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Nostalgie an der Leitung: Die zwölf Lienzer Telefonzellen

Das Gesetz verhindert, dass die Häuschen verschwinden. In Osttirol gibt es noch 55. Video!

Sie wirken wie aus der Zeit gefallen – die silbernen Häuschen mit ihren markanten Dächern. In vielen von uns wecken Telefonzellen Erinnerungen an frühere Zeiten. Im gelben Telefonbuch blättern, genügend Kleingeld aus der Tasche kramen, Münzen einwerfen und durchrasseln lassen und zu guter Letzt den alten Hörer in die Hand nehmen – der letzte Anruf dieser Art dürfte bei vielen schon Jahre her sein. Im Zeitalter der Smartphones werden die Münztelefone kaum noch verwendet. Die k.u.k.-Post bewilligte nach der Jahrhundertwende die ersten „Telephonautomaten“ nach einem Patent des Ingenieurs Robert Bruno Jentzsch. Der erste Münzfernsprecher ging am 17. August 1903 am damaligen Wiener Südbahnhof in Betrieb. Gegen Einwurf von 20 Heller-Stücken waren damit lokale Telefongespräche möglich. Ab 1907 durften Telefonautomaten auch in Kaffeehäusern aufgestellt werden. Ende 1907 waren in Wien 44 Münzfernsprecher aufgebaut und je einer in Trient und einer in Brixlegg. Zwischen 1903 und 1909 wurden in Bahnhöfen, Kaffeehäusern und in öffentlichen Gebäuden österreichweit 97 Telefonautomaten aufgestellt. Ab 1909 durften Fernsprechapparate in Kiosken auch auf der Straße errichtet werden. Ausgestorben sind die Häuschen aber noch lange nicht – in nahezu jeder Gemeinde Österreichs gibt es auch heute noch mindestens eine Telefonzelle. Um die öffentlichen Sprechstellen kümmert sich das Kommunikationsunternehmen A1, die Wartung wird intern koordiniert und von eigenen Mitarbeitern und Privatfirmen durchgeführt. A1 betreibt in Österreich rund 10.000 Telefonzellen, davon knapp 800 in Tirol. Im Bezirk Lienz gab es 2011 rund 140 Standorte - heute sind davon noch 55 in Betrieb, zwölf Häuschen stehen in Lienz. Wirft man 30 Cent in den Schlitz, ertönt auch heute noch das Freizeichen. Wir haben Passanten in der Lienzer Innenstadt nach ihren Erinnerungen an Telefonzellen gefragt: Der Bedarf an Telefonzellen ist im Laufe der Jahre auf Grund der hohen Mobilfunkdichte immer stärker zurückgegangen. Dennoch steht nach wie vor in fast jeder Gemeinde Österreichs zumindest eine Telefonzelle - aufgrund der Universaldienstverordnung“, erklärt A1-Pressesprecherin Sigrid Bachinger. Hinter dieser Verordnung steckt die Verpflichtung für Anbieter, ein Netz erreichbar und leistbar zur Verfügung zu stellen. In Österreich ist A1/Telekom zum Universaldienst und damit zur Versorgung mit Telefonzellen verpflichtet. Festgelegt ist nicht nur, wieviele Telefonzellen es geben muss – auch Notrufnummern müssen kostenlos gewählt werden können und neu errichtete Häuschen barrierefrei sein. „Die Standorte sind oft historisch gewachsen und werden laufend dem Bedarf entsprechend angepasst. Hauptsächlich findet man Telefonzellen an Orten öffentlichen Interesses und neuralgischen Punkten wie z.B. an Bahnhöfen, in Fußgängerzonen usw. Die Nutzer sind hauptsächlich Jugendliche, Handybesitzer mit leerem oder defektem Akku, Menschen mit geringem Einkommen und sehr oft Touristen. Salopp kann man sagen, dass es pro 1.000 Einwohner eine Telefonzelle gibt“, so Bachinger. Münztelefone gibt es aber auch innerhalb von Gebäuden, beispielsweise in Einkaufszentren oder Krankenhäusern. Für nicht mehr benötigte Telefonzellen gibt es oft auch ein „zweites Leben“ in Form einer sogenannten Bücherzelle, wie sie vor der Lienzer Stadtbücherei zu finden ist. Auch für Kunst- und Kulturprojekte werden nicht mehr benötigte Telefonzellen zur Verfügung gestellt. Außerdem werden Telefonzellen auch als Stromtankstellen genutzt. Seit Mai 2010 hat A1 in Österreich knapp 40 Ladestationen für E-Fahrzeuge errichtet. In Osttirol gibt es solche Stromtankstellen oder W-LAN Hotspots noch nicht. Wer in Lienz plötzlich mit einem leeren Handyakku dasteht oder nach diesem Artikel Lust auf ein nostalgisches Erlebnis bekommt, findet an diesen Standorten eine Telefonzelle:
Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner studierte an der FH Joanneum in Graz und ist ein Reporter mit Leib und Seele. 2022 wurde Roman vom Fachmagazin Österreichs Journalist:in unter die Besten „30 unter 30“ gewählt.

2 Postings

gemeiner Waldkauz
vor 3 Jahren

Ich erinnere mich, der Einwurf war 1 Schilling. Ufcdem Telefon befanden sich ein schwarzer und roter Knopf. Den roten drückte man sobald der Angerufene abhob, dann wurde man verbunden und das Geld fiel hörbar in den Sammelbehälter. Den schwarzen Knopf drückte man, wenn man sein Geld zurückbekommen wollte. Und wenn man selbst von einer Telefonzelle am Festnetz, zB im Sommer von Touristen, angerufen wurde und von der anderen Seite nichts hörte, schrie man so manches mal schon "roten Knopf drücken" in die Hörermuschel :)

 
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bergfex
vor 3 Jahren

Tut mir leid, aber mich hat schon immer gegraußt dort einen Höhrer in die Hand zu nehmen. Man sah auch immer wieder Personen, die eine "Schneuzhuder" nahmen um den Hörer in der Hand zu halten.

 
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