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Ist der Alpenraum noch ein „Ort guten Lebens“?

Interview mit dem Alpenforscher Werner Bätzing, der am 14. März in Lienz referiert.

Mit Werner Bätzing referiert am Dienstag, 14. März, um 19.30 Uhr in der RGO-Arena einer der Gurus der Erforschung des Alpenraums, der einen integrativen Ansatz von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt propagiert. Spätestens seit seiner Veröffentlichung „Die Alpen - Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft“ gilt der emeritierte Professor für Kulturgeographie des Instituts für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg, als einer der wichtigsten Erforscher alpiner Lebensräume. Wir haben uns als Einstimmung auf den sicher spannenden Vortrags- und Diskussionsabend mit Werner Bätzing unterhalten.
Prof. Werner Bätzing geht als Forscher der Frage nach, wie die Alpen ein Lebensraum mit hoher Qualität bleiben können. Foto: Wolfgang Kleiner
Herr Professor, der Titel Ihres Vortrages in Lienz lautet: „Der Alpenraum, Ort guten Lebens?“ Ohne zuviel über den Inhalt des Referates zu verraten – warum denn das Fragezeichen? Die Alpen sind dabei, als Orte guten Lebens zu verschwinden: Die großen Talräume verstädtern immer mehr, sind durch eine chaotische Zersiedlung geprägt und werden völlig gesichtslos; die Tourismuszentren entwickeln sich immer stärker zu sterilen und künstlichen Freizeitghettos, die mit "den Alpen" nichts mehr zu tun haben; und der große übrige Alpenraum wird wirtschaftsschwach und entsiedelt sich - die Alpen verschwinden als ein dezentral geprägter Lebens- und Wirtschaftsraum. Das Fragezeichen markiert die große Schwierigkeit, diese negative Entwicklung aufzuhalten und umzudrehen. Im Untertitel nehmen Sie Bezug auf die Region und fragen nach einem umsetzbaren Leitgedanken für Osttirol. Nun hat Osttirol eine ausführliche „Vordenker-Diskussion“ hinter sich, die auch zu einem Leitbild führte. Kennen Sie dieses Leitbild und wenn ja, was halten Sie denn davon? Natürlich kenne ich dieses Leitbild, sonst würde ich nicht nach Lienz kommen. Es zielt m.E. in die richtige Richtung, bleibt mir aber in einigen zentralen Dingen zu allgemein und zu pauschal. Initiativen wie jene der „Vordenker“ sind oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie zwar eine Menge Ideen liefern, aber wenig Handfestes in der Umsetzung. Wie schwierig ist denn der Weg vom „guten Gedanken“ zum „richtigen Handeln“? Der Weg vom "guten Gedanken" zur Umsetzung ist deshalb so schwer, weil man dabei zugleich mit zentralen Selbstverständlichkeiten unserer Gegenwart (unendliches Wirtschaftswachstum, Natur als Material, Alles ist käuflich) brechen muss. Und das macht allen Beteiligten große Schwierigkeiten - die "guten Gedanken" (z.B. Aufwertung einer Qualitäts-Landwirtschaft oder eines umweltverträglichen Tourismus) stehen quer zu den Strukturen unserer modernen Welt. Das macht ihre Umsetzung nicht unmöglich, aber der Weg ist weiter als man sich das spontan oft vorstellt. Gerade zum Thema „Alpenraum als Lebensraum“ wird viel publiziert, vor allem vor dem Hintergrund touristischer bzw klimatischer Entwicklungen und auch im Zusammenhang mit der Abwanderungsproblematik. Dürfen wir von Ihnen auch überraschende Thesen und unkonventionelle Antworten erwarten? Ja: Ich sehe Osttirol auf dem Hintergrund der gesamten Alpen (ich habe die Alpen auf der Ebene der gut 6.000 Gemeinden in acht Staaten analysiert) und meinen Erfahrungen in extremen Regionen der Alpen (Stura-Tal im Piemont als Entsiedlungsregion, Gasteiner Tal in Salzburg als Tourismusregion, Ötscherregion in Niederösterreich als ausgeglichene Region, die sich der modernen Entwicklung entzieht). Dadurch werden wichtige Aspekte der Osttiroler Situation pointierter und schärfer sichtbar als sonst, und das gleiche gilt für eine mögliche positive Zukunft Osttirols.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

10 Postings

Franz Brugger
vor 7 Jahren

Nachdem Vortrag gestern in der RGO Arena erscheint mir, dass das Thema Natura 2000 eine Nebenbaustelle ist. Ich meine auch, dass dieses Thema nicht in diesem Beitrag, wo es um ganz andere Sichtweisen geht immer wieder kommentiert werden soll. Wartet da auf einen sicher bald erscheinenden Artikel vder Dolomitenstadt.

