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Das Gebiet rund um das Lucknerhaus am Fuß des Großglockners ist ideal für Lawinentrainings geeignet. Fotos: Simon Baumgartner

Das Gebiet rund um das Lucknerhaus am Fuß des Großglockners ist ideal für Lawinentrainings geeignet. Fotos: Simon Baumgartner

Wenn ein Traumtag im Schnee zum Albtraum wird

Das Projekt mounteen#snow zeigt Jugendlichen richtiges Verhalten bei Lawinengefahr.

Der Jänner dieses Jahres wird wohl als einer der schneereichsten in die Geschichtsbücher Österreichs eingehen. Und wahrscheinlich als einer mit den höchsten Lawinenwarnstufen über einen längeren Zeitraum im fast gesamten Alpenraum. Trotz dieser ständig ausgesprochenen Warnungen kommt es immer wieder zu Verschüttungen – auch mit tödlichem Ausgang. Martin Rainer, Leiter des Austria Alpinkompetenzzentrums Osttirol, sagt dazu: "Grundsätzlich vermitteln Berg- und Schitouren Gefühle der Freiheit und des Glücks. Körperliche Aktivität im Allgemeinen und Bewegung in den Bergen im Speziellen tragen zu einem zufriedenen und gesunden Leben bei. Deshalb fördern wir Bergsport in all seinen Facetten. Aber es ist der Ernstcharakter, der Bergsport von anderen Sportarten unterscheidet. Ein Traumtag kann schnell zum Albtraum werden, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Und derzeit ist in manchen Gebieten das freie Gelände definitiv der falsche Ort. Alle wissen es, in allen Medien gibt es Warnungen. Die meisten verhalten sich auch dementsprechend, verzichten und warten auf günstigere Verhältnisse.“
Martin Rainer leitet das Austria Alpinkompetenzzentrum Osttirol, das mit mounteen#snow Jugendliche vor dem weißen Tod schützen will.
Das Alpinkompetenzzentrum Osttirol, das im Herbst 2006 gegründet wurde und dessen erklärtes Ziel es ist, den Bergsport insgesamt umfassend und nachhaltig zu fördern, hat in den letzten zwölf Jahren über 6000 Osttiroler Schüler der 3. Klassen der NMS oder der Unterstufe des BG/BRG in „Winter Life Camps“ für alpine Gefahren sensibilisiert. Mit mounteen#snow startet nun eine neue Ausbildungsreihe mit einer neuen Zielgruppe. Dieses Mal sind es die Schüler der höheren Schulen und Lehrlinge, denen beigebracht werden soll, wie Lawinenauslösungen durch sorgfältige Planung, sichere Spurwahl und defensives Verhalten im Gelände zu vermeiden sind und wie man mit der eigenen Notfallausrüstung, dem LVS-Gerät, im Ernstfall effizient arbeiten kann, um Leben zu retten.
Mehr als 50 großteils junge Teilnehmer nahmen am Lawinenkurs des Alpinkompetenzzentrums Anfang Jänner in Kals teil.
Das erste Safety Camp dazu fand bereits am 4. Januar in Kals statt.  Das Gebiet rund um das Lucknerhaus war optimal für das mounteen#snow Pilotprojekt des Alpinkompetenzzentrums Osttirol, denn authentische Bedingungen bei einem Safety Camp für Tourengeher und Freerider sind die lehrreichsten. Von den 56 Teilnehmern waren 20 zwischen 13 und 19 Jahre alt und damit waren sie die mounTEENs, um die es in dieser Ausbildungsreihe nun vorrangig gehen wird. "Lawinengefahr ist Lebensgefahr!", lautete die einfache Formel, die die acht Bergführer, Franz Holzer, Roland Schelodetz, Peter Wurzer, Matthias Wurzer, Alois Mariacher, Mathias Außerdorfer, Vittorio Messini und Martin Rainer den Teilnehmern