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Adventkalender Lienz 2015: das elfte Fenster

Benjamin Zanon, "Spur Nr. 5" (2015), Tusche auf Büttenpapier, H 78 cm x B 57 cm

Benjamin Zanon, "Spur Nr. 5" (2015), Tusche auf Büttenpapier, H 78 cm x B 57 cm
Benjamin Zanon, "Spur Nr. 5" (2015), Tusche auf Büttenpapier, H 78 cm x B 57 cm
Über den Künstler Benjamin Zanon, geboren 1981 in Lienz, studierte zunächst in Wien Architektur und Philosophie, sowie ab 2009 an der Kunstakademie Düsseldorf (Studium der freien Kunst) in der Klasse von Richard Deacon. Im Februar 2015 schloss er sein Studium als Meisterschüler bei Deacon ab, seitdem lebt und arbeitet er in Lienz und Innsbruck. 2014 erhielt Zanon das Stipendium für Bildhauerei des MFI Essen, 2015 den Ewald Mataré Förderpreis des Kulturkreises Meerbusch. Im Oktober 2014 erhielt er, gemeinsam mit dem zeitgenössischen Komponisten Daniel Oliver Moser, das Arbeitsstipendium des Landes Tirol für das Künstlerhaus Paliano bei Rom. Bereits 2011 widmete ihm die Galerie Andreas Höhne, München, eine Einzelausstellung, 2012 folgte eine Personale im RLB Atelier, Lienz/Osttirol. Werke Benjamin Zanons waren unter anderem bei der Grauomenta im Künstlerhaus Dortmund, der großen Kunstausstellung NRW 2012 im Kunstpalast Düsseldorf, in der Artes Galerie Köln, bei Bartlebooth & Smautf, Düsseldorf, bei Künstler/Gäste/Haus im Künstlerhaus Dortmund sowie in der Sammlung zeitgenössischer Kunst Philara in Düsseldorf zu sehen. Im November 2015 stellt er im Zuge der Zusammenarbeit mit Daniel Oliver Moser in der Spitalskirche in Lienz aus und ist an zahlreichen Gruppenausstellungen, unter anderem im Kunstraum Innsbruck, im Kunstverein Lippe, sowie in Düsseldorf beteiligt. Eine der zentralen Grundlagen der Arbeit Zanons, stellt die Bewegung an verschiedensten Orten dar. Das Auge soll in der Betrachtung des bisher völlig Unbekannten seine große Herausforderung finden. Denn nur das gänzlich Neue, das bisher noch nicht Gesehene vermag es, den Geist in Aufregung zu versetzen. Der Besuch dieser Orte, die Wanderungen von einem Ort zum nächsten, dienen als Ausgangspunkte, die wiederum mit Hilfe zahlreicher Notizen, geschriebener, grafischer, oder aber akustischer Natur, ge- speichert werden um dann, in einem zeitlich unbestimmten und zumeist sehr weitläufigen Rahmen, Eingang in größer angelegte, vorwiegend zeichnerische Arbeiten, zu finden. Diese meist abstrakten Zeichnungen erscheinen dem Künstler selbst zum einen kennzeichnend für bestimmte Orte, zum anderen aber auch kennzeichnend für bestimmte Gefühle und Gedanken, bestimmte Qualitäten wie die Temperatur oder den Lichteinfall, wie sie während der beschriebenen Wanderung vorherrschten. Sie enthalten also zumeist ein äußerst dichtes Gewebe an unterschiedlichsten Informationen, bestehend aus Eindrücken, Gedanken und Gefühlen, der gesamten Bandbreite einer sub- jektiven Wahrnehmung eben. Dies äußert sich nicht zuletzt in der, vorrangig feinen und in gewisser Weise chaotischen, wie ebenso systematischen Struktur der Arbeiten Zanons. Von den beschriebenen Orten entkoppelt, sozusagen ihrem Kontext entnommen, lassen sich die einzelnen Werke wiederum selbst wie Spuren lesen, die Eindrücke hinterlassen wollen, sozusagen als Negative einer Wanderung, eben diese, im Betrachter wieder ins Positive verkehren wollen. Gedanken des Künstlers zum Werk Diese Arbeit ist Teil einer groß angelegten Serie