Herr Dr. Bätzing hat einige grössere Sichtweisen aufgezeigt, die Position von Städten in den Alpen, die Position Osttirols aus seiner Sicht dargestellt.

Es wurde angekündigt, dass man die Präsentation auf der Homepage des RMOsttirol finden könne, wäre schön!

 
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    Gerhard Pirkner
    vor 7 Jahren

    Gute Idee. Der Natura-Artikel ist schon in Arbeit :-). Und ich stimme zu, Professor Bätzing hat in einem exzellenten Vortrag, den wir auch hier zum Download anbieten werden, das große Ganze gezeichnet, präzise und aufschlussreich.

     
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Kilian1990
vor 7 Jahren

Eine interessante Frage wäre auch einmal, warum Natura 2000 angstbesetzt ist. Sind es vielleicht die Arbeiter und Angestellten, die Angst um ihren Arbeiteitsplatz und ihre Existenzgrundlagen haben. Oder sind es vielleicht die Unternehmer, die Angst um das Aufrechterhalten und/oder die Weiterentwicklung ihrer Betriebe haben. Aber vor solchen Ängsten und Fragen verschließen Herr Haidenberger und die Grünen ja gerne die Augen. Wirtschaftliche Themen berühren sie ja nur am Rande. Sehr gefährlich, wenn Naturschutz extrem betrieben wird und über alles andere gestellt wird.

 
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    thohai
    vor 7 Jahren

    Vielleicht sind es ja auch die laufend gestreuten Meldungen über angeblich drohende massive Einschränkungen … z. B. für die Landwirtschaft: keine Beweidung / Bewirtschaftung von an die Isel angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen z. B. keine Möglichkeit für zukünftige Betriebsansiedlungen (auf öffentlichem Wassergut?) z.B. der Unzulässigkeit von Hochwasserschutzbauten

    Vielleicht ist es das von Anfang an praktizierte „Schlechtreden“ von Schutzmaßnahmen wie dem Nationalpark …

    Oder vielleicht das bewusste Schüren von Unsicherheit und Ängsten bei jeder Gelegenheit, von örtlichen Sitzungen von Vereinen und Institutionen bis zum Bezirksmusikfest in Virgen ...

     
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VirgentalerIn
vor 7 Jahren

Wenn es schon bisher keine Berichterstattung auf dolomitenstadt über die aktuellen Natura2000-Entwicklungen gibt (Schreiben von Dr. Frank Vassen von der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission vom 22. Februar 2017 an Mag. Christian Plössnig von der Umweltabteilung der Tiroler Landesregierung) dann darf ich doch hier zumindest auf Herrn Haidenberger von den Osttiroler Grünen antworten: Der Matreier Bürgermeister und VP-Bundesrat Andreas Köll hat Recht behalten: Die Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission akzeptiert nur wissenschaftlich -fachliche Natura2000-Ausweisungen und Gebietsabgrenzungen, aber keine politischen.

Das fachliche Problem dabei: ..Tirol hat das ganze Virgental und Iseltal (über 53 km Flußlänge der Isel bis Lienz) auch in jenen Abschnitten „politisch“ gemeldet, wo es wissenschaftlich überhaupt keine Tamariskenvorkommem gibt bzw. aus Gründen der Flußdynamik geben kann, damit auch keine potentiellen.

..Tirol hat hingegen jene Flußabschnitte „politisch“ nicht gemeldet, in denen - wissenschaftlich eindeutig belegt - mehr als 50 %(!) aller Osttiroler Tamariskenvorkommen nachgewiesen sind: Dies betrifft insbesondere den Kalserbach und weitere Abschnitte der Schwarzach.