an diesem Tag nicht oft genug sagen konnten. Auch Hans Oberlohr, der Besitzer des Lucknerhauses, wusste das und sperrte sein Haus in den nächsten Tagen kurzerhand zu, um einerseits all seine Gäste in Sicherheit zu wissen und andererseits niemand in Versuchung kommen zu lassen, trotz Lawinenwarnungen ins Gelände zu gehen. Eine sichere Skitour beginnt, gemäß den Experten, nämlich immer schon vor dem ersten Schritt auf dem Schnee. Sie beginnt mit dem Wetter- und dem Lawinenlagebericht zu Hause. Franz Holzer, Alpinleiter des Kompetenzzentrums, fasste in einem einführenden Vortrag die drei wichtigsten Inhalte der Ausbildung zusammen. "Erstens: die Auslösung einer Lawine muss vermieden werden! Zweitens: eine Lawinenverschüttung muss vermieden werden! Drittens: Im Fall einer Verschüttung muss das Auffinden und Ausgraben möglichst schnell erfolgen!" Wichtiger als das LVS-Gerät (das Lawinenverschüttetensuchgerät), die Sonde und die Schaufel, sind also immer noch das Hirn, der Hör- und der Sehsinn. "Wahrnehmen, einschätzen, entscheiden", darum geht es. Die meisten Unfälle passieren übrigens bei Lawinenwarnstufe 3. "Ein einziger Wintersportler kann da einen ganzen Hang in Bewegung bringen. Die Tourenmöglichkeiten sind eingeschränkt. Das Risikomanagement und die Sicherheitsmaßnahmen benötigen viel Erfahrung“, so Martin Rainer.
Ist jemand verschüttet, zählt nur noch eines: Geschwindigkeit. Selbst für Profis und bei guten Rahmenbedingungen eine enorme Herausforderung.
In einem Safety Camp wird also nach einer kurzen Theorieeinheit die Ausrüstung kontrolliert und ausprobiert, mit dem LVS-Check gestartet, die Spuranlage und Spitzkehrentechnik geübt, Triebschnee vom Schwimmschnee unterschieden, sondiert, eingegrabene Piepser werden wieder freigeschaufelt und bei der abschließenden vollständigen Lawinenübung wird auch die Zeit gemessen. Denn die Zeit läuft. Der Mensch kann angeblich 30 Tage ohne Nahrung, drei Tage ohne Wasser und drei Minuten ohne Luft leben. Verschüttete ohne Atemhöhle sterben an raschem Ersticken durch Verlegung der Atemwege durch Lawinenschnee oder Erbrochenem sowie durch eine Kompression des Brustkorbes. Die abschließende Demonstration ließ nochmals allen bewusst werden, wie schwierig eine schnelle Rettung bei Ganzverschüttung ist. Ein Bergführer fuhr in einen simulierten Lawinenhang ein und zeigte, worauf es bei der Kameradenrettung ankommt. Von der Signalsuche über die Grob-, Fein- und Punktortung bis zum systematischen Ausschaufeln und Bergen aus der Lawine dauerte es beinahe acht Minuten. Wenn ein Profi mit Erfahrung schon so lange braucht, welche Chance hat man dann in einer Gruppe von Unerfahrenen und Ungeübten? Das Seminar hat zum Nachdenken angeregt. "Und das ist gut so, denn wir wollen sensibilisieren und das Gefahrenbewusstsein fördern, gleichzeitig aber auch Freude an der Bewegung im Freien vermitteln“, fasst es Martin Rainer noch einmal zusammen. Slideshow: Simon Baumgartner
 
Silvia Ebner ist eine Erzählerin mit Leib und Seele. Ihr erstes Buch „Vom Sterben. Und Leben“ erschien im Sommer 2018 im Dolomitenstadt-Verlag und wurde gleich zum Bestseller. Die Sprachlehrerin arbeitet auch als Journalistin, Theaterautorin und Podcasterin.

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