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Corona im Pelz und der Tanz ums Maronistandl

Was man so erlebt, wenn man früh auf den Beinen ist und spät heimkommt.

Patriasdorf liegt ein Stück oberhalb von Lienz. Auf der Sonnseite. Aber du merkst nichts davon, wenn du um sechs Uhr früh aus dem Haus musst.

Gestern stand meine Frau vor der Tür. Ihre Unterhaltszahlung sei fällig. Seit der Krise 2008 traut sie den Banken nicht mehr über den Weg und holt sich das Geld lieber in echt. Andererseits gilt seit Corona nur mehr der bargeldlose Zahlungsverkehr. Also zückte ich meine Bankomatkarte und setzte sie ihr an die Schläfe: 36,4. Euro, nicht Celsius. Ja, ich gebe ihr immer ein bisschen mehr, damit sie nicht so oft kommt. Sie schien darüber ein wenig enttäuscht.

Um diese Zeit triffst du kaum Menschen, außer solche mit Hunden. Hunde, so heißt es in der Verordnung, sollen dürfen, wenn sie müssen. Der brave Bürger jedoch soll nur müssen, wenn er darf. Bin gespannt, wann der Verfassungsgerichtshof das wieder aufhebt. Als erste habe ich meine Nachbarin getroffen, so eine blond gefärbte Endvierzigerin mit exponentiellen Kurven und einem auffallend vibrierenden Dekolletee. Erst als mich das Dekolletee so blöd angeglotzt hat, habe ich bemerkt, dass das ihr Hund war. Den hatte sie sich einfach unter den Pelzmantel geschoben. Camouflage, sozusagen.

„Sie wissen aber schon“, hab ich zu ihr gesagt, „dass man davon Corona bekommt.“ „Von meinem Fifi?“ tat sie erstaunt und kraulte dem Fellknäuel mit ihren langen Fingernägeln den Kopf. „Nur, wenn Sie ihn essen“, beruhigte ich sie, „nein, ich meine den Mantel.“ Entschuldige, aber das musste jetzt sein. Ich bin, weiß Gott, kein Tierliebhaber, aber da, wo die Viecher herkommen, das Postzentrum Hagenbrunn ist dagegen das reinste Luxushotel. Oder glaubst du, die hat ihren Pelzmantel beim Tierschutzverein in der Pfister gekauft?

Dann bin ich noch einem begegnet, dem sein Hund war das genaue Gegenteil von dem Fifi. Da verdoppelst du freiwillig den Abstand. Ich habe ihn zuerst für einen Esel gehalten. Den Hund, nicht den Besitzer. Den Besitzer erst, nachdem er mir zu erklären versucht hatte, dass er die Maßnahmen der Regierung für überzogen hält. Vor allem die Schließung der Gastronomie. Dort sei nämlich nachweislich noch nie was passiert. „Ach ja“, wollte ich von ihm wissen, „und warum ist dann jeder Infizierte ein Wirt?“

Das sei alles im Wiener Wahlkampf hochgespielt worden, weil die Wiener die Sperrstunde nicht an die Tiroler angleichen wollten. Die Türkisen in der Bundesregierung hatten behauptet, die Zahlen seien deswegen durch die Decke gegangen, und der Nehammer wollte schon seine Truppen hinschicken. Die Cobra, die Wega, die Kavallerie usw. Das hat er sich dann aber doch nicht getraut. Die Hebein hätte sie nämlich alle entwaffnet! Seit dem 12. Oktober hast du von Wien nichts mehr gehört. Zumindest nichts über Corona.

Ja, der Wahlkampf in Wien. Da lagen die Experten sauber daneben. Der Fellner live und der Rumpold hatten den Strache meilenweit vorn, dreistellig, noch vor dem Blümel. Mit dem Ludwig hat keiner gerechnet. Der Ludwig hat zu jeder Fernsehdiskussion seinen Gesundheitsstadtrat geschickt, und der war mit allen Wassern gewaschen. Der hat so getan, als sei er auf Tirol eifersüchtig, weil dort Corona und in Wien nicht. Dabei hat er immer mit einem Auge seinen Diskussionspartner fixiert und mit dem anderen in die Kamera geschaut. Das ist gut angekommen beim Wähler.

