Die Klimaerwärmung und die extremen Wetterkapriolen setzen den wenig durchmischten Waldbeständen in Tirol zu. Im Beitrag "Schützt der Wald uns noch?" stellen wir uns die Frage, ob der Wald nicht selbst Schutz braucht. Philipp Gstinig beantwortet die Frage, wie man als Waldbesitzer mit der schwierigen Situation umgeht - und trotzdem die Motivation nicht verliert.
Herr Gstinig, wie kann man sich den Alltag eines kleinen Waldbesitzers vorstellen?
Im Wald ist eigentlich immer was zu tun. Wir müssen regelmäßig verjüngen, indem wir alte Bäume schlägern und neuen Bestand aufforsten. Die jungen Bäumchen mähen wir regelmäßig aus. Wir tun etwas gegen den Wildverbiss und in steilen Lagen empfiehlt es sich, die Bäume zu verpflocken – also sie mit einem Pflock im Hang vor Schneeschub oder auch Steinschlag zu schützen. Wenn wir eine gewisse Dickung im Wald erreicht haben, müssen wir die Bäume freischneiden, damit sie genug Platz zum Wachsen haben. Dazu kamen die Aufräum- und Schlägerungsarbeiten nach den Schäden in den letzten Jahren. Mehr und mehr Landwirte geben aber die Schlägerungsarbeiten an externe Firmen weiter.
Es ist wohl trotzdem genug zu tun.
Ja. Und die Arbeit, die man im Wald macht, sieht keiner. Wir stehen sowohl bei der größten Hitze im Sommer beim Ausmähen im Wald als auch im Winter bei minus zwanzig Grad, wenn die Bedingungen das Holzen zulassen.

„Im Wald bist du einfach frei.“
Philipp Gstinig
Wie haben sich die extremen Wetterereignisse und das viele Schadholz auf die Holzwirtschaft ausgewirkt?
Ohne Förderungen wäre der Wald zurzeit eine reine „Einzahlergeschichte“.Früher hatte man bei Schlägerungen bei uns auf der Lienzer Sonnseite in etwa 35 Prozent Brennholzanteil. Pro Festmeter Brennholz haben wir 32 Euro bekommen. Zurzeit haben wir fünfzig Prozent Brennholz und statt 32 Euro bekommen wir nur noch 12 Euro. Für Holz der Klasse BC haben wir im Schnitt 110 Euro bekommen, derzeit sind es 68 Euro. Im Gegenzug sind die Schlägerungsmaßnahmen und die Bringung von Schadholz viel aufwendiger – der Preis hat sich da um zehn bis fünzehn Euro pro Festmeter erhöht.
Können Sie die Kosten überhaupt noch decken?
Heute ist es – wenn es gut geht – eine Nullsummenpartie. Früher hat man mit dem Brennholz die Schlägerungsarbeiten gedeckt, heute ist das einzige, wo man mit der Schlägerung nicht draufzahlt, das BC Holz, also die zweit- bzw. drittbeste Klasse. Mit den Förderungen können wir die Verluste, die durchs Aufräumen entstehen abdecken, aber nicht das anschließende Aufforsten und so weiter. Wir zahlen Steuern, geben die Waldumlagen an die Gemeinden ab, halten Forstwege instand. Das ist sich bisher mit dem Forstgeld ausgegangen.
Ich habe auch gehört, es würde „zu viel Geld in den Wald gepumpt“. Wie denken Sie als betroffener Waldbesitzer darüber?
Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die sagen, dass jeder Euro, der jetzt in Schutzwald investiert wird, spart das Vielfache an technischen Verbauungen. Außerdem hängt an den Förderungen für die Waldbesitzer ein ganzer Rattenschwanz dran: Auch die Sägewerke, Schlägerungs- und Erdbewegungsfirmen profitieren davon.


„Das ist jetzt eben die Aufbauarbeit für die nächsten Generationen.“
Philipp Gstinig
Ihr Wald ist ein Mischwald – so wie ein klimafitter Schutzwald aussehen soll. Wie sieht die Rechnung aus, wenn man eben nicht nur Fichten pflanzt und alle paar Jahrzehnte Kahlschlag macht?
Fichten setz´ ich auf meinem Betrieb keine mehr. Die Fichte ist zwar der Baum, der bei uns am leichtesten zu vermarkten ist. Er wurde in den letzten Jahrhunderten forciert, das hatte auch seine Berechtigung – denn bis jetzt hat die Fichte perfekt funktioniert. Durch die klimatischen Veränderungen wird sie allerdings zu anfällig.
Wie gut eignet sich das robustere Laubholz rein wirtschaftlich?
Die Vermarktung von Laubholz fehlt bei uns bisher mehr oder weniger total. Aber wenn man jetzt diese Bäume pflanzt, dauert es ja hundert Jahre, bis man sie schlägern kann. Womöglich ist die Fichte dann nicht mehr viel wert, dafür der Bergahorn, die Preise können stark schwanken. Da ist der Mischwald ein Vorteil: Man kann jeweils jene Bäume herausnehmen, die gerade preislich gut gehen.
Trotz aller Schwierigkeiten – mit welcher Motivation kümmern Sie sich um den Wald?
Für die Motivation darf man es nicht zu kurzfristig sehen. Wir haben jetzt drei extreme Jahre hinter uns, was die Zukunft mit dem Klimawandel bringt, wissen wir nicht. Aber wenn meine Vorfahren vor hundert Jahren nicht auf den Wald geschaut hätten, hätten wir jetzt auch nichts. Das ist jetzt eben die Aufbauarbeit für die nächsten Generationen. Auch für die Menschen, die unter einem Schutzwald ihre Häuser stehen haben, tragen wir eine Verantwortung.

Was lieben Sie am Wald?
Im Wald bist du einfach frei, bist in der Natur, in einer gesunden Umgebung – wir dürfen dort arbeiten, wo andere Urlaub oder Sport machen. Es ist eine schwierige Arbeit, keine Frage. Aber wenn man ein bisschen mit der Natur lebt, gibt es nichts Schöneres.
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