das Wertschöpfung erzeugt".  Das sei nicht nur durch Nächtigungszuwächse belegbar, erklärte Günther Salchner, sondern auch mit steigenden Zimmerpreisen und reger Bautätigkeit: "An unseren Hotels stehen wieder Kräne". Er und Ginter seien zudem nicht in missionarischer Absicht vor Ort. Salchner: "Ich muss hier nichts schönreden und natürlich fließen auch bei uns nicht nur Milch und Honig."
Ihre Gesichter verraten: Wir glauben das alles nicht und wollen lieber ein Kraftwerk an der Isel.
Ihre Gesichter verraten: Wir glauben das alles nicht und wollen lieber ein Kraftwerk an der Isel. Links Anton Steiner, Bürgermeister von Prägraten, neben ihm Dietmar Ruggenthaler, Bürgermeister von Virgen.
Dennoch sei die direkte Causalität zwischen jenen Strukturmaßnahmen und Förderpaketen, die Natura 2000 nach sich zog und der Aufwärtsentwicklung entlang des Lechweges nachweisbar. "Auch wir haben gezweifelt. Ich bin Wirtschaftsbündler", erklärte Ginter in Richtung seiner Osttiroler Bürgermeisterkollegen, "aber wir haben letztlich akzeptiert, dass Natura 2000 kommt und uns gesagt, lasst uns etwas daraus machen."
Die Pro-Natura-Fraktion war im der Wirtschaftskammer insgesamt stärker vertreten, unter anderem durch Rainer Brugger.
Die Pro-Natura-Fraktion war in der Wirtschaftskammer insgesamt stärker vertreten, unter anderem durch Rainer Brugger.
Auch das war eine der Schlussfolgerungen der recht geordnet und sachlich ablaufenden Diskussion in der Wirtschaftskammer. Nur wenn die Chance genutzt wird und die zu erwartenden Millionen in konkrete, gut konzipierte Projekte fließen, geht die Rechnung auf. Zusammenhalt sei da eines der obersten Gebote, erklärte der Regionalmanager: "Bei uns passt zwischen RMO, Naturschutz- und Tourismusvereine kein Blatt Papier. Alle arbeiten Hand in Hand und das macht auch Spaß."
Der Matreier Gemeinderat Norbert Riepler fürchtet um den Hochwasserschutz im Ortsteil Feld. Seine Ängste sind unbegründet, erklärten die Referenten vom Lech.
Der Matreier Gemeinderat Norbert Riepler fürchtet um den Hochwasserschutz im Ortsteil Feld. Seine Ängste sind unbegründet, erklärten die Referenten vom Lech.
Selbst für die "Causa Bstieler" – drohende Einschränkungen beim Schotterabbau – hatte die Delegation aus dem Außerfern Positivbeispiele parat und verwiesen unter anderem auf den großen Zementhersteller Schretter mitten im Naturschutzgebiet. Ebenso ins Leere lief der Versuch des Matreier Gemeinderates Norbert Riepler, den Katastrophenschutz an der Isel mit Natura 2000 zu verknüpfen. Eine Hochwasserverbauung im Ortsteil Feld sei dann nicht mehr möglich, waren seine Bedenken, die sofort zerstreut wurden. Für den Schutz der Bevölkerung nötige Maßnahmen würden natürlich auch im Schutzgebiet realisiert, erklärte der Elmener Bürgermeister und zählte Beispiele auf.
Ingrid Felipe will den Vorwurf schwacher Information nicht gelten lassen: "Ich käme gerne zu Infoveranstaltungen, werde aber nie eingeladen."
Ingrid Felipe will den Vorwurf schwacher Information nicht gelten lassen: "Ich käme gerne zu Infoveranstaltungen, werde aber nie eingeladen."
Sein Virger Kollege Dietmar Ruggenthaler versuchte bis zum Schluss, die Stimmung zu drehen und brachte immer wieder zum einen den Kraftwerksbau und zum anderen den mangelnden Kooperationswillen der Landesregierung ins Spiel. Ingrid Felipe konterte mit der Feststellung, dass sie natürlich gerne zu Infoveranstaltungen in den Gemeinden käme: "Ich wurde nur bis jetzt nicht eingeladen." Stellvertretend für den großen Abwesenden des Abends, Andreas Köll, wollte die Matreier Vizebürgermeisterin Mattersberger wissen, warum die Bürgermeister des Planungsverbandes aufgefordert worden seien, bis Monatsende ihren Zonierungsvorschlag um eine naturfachliche Stellungnahme aufzubessern obwohl Felipe in den Medien angekündigt habe, dass die gesamte Isel ausgewiesen werde. Felipe legte dar, dass von Gregory Egger, dem Autor der Planungsverbandsstudie über die Gutachter des Büros Revital bis zu den Beamten der Umweltabteilung und vielen weiteren Experten praktisch Einigkeit über die Schutzwürdigkeit der Isel herrsche. Das sei der Tenor ihrer Aussage gewesen.
Sie vertrat den großen Abwesenden des Abends, Andreas Köll: Die Matreier Vizebürgermeisterin Elisabeth Mattersberger.
Sie vertrat den großen Abwesenden des Abends, Andreas Köll: Die Matreier Vizebürgermeisterin Elisabeth Mattersberger.
An der Diskussion beteiligten sich auf beiden Seiten der Frontlinie die bekannten Protagonisten mit weitgehend bekannten Argumenten. Am Ende ließ Martin Mayerl, Bezirksvorsitzender der ÖVP und gewichtiger Exponent der mächtigsten politischen Gruppierung im Bezirk, mit einem moderaten Statement aufhorchen, das erahnen ließ, dass das Thema Natura 2000 an der Isel für die Koalition bereits abgehakt sei. Die Ausweisung wird wohl kommen und weitgehend der von Revital und der Umweltschutzabteilung vorgenommenen Zonierung folgen. Einige Wortmeldungen bezogen sich darauf, dass es im Feinschliff darum gehen werde, ob die Zone als Nationalpark oder Naturpark ausgewiesen wird und was in den flankierenden "Managementverträgen" steht. Sie sind das Kleingedruckte der Natura-2000-Regularien und können beispielsweise auch Ausnahmeregelungen für Gewerbegebiete enthalten.
Das Interesse war groß, aber nicht überwältigend. In den vorderen Reihen waren noch Plätze frei, auf den Hinterbänken gab´s Gedränge.
Das Interesse war groß, aber nicht überwältigend. In den vorderen Reihen waren noch Plätze frei, auf den Hinterbänken gab´s Gedränge.
 
