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Grüne: Keine Chance für KW an Isel und Tauernbach

Belegt ein EU-Brief die Unvermeidbarkeit einer Natura 2000-Nachnominierung?

Thomas Haidenberger sieht eine neue Qualität in den Reaktionen der EU: "Man weiß, es ist Gefahr in Verzug".
Einmal mehr stand bei einem Pressegespräch der Grünen am 1. Februar in Lienz das Thema "Natura 2000" auf der Tagesordnung und damit der Schutz der Isel und ihrer Zubringer. Landesobfrau Ingrid Filipe und der Osttiroler Landtagskandidat Thomas Haidenberger forderten neuerlich vehement einen Stopp der Planungsarbeiten für Wasserkraftwerke an der Oberen Isel und am Tauernbach. Beide Projekte sind aus der Sicht der Grünen nicht genehmigungsfähig. Erst vor kurzem hatte der für die Umwelt zuständige Tiroler Landesrat Thomas Pupp (SPÖ) alle Einwände der Umweltschützer recht locker vom Tisch gewischt und keinerlei Handlungsbedarf signalisiert. Tirol habe die Hausaufgaben gemacht, auch die Isel sei ausreichend geschützt. Im Lienzer Mocafe legten die Grünen jetzt ein Originalschreiben der EU-Kommission vor, das bei näherer Betrachtung zu anderen Schlüssen kommt und Österreich ein sehr schlechtes Zeugnis in Sachen Schutzgebiet-Nominierung ausstellt. Die Rechtsabteilung der "Generaldirektion Umwelt" beklagt schleppende und vor allem unvollständige Nachnominierung und beruft sich auf insgesamt drei aktuelle Studien, unter anderem des Umweltdachverbandes, die Handlungsbedarf ausweisen. Der Brief lässt kaum Interpretationsspielräume offen: "Die vorliegenden Informationen bestätigen, dass das Natura 2000 Netzwerk in Österreich noch immer unvollständig ist. Sie belegen auch eindrucksvoll, dass die Tragweite der Unvollständigkeit der FHH-Gebietsmeldung durch die Republik Österreich offenbar viel gravierender ist als der Kommission bisher bekannt war", steht da zu lesen und dann ganz konkret: "Beispielhaft seien hier nur die Osttiroler Vorkommensgebiete des natürlichen Lebensraumtyps ‘3230 - Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica‘ genannt, welche nach Erkenntnissen der Kommission aktuell durch die Planung von Wasserkraftprojekten gefährdet sind." Diese explizite Nennung der Isel ist für Thomas Haidenberger wenig verwunderlich: "Das Thema liegt zwar schon lange auf dem Tisch und mag manchen schon langweilen. Aber durch die jetzt ganz konkret eingereichten Projekte im Virgental und am Tauernbach bekommt die Schutzgebietsdiskussion eine völlig andere Bedeutung. Jetzt ist schlichtweg Gefahr im Verzug und das weiß auch die EU." Der Brief der Kommission belege, "es gibt keinen Verhandlungsspielraum, wie Pupp das behauptet. Österreich bzw. Tirol muss die Isel aufgrund internationaler Verpflichtungen als Natura 2000-Gebiet nachnominieren."
Die unscheinbare "Deutsche Tamariske" ist eine Pionierpflanze, die sich im Flussschotter von Überschwemmungsgebieten wohl fühlt und deshalb als Indikator für intakte Sand- oder Kiesbänke in flussnahen Au-Landschaften gilt. Foto: Wolfgang C. Retter.
Die Grünen sind sich sicher, dass SP-Landesrat Pupp nicht nur irrt, sondern auf die Betreiber der aktuellen Vorhaben massive Probleme zukommen. Zur Untermauerung dieser Befürchtung wurde der Redaktion von dolomitenstadt.at sowohl das EU-Schreiben als auch ein offener Brief übermittelt, den die Biologin Luise Ehrendorfer-Schratt, Professorin am Fakultätszentrum für Biodiversität an der Uni Wien, vor kurzem an Thomas Pupp schrieb. Sie zerpflückt darin als Expertin des European Topic Centre of Nature Conservation die Behauptung des Landesrates, die Hausaufgaben Tirols seien gemacht und bezeichnet die offizielle Haltung Tirols zu Natura 2000 als "äußerst abwehrend". Von einem ausreichenden Schutz der Deutschen Tamariske könne keine Rede sein, stellt die Wissenschafterin klar und nennt ebenfalls ausdrücklich die Vorkommen an der Isel. Beide Schreiben bieten wir interessierten LeserInnen hier im kompletten Wortlaut zum Download an. Brief EU Kommission Brief Ehrendorfer-Schratt an LR Pupp
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

4 Postings

wolf_C
vor 11 Jahren

(Osttirol hat eine Natura 2000-Fläche von 61159,01ha – das sind bei einer Gesamtfläche von 2019,87km² 30,28%. In welcher Größenordnung bewegt sich denn die Fläche die noch zu schützen wäre?)