von Zeichnungen, an der ich mit Unterbrechungen seit 2013 arbeite. Die Beschäftigung als technischer Zeichner bei einem Kölner Unternehmen für Archäologie stellte den Ausgangspunkt und die zentrale Inspiration für die Serie dar. Im Zuge dieser Arbeit, bei der Schritt für Schritt die Erdschichten abgetragen und analysiert, fotografiert und in Plänen verzeichnet werden, kam mir der Gedanke, mich diesem Verfahren aus künstlerischer Sicht zu widmen. Die Tatsache, dass unser Leben, das im Vergleich zur Geschichte der Zivilisation nur von so kurzer Dauer ist, derart beständige Spuren im Boden unter uns hinterlässt, dass wir alle auf diesen Spuren leben, uns ihrer Existenz aber kaum bewusst sind, solange wir nicht Vorhandenes abtragen und darunter Verborgenes frei legen, also sichtbar machen, hat mich fasziniert. Ich bediene mich vordergründig jener Symbolik, die man in technischen Zeichnungen verwendet, um z.B. Ziegelsteine, Bruchsteine, Fundstücke oder den natürlich gewachsenen Boden darzustellen und setze diese in einer eigenen Grabung, die an keinem vorhandenen Ort, sondern in meinem Inneren statt findet, ein. Denn wie sich der Archäologe schrittweise durch die Zeitgeschichte tiefer gräbt, bis er den natürlich gewachsenen Boden erreicht und dabei jede erkennbare Stufe der Geschichte analysiert, grabe ich mich zeichnerisch, Schicht für Schicht durch mein Inneres, bis ich den Kern erreiche, das ganz tief Verborgene, das mir noch Unbekannte, oder Unbewusste. Spur Nr. 5 zeigt aus der Nähe betrachtet eine Mischung aus natürlichem Fels und verzahnten Ziegelsteinen, wie sie oft in Keller-, oder Fußböden verlegt wurden. Aus der Entfernung wirkt Dargestelltes insgesamt jedoch wie ein Fußabdruck, den wir ja ganz beiläufig und jeden Tag aufs Neue erzeugen, wenn wir uns durch die Natur bewegen, oder danach mit dreckigen Schuhen das Haus betreten. Somit handelt es sich hierbei um eine Spur im doppelten Sinne, dem feinen, analytischen, wie auch dem groben, alltäglichen. Obwohl dieses Blatt bereits vier Schichten unterhalb der Oberfläche angesiedelt ist, scheint mir noch keine allzu große Tiefe erreicht zu sein, die Zeichensprache orientiert sich noch sehr stark an jener der Archäologen, wenngleich die feingliedrige Zeichnung eines Felsbandes so niemals zur Anwendung kommen würde. Das erscheint mir ein weiterer Vorteil dieser Grabung im Selbst, wenn mich ein Detail besonders anspricht, kann ich ihm viel mehr Zeit und Genauigkeit in der Darstellung widmen, muss mich nicht den Prinzipien unterwerfen, welche die Grundlage einer wissenschaftlich korrekten Arbeit ausmachen. Etwas, was die Spur Nr. 5 für mich persönlich noch sehr wichtig macht, ist die Tatsache, dass sie den wechselseitigen Charakter einer Spur verdeutlicht. Sei es beim Wandern durch die Landschaft, wo einerseits der Fußabdruck bestehen bleibt, wo oftmaliges Begehen einer Strecke unweigerlich zur Entstehung eines Weges führt und sich andererseits die Landschaft als Erinnerung in mich einprägt. Aber auch im weiteren Sinne, wie ich zum Beispiel durch jedes Gespräch, jede Erfahrung des Lebens geformt und geprägt werde, ich umgekehrt jedoch auch laufend Spuren, eben in Form von Zeichnungen und vielen anderen Dingen (bis hin zum sogenannten ökologischen Fußabdruck) hinterlasse ... Alle bisher geöffneten Kalenderfenster von 2015 findet man hier im Überblick.

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