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Direkt auf die Wand des RLB-Ateliers gemalt – und damit vergänglich – ist diese Arbeit Benjamin Zanons. Fotos: Brunner Images

Direkt auf die Wand des RLB-Ateliers gemalt – und damit vergänglich – ist diese Arbeit Benjamin Zanons. Fotos: Brunner Images

Punktuelle Welten – Benjamin Zanon im RLB-Atelier

Der Künstler „schreibt“ seine zarten Bilder und entschlüsselt so ihren Kontext.

In einem Dolomitenstadt-Interview vergleicht Benjamin Zanon seine Arbeitsweise mit einer Bergtour: „Ich gehe mit einem gewissen Gedanken los und bin dann so in Trance, dass ich aus der normalen Gedankenwelt rauskomme.“ RLB-Direktor Thomas Elzenbaumer nannte es „den kreativen Flow“ in dem sich ein Künstler wohl befinden müsse, der so Aufwändiges, Zeitintensives und Konzentriertes zustande bringe wie der 1981 in Lienz geborene Zanon, dessen Ausstellung im RLB-Atelier am Freitag, 4. Oktober, mit großem Publikumsandrang eröffnet wurde. Wenn Benjamin Zanon malt, ist er jedenfalls ganz bei sich. Dann versinkt der introvertierte Künstler in eine meditative Fokussierung, deren Ergebnis manchen Betrachter vielleicht an chinesische Kalligrafie erinnern. Im chinesischen Buddhismus spielt die Ästhetik der Schrift eine herausragende Rolle, das Schreiben ist nicht nur Selbstzweck, sondern eine Kunstform. Benjamin Zanon steht – bewusst oder unbewusst – in dieser Tradition. Er schreibt viele seiner Bilder.
Kuratorin Silvia Höller erklärt die Arbeitsweise von Benjamin Zanon.
Kuratorin Silvia Höller wies bei der Vernissage auf dieses Typografische in Zanons Kunst hin und öffnete manchem Besucher damit erst die Augen. Nur wer ganz nahe an die filigranen, hauchzarten Kunstwerke herangeht und ganz genau hinsieht erkennt: das ist ja geschrieben! Was aus der Distanz abstrakt und floral wirkt, offenbart sich im Detail als kreisende Wortkaskade. „Schrift, das Alphabet, unsere Fähigkeit, mit so abstrakten Zeichen wie Buchstaben etwas derart Konkretes wie Sprache zu vermitteln, empfinde ich als die genialste Erfindung der Menschheit“, erklärt Benjamin Zanon im Text des zur Ausstellung erschienenen Katalogs.
Geht man ganz nahe an die zarten Bilder von Benjamin Zanon heran erkennt man: sie sind geschrieben!
„Die Schrift ist ja wie ein Schlüssel, der alles Wissen und die Geschichte der Menschheit zugänglich macht.“ Wie Digitalisierung und „soziale“ Medien dieses Jahrtausende alte Zeichensystem verändern, könnte nichts besser erklären als der Titel einer Bildserie im RLB-Atelier: Shitstorm! Bemerkenswert ist auch die größte Arbeit im Raum, die eine gesamte Wand einnimmt und direkt auf diese gemalt ist. Dieses Kunstwerk ist temporär, und wurde von Zanon in tagelanger akribischer Arbeit nur für die Ausstellung in Lienz realisiert. Sehenswert!
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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