... und von den 2019,86km² sind wieviel in welcher Meereshöhe? ... und wenn ein menschlicher Körper ca 75kg wiegt kommt es auf 1kg Hirn mehr oder weniger auch nicht an? ...und wenn die 0,1% Salz in 1kg Brot fehlen, fällt dies sicher auch keinem auf...

... tatsächlich frage ich mich, was ich von einer Regierung halten soll, die bestehende Gesetze und Verträge nicht einhält, geht sie da mit nachahmenswertem Beispiel voran, und soll ich das und meine Zeitgenossen jetzt auch machen?

 
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F_Z
vor 11 Jahren

Ich würde mir auch gerne eine Meinung zu dem Thema bilden - bin aber noch nicht ganz zufrieden mit den Fakten... 1. Das Vorkommen der deutschen Tamariske ist ja der Grund weswegen die Isel schützenswert wäre - aber warum setzt sich nicht jeder, der so ein Ding haben will eines im Garten? Laut Wiki wird diese Pflanze seit aber 400 Jahren als Zierpflanze in Gärten angebaut. 2. Mal einige Zahlen (Stand 2010): ca. 18% der Landfläche der EU sind Natura 2000 Gebiet; in Österreich nur 14,7%; in Tirol 14,5%. (zum Vergleich: den höchsten Anteil der österreichischen Bundesländer hat das Burgenland mit 27,2%, den niedersten Kärnten mit 5,8%.) Osttirol hat eine Natura 2000-Fläche von 61159,01ha - das sind bei einer Gesamtfläche von 2019,87km² 30,28%. In welcher Größenordnung bewegt sich denn die Fläche die noch zu schützen wäre?

Und zuguterletzt noch eine etwas sarkastische Frage, die weniger mit Natura 2000 zu tun hat: Gibt es irgendwo in Österreich eine Planung für ein Wasserkraftwerk, das aus der Sicht der Grünen genehmigungsfähig ist?

 
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G_J_Hahne
vor 11 Jahren

Versagen der Tiroler Landespolitik im Naturschutz eindrucksvoll dokumentiert!

Wenn man sich die Mühe macht und beide angehängte Dokumente aufmerksam durchliest kommt man zum Schluss:

a.) Die Tiroler Landesbehörden setzen sich nicht ausreichend ein für die Anliegen des Naturschutzes! oder b.) Wider besseren Wissens ging man auf Kollisionskurs zu den EU Natura 2000- Richtlinien!

Dank engagierter Naturschützer und NGO´s (Nichtstaatliche Organisationen) wird die Tiroler Landespolitik um eine Korrektur nicht umhin kommen. Denn auch einzelne Personen und NGO´s können Eingaben bei der EU-Kommission machen und Versäumnisse der Landespolitik melden, die dann mittels EU- Druck in den Ländern korrigiert werden müssen.

Daraus ergibt sich die zwingende Konsequenz:

Die Tiroler Landespolitik erfüllt die Vorgaben für die FFH- Richtlinien sprich Natura 2000, die die EU mit allen Mitgliedsländer beschlossen hat, d.h. fehlende Natura 2000 Gebiete müssen nachnominiert werden.

Ein Augen zu und durch wird nach diesen eindrucksvollen Schreiben nicht mehr machbar sein! Es gibt mir nun die Hoffnung, dass z.B. das „Kraftwerk Obere Isel“ nur der Wunsch einer Projekt- Entwicklungsfirma und zweier Bürgermeister waren, die sich instrumentalisieren ließen.

 
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Gertrude
vor 11 Jahren

Ist Herr Thomas Pupp als Umweltlandesrat nun zum Schutz der Umwelt im Amt oder nicht? Nach mehreren Berichten wie diesen bin ich mir da nicht so sicher. Wofür weden solche Politiker eigentlich bezahlt?

 
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