Dem Strache hat seine Verwandtschaft stark zugesetzt. Der von der FPÖ, wie hieß der gleich? Brutus, genau! Der Strache hat ihn immer „mein Sohn“ genannt. Nach der Wahl hat ihm der Strache mit einem weiteren Shakespearezitat Rache geschworen: „Bei Philippa sehen wir uns wieder!“ Aber daraus ist auch nichts geworden. Die Philippa hat sich mit einer Ansprache im Parlament von ihm distanziert. Auf Hochdeutsch, weil sie nicht so gut wienerisch kann: „Schleich dich, du …“ hat sie, so, dass alle es hören konnten, gesagt. Und die Rendi-Wagner beide Daumen nach oben.

Am Abend vor dem Lockdown bin ich schnell noch ins Wirtshaus gegangen. Dort war nicht viel los. Ganze zwölf Gäste, Hobbyfußballer vermutlich, samt Trainer, und alle am selben Tisch. Dort haben sie mit ihren Bierkrügen die Abstandsregeln geübt: „An Meta vor, an Meta zruck, zammzammzammzamm …!“ Um 22.00 Uhr war dann Schluss. Vor dem Lokal aber bot sich mir doch noch ein schauriges Bild. Mindestens dreihundert Menschen, hauptsächlich Geschäftsleute der Oberen Altstadt, tanzten in bizarren Bewegungen um den Maronistand am Johannesplatz und schwenkten dazu ihre Masken. „Ausläuten“ nannten sie das.


Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker, Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt und Autor. Während des Lockdowns im Frühjahr hielt uns sein Corona-Tagebuch bei Laune, doch mittlerweile kritzelt Rudi seine Notizen einfach an den Rand der Ereignisse, also dorthin, wo die offizielle Berichterstattung ein Ende hat. Wir präsentieren in unregelmäßigen Abständen „Rudis Randnotiz“.

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

16 Postings

Majo
vor 3 Jahren

Grandios, danke und weiter so !!!

 
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Gotwald1
vor 3 Jahren

@rebuh Leider ist es nicht möglich, direkt auf Deine Antwort zu antworten. Grundsätzlich zielten meine "Mutmassungen" nur auf Fredi's :"300 Leute und kein Coronafall.... hätte man sicher was gehört." Von angeführten Mutmassungen hat man offiziell auch nie was gehört. Nachdem ja medial immer noch auf den Urlaubsrückkehren als Virusimporteuren rumgeprügelt wird, was nach 3 Monaten fast unwahrscheinlich ist, bleibt halt immer noch zu bedenken, das die Dynamik eines Exponentielles Wachstum bitte nicht zu unterschätzen ist. Erst ist Wochenlang kaum was zu merken, bis es explosionsartig los geht! Lienz hat heute 112 pos. getestete. Osttirol 481, auf die USA grösse umgelegt 240.000 (USA selber hatte gestern 180.000). Der Maronitanz ist Morgen 14 Tage her, ev. habe ich mich gestern doch getäuscht? Zudem gab es ja in div. Sozialen Medien Aufrufe zum "austrinken"! Das gab's dann wohl auch in den hintersten Tälern. Allerheiligen ist auch ein Faktor X! Zudem hört man von Fällen pos. Erkrankter - die ohne Test - in selbstauferlegter Quarantäne zu Hause "Vasteckele spielen". Dr. Walder erwähnte dazu ja die nicht verfolgbaren Cluster. Zusteller, die zu zweit im Auto sitzen, einer Pos. geht in Quarantäne, der Kollege - Herr K1 - fährt mit neuem Kollegen weiter, bleibt zu hoffen das die Firma hierzu keine Weisung rausgegeben hat. Ich hoffe wirklich, das Osttirol's Verläufe mild und ohne Folgeerscheinungen bleiben mögen. Entschuldigen möchte ich mich bei Herrn Ingruber, das meine Posts ausser Maronitanz nix mehr mit seinem tollen Text zu tun hat. "Bleibts ma olle gsund, weil es weat enger! "

 
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    bergfex
    vor 3 Jahren

    Es gehört nicht hierher , aber möchte @Gotwald1 zu bedenken geben, wie es in Lienz bei der Teststrasse abläuft.

    Lienz hat heute 112 pos. getestete.

    Kein Märchen, leider eine wahre Begebenheit.

    Mann! holt sich aus Eigeninteresse einen Termin zum Testen. Am besagten Tag findet er sich bei der Stadion-Teststrasse ein und wartet....und wartet....und wartet. Dann wird es ihm zu bunt und er fährt wieder heim. Am nächsten Tag bekommt er, weil er eben einen Termin hatte und vorgemerkt war, die Nachricht, er wäre positiv. Na wumm.

