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Das Schauen als Inhalt, der Weg als Ziel

Hinter Fritz Ruprechters Arbeiten liegt eine Komplexität, die an Mathematik denken lässt, oder aber an japanische Philosophie.

Der Künstler Fritz Ruprechter lebt seit vielen Jahren in Niederösterreich. Sein Werk aber ist beeinflusst von seinen zahlreichen Reisen durch verschiedene Kontinente, ganz besonders Asien. Und wer weiß, vielleicht liegt in der Struktur seiner Objekte auch ein Hauch der Dolomiten.

Ein Besuch der Website von Fritz Ruprechter führt zunächst zur Zeichnung eines Kyudomeisters des japanischen Künstlers Hokusai aus dem 18. Jahrhundert. Eine rasche Bewegung, ein abgeschossener Pfeil, dann ein Verharren. Die Anmut dieser Figur ist ebenso vollkommen wie schlicht. Das gilt gleichermaßen für das Werk Fritz Ruprechters. Anmut, Gelassenheit, Schlichtheit. Doch das ist nur ein erster Eindruck. Hinter seinen Arbeiten liegt eine Komplexität, die an Mathematik denken lässt, oder aber an japanische Philosophie.

Foto: Miriam Raneburger

Die Geometrie der Linien, die Kantenführung – nichts scheint dem Zufall überlassen. Nicht einmal die Betrachtung. Denn was für das Einzelbild gilt, wird noch weit konkreter in seinen großflächigen Werken. Mit ihnen durchschreitet er den Ausstellungsraum und weist ihm Wege zu. Er vermisst ihn quasi neu. Mal hängen die Bilder schwebend mitten im Raum, ein anderes Mal heften sie sich wie selbstverständlich an eine Mauer. Sie stehen im freien Raum und bieten einen Einblick von allen Seiten, oder sie stellen sich dem Betrachter gegenüber, als würden sie ihm entgegen blicken wollen. Vielleicht ist Fritz Ruprechter da ganz besonders in seinem Element, die Bewegungen des Publikums wie in einer Choreografie leitend. Je nach Position der betrachtenden Person verändert sich das Objekt. Der Standpunkt wird zum Mitgestalter.

„So wird das Schauen zum Inhalt oder der Weg zum Ziel. Die Bilder verändern oder erweitern ihr Aussehen durch den sich ändernden Blickwinkel. Den AusstellungsbesucherInnen wird durch die spezielle Hängung der Bilder eine zusätzliche Raumerfahrung angeboten, sie werden zu MitgestalterInnen,“ sagt Fritz Ruprechter. Hinzufügen ließe sich, dass nicht nur das Publikum auf diese Weise die Ausstellung mitgestaltet, sondern diese achtsam vorgegebenen Betrachtungswege immer auch Einfluss auf die Stimmung der betrachtenden Personen haben.

"Innere Ruhe ist Ausgangspunkt meiner Arbeit und umgekehrt ist die Arbeit Ausgangspunkt für die innere Ruhe."

All seinen Werken gemeinsam ist Ruhe. Sofern man es zulässt, leiten die Bilder ins eigene Innere. Den mathematischen Hintergrund hingegen bestreitet der Künstler: „Innere Ruhe ist Ausgangspunkt meiner Arbeit und umgekehrt ist die Arbeit Ausgangspunkt für die innere Ruhe.“ Meditativ könnte man das nennen. Fritz Ruprechters Bilder laden zum Verharren ein. Der Kurator Florian Steininger spricht von einer „abstrakten Metaebene“, die keine Worte brauche.

So tragen die Werke auch selten Titel. Tun sie das doch, verweisen diese eher auf die zu Grunde liegende Technik als auf eine inhaltliche Interpretation. „Aquarell“ etwa, aus dem Jahr 2009 oder „Glasarbeiten“ (2008). Mehr braucht der Betrachter auch nicht zu wissen, um in ein Bild Ruprechters einzutauchen.

