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Not macht erfinderisch: Atemschutz made in Osttirol

Aus Feuerwehrmasken baut ein Projektteam medizinische Schutzmasken. Erster Einsatz in Peru.

Buchstäblich außer Atem waren die Gesundheitssysteme vieler Länder in den letzten Wochen der massiven Corona-Pandemie. Neben einfachen Schutzmasken, die erst mit wochenlangen Verzögerungen und auf verschlungenen Pfaden ihren Weg aus China zu den Einsatzkräften und zur Bevölkerung fanden, erwies sich vor allem das Thema Beatmung in vielen Regionen als kritisch, nicht in Österreich, aber zum Beispiel im angrenzenden Italien. Weil dort nicht genügend Beatmungsmasken für akute Coronafälle zur Verfügung standen, wurden kurzerhand Tauchermasken umgebaut und in Beatmungsmasken verwandelt. Technisch erwies sich das als suboptimal, inspirierte aber die Blaulichtorganisationen in Osttirol zur Suche nach einer eigenen, besseren Lösung. „Da Tauchermasken in Österreich eher Mangelware sind, kam uns die Idee, ausgediente Überdruck-Atemschutzmasken der Freiwilligen Feuerwehr in Beatmungsmasken für Krankenhäuser und Krankenanstalten umzufunktionieren“, erzählt Bergrettungsobmann Peter Ladstätter. Wie fast immer, wenn in Osttirol nach innovativen technischen Lösungen gesucht wird, war die Firma Micado in Oberlienz erster Ansprechpartner für die Umsetzung. Ladstätter: „Sie waren sofort von der Idee begeistert und haben in nur zwei Tagen mittels 3D Druck die ersten Prototypen gefertigt!” Bemerkenswert ist an diesem Projekt neben Tempo und Qualität der Umsetzung auch die Netzwerkfähigkeit aller beteiligten Organisationen. Rotes Kreuz und Wasserrettung lieferten Know-how, die Feuerwehr stellte gebrauchte Masken zur Verfügung, das Bezirkskrankenhaus die benötigten Anschlüsse und Virenfilter. „Schlussendlich ist es gelungen, eine Beatmungsmaske zu produzieren, welche unserer Meinung nach den Ansprüchen eines Covid 19 Patienten entspricht“, erklärt Ladstätter als Sprachrohr der innovativen und ehrenamtlichen Projektgruppe, die ihre selbst entwickelte Maske nach einigen Tests an das Gesundheitsministerium schickte. „Nach rund einer Woche wurde uns vom Ministerium mitgeteilt, dass die Lage in Österreich stabil sei und aktuell kein Bedarf bestehe, wir uns aber in einem nächsten Schritt um die Zertifizierung bzw. die Zulassung der Maske als Medizinprodukt kümmern sollten. An diesem Punkt stehen wir derzeit“, sagt Ladstätter.
Variante 1 der in Osttirol entwickelten Maske. Diese Vollvisierversion kann zum Beatmen von Patienten eingesetzt werden.
Diese Variante der Schutzmaske ist für medizinisches Personal konzipiert. Auch sie kann aus ausgemusterten Feuerwehr-Atemmasken mit wenigen, auf herkömmlichen 3D-Druckern leicht herstellbaren Teilen zusammengebaut werden. Foto: Micado/Peter Leiter
Tatsächlich ist die Gruppe aber schon einen Schritt weiter. Die ersten Prototypen werden demnächst in Peru ihre Bewährungsprobe im medizinischen Alltag bestehen. Vermittelt durch Rebecca Frick vom Orden der Barmherzigen Schwestern wurde in der Pfarre Sillian ein Hilfsprojekt gestartet. Ortsbäuerinnen und Jungbauern sammelten Geld, Bergretter Christof Schneider organisierte 1.000 FFP2-Masken und 5.000 MNS-Masken und auch von den neu entwickelten Beatmungsmasken gehen 21 Stück samt Gebrauchsanweisung demnächst an sieben Krankenhäuser in Lateinamerika. Die Umbaukosten der ausgemusterten Feuerwehrmasken finanzierte der Rotary Club.
Die Barmherzigen Schwestern mit dem Mutterhaus in Zams organisieren die Hilfsaktion, bei der Osttiroler Schutzmasken an sieben Krankenhäuser in der peruanischen Provinz Chimbote geliefert werden. Foto: privat
Doch damit nicht genug. Niemand wolle mit diesem in Osttirol entwickelten Produkt Geld verdienen, betonen die Mitglieder der Projektgruppe. „Wir möchten nach erfolgter Zertifizierung diese Masken zur internationalen Hilfe zur Verfügung stellen. Die Firma Micado hat sich bereit erklärt, dann die Bauanleitung kostenlos zu veröffentlichen. Es geht hier nicht darum, mit der Not anderer ein Geschäft zu machen, sondern viel mehr einen möglichen wertvollen Beitrag zur Bewältigung dieser weltweiten Herausforderung zu leisten“, unterstreicht die Projektgruppe. Applaus für das Osttiroler Projekt kommt in der Zwischenzeit auch aus berufenem Mund. Der prominente Münchner Chirurg und Notfallmediziner Roland Huf nahm das Produkt als einer der ersten unter die Lupe und resümiert: „In Italien wurden billige Schnorchelmasken in Verbindung mit einfachen Beatmungsgeräten eingesetzt. Deren Manko ist ihr großer Totraum (also das Volumen zwischen Gesicht und Maske), weshalb diese Masken schon immer von Seiten der Taucherärzte als gefährlich eingestuft wurden. Völlig anders ist die Situation bei den Masken, die bei den Feuerwehren bei Einsätzen mit Umluft unabhängigen Atemschutzgeräten verwendet werden. Deren Bauweise ist aufwändig und auf einem kleinen Totraum optimiert. Anderenfalls wären körperlich schwere Arbeiten, wie sie von den Feuerwehrmännern mit diesen Masken manchmal verrichtet werden müssen, gar nicht möglich. Diese Masken übertreffen diesbezüglich viele der im Handel befindlichen medizinischen NIV Masken. Das Problem mit den unterschiedlichen Abschlüssen kann, wie in den Unterlagen dargelegt, mit modernen Mitteln z.B. 3D Druck gelöst werden. Damit könnten diese Masken auch meines Erachtens in der aktuellen Situation eines sich abzeichnenden Mangels durchaus als sinnvolle Hilfe dienen.“
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

3 Postings

Spanidiga
vor 4 Jahren

Sehr gut...👍 wäre es da nicht möglich...das in jeder Gemeinde bzw. Bezirk solche Masken vorsichtshalber vorrätig sein könnten.

 
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hoerzuOT
vor 4 Jahren

Bravo!!

 
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spitzeFeder
vor 4 Jahren

👍👍👍

 
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