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Foto: istock/andrej_k

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Mindestsicherung NEU in Tirol – Eckpunkte fixiert

Wichtigste Änderung: neue Tarife für Wohngemeinschaften. Deckelung bei Mieten.

Begleitet von einhelliger Kritik aus den Reihen der Opposition – die sich eine bundesweite Regelung gewünscht hätte – präsentierten am 17. Jänner Landeshauptmann Günther Platter, seine  Stellvertreterin Ingrid Felipe und die zuständige Soziallandesrätin Christine Baur den Regierungsvorschlag zur Tiroler Mindestsicherung NEU.

Wichtigste Änderung ist die Verminderung der Tarife für Leistungsbezieher in Wohngemeinschaften. Zwei alleinstehende Personen in einer Wohngemeinschaft erhielten als Lebensunterhalt bisher jeweils 633 Euro Mindestsicherung, insgesamt also 1.266 Euro. Künftig sollen sie je 473 Euro erhalten, also gemeinsam 946 Euro.

Ebenfalls gravierend ist die Änderung der Wohnungsfinanzierung. Bisher wurden in Tirol zusätzlich zur Mindestsicherung auch die Wohnungsmieten übernommen. Jetzt soll – wo möglich – Wohnraum als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden. Empfängern von Mindestsicherung können künftig auch Wohnungen zugewiesen werden. Wo weiterhin die Miete übernommen wird, soll es eine Deckelung geben, die für jeden Bezirk eigens festgelegt wird. Übernommen werden nur noch Kosten, die im Wohnkosten-Durchschnitt eines Bezirkes liegen und nicht darüber.

Geringer wird die Mindestsicherung unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Mehrkindfamilien. Weil die Familienbeihilfe des Bundes progressiv gestaltet ist – je mehr Kinder, desto höhere Beiträge – und seit der Steuerreform auch der Kinderabsetzbetrag bei geringen Einkommen ausbezahlt wird, werden die Mindestsicherungssätze für Kinder in Zukunft gestaffelt. Bis zum zweiten Kind ändert sich nichts, ab dem dritten Kind sinken die Sätze.

Weitere Maßnahmen zielen auf eine Abschichtung der Mindestsicherung für Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft, sprich Asylberechtigte aber zum Beispiel auch deutsche Hartz-4-Empfänger, die aus sozialen Gründen ins nahegelegene Tirol „übersiedeln“. Nicht erwerbsfähige EU-BürgerInnen haben in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes keinen Anspruch auf Mindestsicherung und auch nach drei Monaten haben nur jene einen Anspruch, die ArbeitnehmerInnen oder selbständig sind.

Asylwerber erhalten schon bisher keine Mindestsicherung. Erst wenn das Recht auf politisches Asyl zuerkannt wird, also nach einem positiven Asylverfahren, haben Flüchtlinge, weil sie aus der Grundversorgung fallen, in nachgewiesenen Notsituationen die Möglichkeit, Mindestsicherung zu beantragen. Im neuen Tiroler Mindestsicherungsgesetz wird jetzt die Verpflichtung verankert, Deutsch-, Orientierungs- und Wertekurse zu absolvieren. Bei Nichtbeachtung sind schrittweise Kürzungen bis zu 66 Prozent der Mindestsicherungsleistung möglich.

Über die Herkunft der BezieherInnen von Mindestsicherung kursieren viele Zahlen. Hier sind die offiziell bestätigten: Von 2010 bis 2016 stieg die Zahl der BezieherInnen in Tirol von 11.500 auf 17.144. Die Anzahl der BezieherInnen mit österreichischer  Staatsbürgerschaft ist von 2010 bis 2016 von 71 % auf 50,6 % gesunken. Durch die Flucht aus Kriegsgebieten und eine entsprechend steigende Zahl an anerkannten Flüchtlingen stieg die Zahl der Bezieher aus Staaten außerhalb der EU von 20 auf 38,3 Prozent an.

Politisch ist die Diskussion um die Mindestsicherung ein heißes Eisen, faktisch bleiben die Auswirkungen der jetzt vorgestellten Reform aber im Rahmen. Die Tiroler Landesregierung erwartet Einsparungen von rund fünf Millionen Euro. Die Opposition zweifelt an diesem Wert. Die Liste Fritz resümiert: „Monatelang haben ÖVP und Grüne die Mindestsicherung zum Top-Problem des Landes erhoben, dabei geht es – im Vergleich zu den Gesamtausgaben im Sozialbudget des Landes in der Höhe von 931 Millionen Euro – um einen Bruchteil. ÖVP und Grüne haben jetzt beide verloren. Was ist von den radikalen Forderungen der Herren Wolf und Hörl geblieben? Was von der geforderten und angekündigten österreichweit einheitlichen Lösung durch Landeshauptmann Platter? Und was von den grünen Ansagen, keine Kürzungen zuzulassen?“

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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