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Die Alpen – Das Verschwinden einer Kulturlandschaft

Werner Bätzing untermauert mit einem erhellenden Buch seine Rolle als „Alpenguru“.

Vor einigen Monaten erschien Werner Bätzings neuestes Buch, „Die Alpen – Das Verschwinden einer Kulturlandschaft“ und unser Rezensionsexemplar lag ein Weilchen unter einem Stapel von scheinbar wichtigeren redaktionellen Materialien. Scheinbar. Denn der Doyen der Alpenforschung, der auch in Lienz schon vor einer recht großen Zuhörerschaft in der RGO-Arena referierte, legt ein wichtiges Werk vor, das ihn als profunden Kenner jenes innereuropäischen Gebirgsraumes ausweist, dem wir Alpenbewohner uns zugehörig fühlen.

Ein Alpenbuch der anderen Art – und eine ausdrückliche Leseempfehlung. Werner Bätzings Bildband „Die Alpen – das Verschwinden einer Kulturlandschaft“.

Auf den ersten Blick könnte man Bätzings Buch für einen weiteren schönen Bildband über „unsere Berge“ halten, doch bei näherem Hinsehen merkt man schnell, hier nimmt die Kamera keine Rücksicht auf die Wünsche der Tourismuswerber. Im Gegenteil. Wie bei einem guten Porträt, das den Charakter eines Menschen offenlegt, zeigt Bätzings Bildband die ganze Schönheit des Lebensraumes, ohne ihn zu idealisieren oder fotografisch zu verfälschen.

Es ist ein einmaliger Zugang, der nicht der Ästhetisierung der Werbung auf den Leim geht, sondern die Fähigkeit zur Analyse fördert, was sehr spannend und erhellend sein kann. Dieses Buch ist Pflicht für jeden Politiker in den Alpenregionen und für jeden Raumplaner. Aber auch für jeden Naturschützer, denn Werner Bätzing sieht auch den Schutz der Natur differenzierter als es viele, vorwiegend in den Städten lebende, Aktivisten tun. „Nirgendwo sonst zeigt sich das Mensch-Umwelt-Verhältnis in seiner gesamten Bandbreite von Nicht-Eingriffen über Veränderungen über Aufwertung bis hin zu Zerstörung“, schreibt Bätzing und leitet her, wie sich unser Bild von „den Alpen“ kulturhistorisch über die Jahrhunderte veränderte, von der unkontrollierbaren Wildnis über die harmonische Idylle bis zum grenzenlos nutzbaren Freizeitpark.

Werner Bätzing sieht die Alpen nicht als unberührtes Reservat, sondern als vom Menschen mitgestaltete Kulturlandschaft. Foto: Wolfgang Kleiner
 

Bätzings Kernthese offenbart sich schon im Titel des Buches. Er sieht die Alpen nicht als unberührtes Reservat, sondern als vom Menschen mitgestaltete Kulturlandschaft und schreibt: „In vollem Respekt vor der Natur haben die Menschen die Alpen früher für ihre Zwecke tiefgreifend ökologisch verändert, ohne sie zu zerstören. Dies ist keine Unterordnung unter die Natur, aber andererseits auch keine Herrschaft über die Natur (so die beiden Denkfiguren, die uns heute so alternativlos erscheinen) sondern ein dritter Weg im Umgang mit der Natur, der aber meist nicht wahrgenommen wird.“

Dass ausgerechnet in jenem Kapitel, in dem die Alpen als Freizeitpark beschrieben werden, ein Foto aus Osttirol auftaucht, ist eine besondere Ironie. Der „Osttirodler“ hat es nämlich auch ins Buch geschafft als Beispiel für die Transformation von der schönen Landschaft zur Spaßarena, mit technischen Attraktionen, deren Vorbilder die städtischen Freizeitparks sind.

Bätzing befasst sich mit den Ballungsräumen am Fuß und teilweise sogar mitten in den Alpen, mit wachsenden Städten, die dem Umland die Bevölkerung absaugen. Er entlarvt gnadenlos die industrielle Freizeitnutzung etwa in den Gletscherskigebieten, die er aus Perspektiven fotografiert, die nie ein Tourist zu sehen bekommt. Er bekennt sich aber auch zur Nutzung der Alpen, zu einer respektvollen, durchaus modernen Entwicklung von Kultur- und Naturlandschaften, die nicht Gewinnmaximierung für industriellen Tourismus sondern Lebensqualität für die angesiedelte Bevölkerung als Ziel ins Auge fasst.

Der Autor liefert am Ende des Buches mit praktischen Beispielen für eine gelungene Trendwende auch etwas Hoffnung, wenngleich die Skepsis überwiegt: „Wenn die Entwicklung der Alpen so weitergeht wie bisher, dann werden die letzten noch erhaltenen Kulturlandschaften in absehbarer Zeit allmählich verschwinden und die Alpen werden ausschließlich aus verwaldeten und verstädterten Regionen bestehen.“

 
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

Ein Posting

Senf
vor 5 Jahren

ein bauer aus dem iseltal hat einmal geschrieben "man kann ein zetlich bedingtes erscheinungsbild der alpenlandschaft weder erhalten, noch einfrieren". damit hat er den stetigen wandel des landschaftsbildes gemeint, wie er von und durch die natur und dem menschen verursacht wird. mit dem schlussatz von bätzing wird diese auffassung des iseltaler landwirt voll bestätigt. alles andere bleibt wohl träumerei.

 
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