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

5 Postings

Erich
vor 10 Jahren

Dank an Dolomitenstadt

für diesen Beitrag - ganz besonders für den Anfang, der so besonders schön den Gegensatz zwischen Angstparolen und Natura 2000-Wirklichkeit zeigt!

 
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Franz Brugger
vor 10 Jahren

Buchbares Produkt: Günther Salchner sagte auch was von Vernetzung: x - Vermieter entlang des Weges akzeptieren 1xNächtigung, es gibt organisierten Gepäckstransport.

Wann startet vernetzung in Osttirol? Schafft buchbare Qualitätsprodukte - Rafting, Kanufahren, Mountainbiketouren mit Einbeziehung der Vermieter!

 
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mischmaschin
vor 10 Jahren

ok, es war der Regionalmanager...

 
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mischmaschin
vor 10 Jahren

“Wir haben weit mehr als einen Weg, wir haben ein buchbares Qualitätsprodukt, das Wertschöpfung erzeugt” - Der Bürgermeister aus dem Lechtal beweist mit diesem einen Satz, daß er mehr drauf hat wie die ganze TVBO- und OW-Führung - bravo!

 
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stjakob
vor 10 Jahren

Wir haben bereits den Nationalpark als Natura 2000 ausgewiesen, reicht dies nicht? Laut meinen Informationen muss Das Land Tirol eine gewisse Quote erfüllen....? Warum wieder wir im Iseltal? Wie schon öfters gehört glaub ich mittlerweile auch Osttirol wird geopfert für Projekte in Nordtirol... Unsere Vertreter aus Osttiroler speziell die ÖVPler sitzen wohl sehr in der Zwickmühle - Klubzwang?

 
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