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Viel Technik an der Uni und Schwizerdütsch im Alltag

Andrea Schorn studiert Maschinenbau im vierten Semester an der ETH in Zürich.

Vor unserem Gespräch war ich bereits gespannt, ob mich meine ehemalige Klassenkameradin Andrea im heimatlichen Dialekt oder doch auf „Schwizerdütsch“ begrüßen würde. Sie entschied sich für die erste Variante und das, obwohl sie schon seit rund zwei Jahren in der Schweiz lebt, in Zürich genauer gesagt. Dort studiert die smarte Osttirolerin im vierten Semester Maschinenbau an der renommierten „Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich“ — kurz ETH. Drei Jahre lang dauert das Bachelorstudium, gefolgt von einem zweijährigen Masterstudium. Danach besteht die Möglichkeit, ein drei- bis vierjähriges Doktorats-Studium zu absolvieren, das nicht verpflichtend ist. Auf die Frage, ob dies ihr Plan sei, meint Andrea: „Aktuell habe ich das vor. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob ich das Doktorat in Zürich absolviere. Auf jeden Fall plane ich ein Auslandssemester.“ Sie fasst bereits die USA oder Singapur als mögliche Ziele ins Auge. Aufgrund ihres erstklassigen Maturazeugnisses blieb der 20-Jährigen ein Aufnahmeverfahren an der ETH erspart. In den Hauptfächern Mathematik, Deutsch und Englisch braucht man dafür mindestens ein „Gut“. Der HTL-Abschluss wird von der Zürchern nicht als Matura anerkannt, Abgänger dieser Schule müssen an der ETH eine Aufnahmeprüfung absolvieren, ebenso wie Maturanten mit schwächerem Notenschnitt. Ausgenommen sind Studienbewerber, die in der Schweiz maturiert haben. Bei diesen spielen die Noten, sofern sie positiv sind, keine Rolle.
Andrea Schorn, gezeichnet von Linda Steiner.
Herausragend an ihrem Studium ist für Andrea die Internationalität. Studierende aus Frankreich, Spanien und Belgien sitzen mit ihr in den Hörsälen der Zürcher Hochschule. „Viele Dütsche häts au“, lacht die Osttirolerin, die wenig Freizeit hat, weil ihr Studium lernintensiv ist. Warum Zürich und ausgerechnet Maschinenbau? „Ich war in den Ferien oft in Zürich und von der Stadt immer schon begeistert. Und die ETH zählt weltweit zu den zehn besten technischen Hochschulen“, erklärt mir Andrea. Auch ihr Vater habe in Zürich studiert und Maschinenbau sei deshalb spannend, weil sie sich in der Schweizer Metropole nicht sofort fachlich vertiefen müsse: "Ich kann derzeit noch in alle Richtungen gehen." Das Einleben bei den Eidgenossen sei ihr nicht sonderlich schwergefallen. „In der ersten Woche habe ich kaum ein Wort Schwizerdütsch verstanden, danach wurde es schnell besser.“ Mittlerweile spricht Andrea im Alltag im Schweizer Dialekt mit den Einheimischen. „Peinlich wird es nur, wenn sie mich nicht verstehen“. In der Stadt am See lässt es sich gut leben und auch die Kultur kommt bei Andrea nicht zu kurz. Einmal im Monat steht ein Besuch in der Oper oder im Schauspielhaus auf dem Programm. Der Abschied aus Osttirol fiel der 20-Jährigen nicht schwer. Sie freue sich zwar auf ihre Heimatbesuche, sei aber nie traurig bei der Rückreise nach Zürich. „Osttirols Natur ist beeindruckend, aber in Zürich ist einfach mehr los. Und der Zürichsee ist auch wunderschön.“ Als wir noch gemeinsam die Schulbank im Lienzer Gymnasium drückten, war Andrea eine leidenschaftliche Volleyball-Spielerin. Daher fällt es mir schwer zu glauben, dass sie mit diesem Sport abgeschlossen hat, wie sie mir verrät. „Im ASVZ, dem Akademischen Sportverein Zürich werden für Studierende sämtliche Sportarten angeboten. Es gibt ein tägliches Programm. Dort schau’ ich gerne vorbei.“ In Andreas Studienfach stehen die großen Prüfungen im August an, im Juni und Juli wird deshalb viel gelernt. So bleibe kaum Zeit für einen Trip nach Osttirol. Sehnsucht verspüre sie dennoch nicht, versichert die Studentin. „Wenn, dann vermisse ich manchmal meine Familie, aber sonst habe ich kein Heimweh." Demnächst steht Andrea vor der Entscheidung für einen vertiefenden Spezialbereich. „Momentan schwanke ich zwischen ‚Energy Flows and Processes‘, wo es vor allem um Thermodynamik und Energie geht, und ‚Biomedical engineering‘, einem medizinischen Bereich.“ Auf die Standardfrage nach einer möglichen Rückkehr nach Osttirol gibt Andrea eine Antwort, die wir auch öfter von Studenten hören: „Aufgrund meiner Ausbildung würde ich wohl nur schwer einen Job finden. In der Pension würde ich aber gerne wieder zurückkommen.“ Vorerst steht aber ein erfolgreicher Studienabschluss bei den Eidgenossen im Vordergrund.
In der Serie „Heimweh?“ porträtieren wir junge Menschen aus Osttirol, die außerhalb des Bezirkes studieren oder eine andere Ausbildung absolvieren. Du studierst oder machst eine andere Ausbildung außerhalb Osttirols? Wir porträtieren dich! Schicke uns ein paar Zeilen über dich an redaktion@dolomitenstadt.at und eine(r) unserer jungen Redakteure bzw. Redakteurinnen wird sich melden.
Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner studierte an der FH Joanneum in Graz und ist ein Reporter mit Leib und Seele. 2022 wurde Roman vom Fachmagazin Österreichs Journalist:in unter die Besten „30 unter 30“ gewählt.

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