Die Sehnsucht, zu berühren

Die Bezeichnung „Maler“ wird dem gebürtigen Matreier Fritz Ruprechter kaum gerecht. Der Pinsel stellt nur eines seiner vielfältigen Werkzeuge dar. Es darf auch einmal ein Bügeleisen sein: „Viele meiner Arbeiten sind Objekte oder Reliefs, an denen ich die Oberfläche sehr stark bearbeite. Ich lackiere, schleife, bürste, wachse. Diese Arbeiten laden zum An-Greifen ein und dadurch eventuell zum besseren Be-Greifen.“ Unwillkürlich nähert man sich den Objekten mit dem Wunsch, sie zu berühren, mit dem Finger einer Linie nachzufahren, um sie sich einzuprägen; zärtlich fast. Was aber, wenn dieser Drang unaufhaltbar wird? Der Künstler sieht das entspannt: „Ich würde Sie ermutigen, die Arbeiten zu berühren.“

Foto: Miriam Raneburger

Bei manchen Reliefs dürfte man das ganz offiziell, etwa bei den Bearbeitungen von Fassaden, wie dem Innsbrucker Hotel Tivoli (aus dem Jahr 2005) oder der Fachhochschule für Telekommunikation und Multimedia Art im salzburgischen Itzling (1997), wo man vor allem bei ersterem nicht viel Fantasie bräuchte, um die Struktur von Felsen wieder zu erkennen. Doch leider wurden die beiden Projekte trotz Wettbewerbsgewinn nie umgesetzt. Was man in Fritz Ruprechters Bildern und Objekten sieht, hört oder spürt, mag individuell sein: einen Morgengruß, eine abendliche Stimmung oder den Klang des Windes. Der Künstler freut sich, wenn man sich „sein“ Bild daraus entwickelt. „Rhythmus, Klang und Licht sowie Farbe, Material und Format sind zugleich Form und Inhalt meiner Bilder.“ Bemerkenswert ist der Rhythmus, der in den Bildern steckt, trotz oder insbesondere aufgrund der einfach wirkenden Ausgangsmaterialien – Papier, Karton, Holz, Glas. Als würde hinter jedem Material eine Melodie stecken.

Zunig und Hintereggerkogel

Dieser Rhythmus mag auch an einer Leidenschaft Fritz Ruprechters liegen: Bereits zwei Mal hat er die österreichische Meisterschaft im Kyudo gewonnen, einer japanischen Martial Arts Technik des Bogenschießens. Meister sei er deshalb allerdings noch lange keiner, betont er. Die Körperbeherrschung allerdings, und die mit ihr einhergehende Präsenz schillern durch seine Arbeiten. Wörtlich übersetzt bedeutet Kyudo „der Weg des Bogens“. Es geht dabei weniger um eine Kriegskunst als um die tiefgreifende Auseinandersetzung mit sich selbst. Das Dojo, der Ort der Kyudo-Ausübung, ähnle in gewissem Maße dem Atelier, so Ruprechter: „Dojo heißt ‚Ort, an dem man den Weg übt’.“ So hat er von seinen Auslandsaufenthalten in Japan, Chile, Ägypten und anderen Ländern diverse Einflüsse mitgebracht. Doch schon seit mehr als 30 Jahren lebt Fritz Ruprechter in Niederösterreich, in einer alten Fabrik, die er damals mit anderen gemeinsam ersteigert hat: „Eine Insel inmitten der Industrieödnis. Hier habe ich meine Wohnung und mein Atelier und lebe mit 28 Leuten in einer sehr angenehmen Gemeinschaft, einem wunderbaren Wohnprojekt.“

Einer seiner Wohnkollegen ist der Typograf MartinTiefenthaler (siehe DOLOMITENSTADT Magazin 4/2013). Osttirol findet Ruprechter trotzdem schöner, „viel schöner als die Gegend hier um Wien. Ich komme aus Matrei, und dort gibt’s den Zunig und den Hintereggerkogel.“ Mehr Worte braucht es dazu nicht.

Fritz Ruprechter

Geboren 1950 in Matrei, ab 1972 verschiedene Kunstausbildungen, etwa an der Angewandten in Wien, der Akademie Minerva im holländischen Groningen oder der School of Art im irischen Cork. 1977 ging er mit einem Auslandsstipendium nach Ägypten. Schon ein Jahr später folgte die erste Auszeichnung seines Werkes, der Förderungspreis der Stadt Wien. Seitdem folgten zahlreiche Preise, 2011 etwa die Auszeichnung „Schönste Bücher Österreichs 2010“ für sein Buch „Viel/Falten“, oder erst kürzlich der Kulturpreis des Landes Niederösterreich.

Zwischen 1986 und 2004 führten ihn Reisen in mehrere Länder, insbesondere Japan und Südamerika. Ebenso international liest sich die Liste seiner Ausstellungsorte.

www.fritzruprechter.at

Fritz Ruprechter im Dolomitenstadt-Artshop.

Daniela Ingruber stammt aus Lienz und arbeitet als Demokratie- und Kriegsforscherin am Institut für Strategieanalysen in Wien. 

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