Der Tauernbach stellt kein fachliches Problem dar, weil sich die einzigen, dort wissenschaftlich nachgewiesenen Tamariskenvorkommen, auf die Ausläufer der Proßeggklamm beschränken und nur wenige hundert Quadratmeter betragen. In der Proßeggklamm selbst können, aufgrund der dortigen Flußdynamik, nicht einmal potentielle Vorkommen angenommen werden und im Oberlauf des Tauernbaches wurde überhaupt kein FFH-Lebensraumtyp 3230, „Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria Germanica“, nachgewiesen. Die einzigen Vorkommen im Tauerntal liegen nicht am Tauernbach, sondern am Froßnitzbach und betragen gerade mal 140 Quadratmeter...

Das politische Problem dabei: Man hat mit dieser Vorgangsweise fachlich nicht nur die EU-Kommission provoziert, sondern politisch einen Großteil der fast 12.000 Bewohner eines ganzen Tales mit sieben, eigentlich stets „tiefschwarzen“ Gemeinden, von Prägraten am Großvenediger bis Oberlienz beleidigt, völlig unnotwendigerweise.... Und jetzt muss man auch noch fast 4000 Menschen in drei Deferegger Gemeinden und in Kals am Großglockner vergrämen, weil geltendes EU-Recht nichts anderes zulässt: Natura2000 ermöglicht keine Ausnahmen aus politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen: Die Verpflichtung zur Ausweisung und exakten Gebietsabgrenzung besteht entweder wissenschaftlich-fachlich, oder sie besteht nicht!

Die daraus wieder resultierenden politischen Probleme sind hingegen keine solchen, die den „Grünen“ schlaflose Nächte bereiten werden, weder in Osttirol, noch in Innsbruck...

 
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    Gerhard Pirkner
    vor 7 Jahren

    Wir würden sehr gerne über den aktuellen Stand der Natura 2000-Diskussion berichten, haben aber weder das Schreiben von Franz Vassen noch die gestrige Reaktion der Landesregierung darauf erhalten – trotz mehrmaliger Anfragen im Pressebüro des Landeshauptmanns.

    Nachdem wir als unabhängiges Medium ohne verwandtschaftliche Kontakte nach Virgen oder politische Seilschaften in Innsbruck nicht immer in der Lage sind, über "informelle Kanäle" an überprüfbare Informationen zu kommen, gab es bislang dazu auch keine Berichterstattung. Doch keine Sorge: wir werden wie in den vergangenen Jahren dem Thema Natura 2000 noch breiten Raum widmen, falls die Diskussion tatsächlich wieder aufflammen sollte.

     
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kritisch
vor 7 Jahren

Da können Blanik und Co. alle mal hin gehen, um zu erkennen, dass dieser Zersiedelungs- und Zu-Betonierwahnsinn nicht die Zukunft sind. Find ich ja witzig, dass es gerade in der RGO Arena stattfindet, wo doch die Genossen dort unten auch alles aufgekauft und zugebaut haben und weiter bauen werden. Ohne dass man endlich mal weiß, was mit deren alten Gründen mal passieren soll. Vielleicht können sämtl. Gemeindeverantwortlichen daraus lernen und mit deren Bauwahn mal überlegter umgehen, bevor wirklich keine Grünflächen mehr vorhanden sind.

 
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Rabarber
vor 7 Jahren

Den Bericht über den Alpenforscher Werner Bätzing und sein Referat „Ist der Alpenraum noch ein Ort guten Lebens“ finde ich durchaus interessant und wichtig.

Noch interessanter und wichtiger erschiene mir jedoch eine Berichterstattung über, das dieser Tage eingelangte Schreiben aus Brüssel betreffend die geforderten Natura2000 Nachnominierungen – Printmedien Kleine Zeitung und Tiroler Tageszeitung haben bereits berichtet – denn da geht es tatsächlich um die Zukunft Osttirols………….

 
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    Wundawuzzi
    vor 7 Jahren

    Ja,jetzt wird in Osttirol wohl entgültig die Sonne untergehen!

     
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    thohai
    vor 7 Jahren

    Wäre interessant, wie Prof. Dr. Bätzing die in Osttirol offensichtlich "angstbesetzte" Natura 2000 - Diskussion beurteilt. Vielleicht geht er ja von sich aus darauf ein, sonst wird es am Dienstag ja sicher auch die Gelegeneheit geben, ihn im Rahmen der Diskussion darauf anzusprechen.

     
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