    So, nun wissen wir auch warum in Osttirol so viele positiv getestet werden. Alle, denen diese Warten auf den Sack geht, werden als positiv eingestuft. Hallo Leute, gehts euch noch??????????😡😡😡😡😡😡😡👺👺👺

     
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bidi
vor 3 Jahren

Lieber Rudi, köstlich wie immer!

 
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aenda
vor 3 Jahren

Muss leider widersprechen, die Hebein hätt niemanden entwaffnet, bei der hätten's höchstens offene Türen eingerannt

 
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Stadtner
vor 3 Jahren

300 Leute und kein Coronafall? Wie haben die das geschafft, weil da hat man nie etwas gehört, wenn etwas gewesen wäre hätte man sicher was gehört.

 
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    Gotwald1
    vor 3 Jahren

    Frage: hat man von Personalfällen im BKH was gehört? Von Fällen in Leitbetrieben? Von Fällen aus Folgeerscheinung eines grossen Sportevents? Oder von Fällen aus Fussball Derbys im Talboden? Meinerseits natürlich nur Mutmassungen, bitte meine Aussage selbst überprüfen, aber irgendwoher muss die Steigerung von 2 auf 402 Fällen in 3 bis 4 Wochen wohl kommen. Von den Maroni allein als Überträger gehe ich mal NICHT aus. ;-)

     
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      rebuh
      vor 3 Jahren

      na lieber gotwald, deine mutmassungen sind ein wenig weit hergeholt, das wir jetzt mitte nov. 400 infizierte haben da wird wohl keinesfall ein grosses sportevent anfang sep. oder div fussballderbys seit ende juli schuld sein. hat nicht unsere bgm vor 1 monat noch lt gemeint osttirol ist anders, frechheit das die gastbetriebe schon um 20 uhr schliessen müssen ( wo ist die eigentlich jetzt) so wie im übrigen tirol. und trotzdem ist unser bezirk was ansteckungen betrifft jetzt österreichweit unter den top 10. und schau mal wo die verhältnismäßig meisten kranken sind, in den hintersten tälern, virgen- villgrattental. die hätten sich ganz sicher nicht bei obigen veranstalltungen angesteckt. ja und das in grossen leitbetrieben mit mehrern hundert mitarbeitern erkrankte vorkommen ist doch völlig normal, warum sollten diese weniger falsch machen als unsere so rüstigen pensionisten die lt. eigenen ausagen schon ganz andere sachen überlebt haben. trotzdem sind sie es die am meisten schon von vorerkrankungen betroffen sind und daher aus eigenem interesse in zeiten wie diesen kürzer treten sollten.

       
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    Nachdenker
    vor 3 Jahren

    Anscheinend war der Maroni stand ein Superspreader, was man so gehört hat in der Stadt.

     
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    Fam A
    vor 3 Jahren

    @Ferdi .....man hat nie etwas gehört, wenn etwas gewesen wäre hätte man sicher etwas gehört...... @Nachdenker.... Anscheinend....Superspreader....was man so gehört hat.... 🤔 Da haben wir wieder das Problem. Der Eine hört dies, der Andere hört das und beide glauben, dass ihr "Hörensagenwissen" genau so stimmt. Zitat Alberto Moravia: Wo Informationen fehlen, wachsen Gerüchte.

     
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bergfex
vor 3 Jahren

Danke , Herr Ingruber...DANKE

 
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isnitwahr
vor 3 Jahren

Herr Ingruber, wenn es Sie nicht geben würde, man müsste Sie glatt erfinden. Vielen Dank für Ihre erheiternden Gedankenspiele.

 
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Wolke
vor 3 Jahren

Herrlich!

Sie zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht und das tut gut!

 
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Irene
vor 3 Jahren

Danke Hr. Ingruber für die amüsante Randnotiz, wieder mal den Nagel auf den Kopf getroffen.

 
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osttirol20
vor 3 Jahren

Ein ausgezeichnetes Kommentar von Herrn Ingruber.

Das traurige an dieser Sache ist jedoch, dass die Situation der Realität entspricht und es sich nicht nur bei einzelnen dieser verantwortungslosen Persönlichkeiten um Regionalpolitiker u.a. auch der NVP und sogenannte wirtschaftliche "Entscheidungsträger" wie "Geschäftsleute" handelte, was auf eine erschreckende Weise deren Moral wiederspiegelt!!!

Frau Blanik wäre gut beraten, wenn sie sich diesen Blödsinn mit dem Christkindlmarkt endlich aus den Kopf schlägt - alles andere wäre ein vollkommener IRRSINN!!!

 
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Gotwald1
vor 3 Jahren

Chapeau & Danke .... mehr der Worte wäre überflüssig!

 
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