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„Wildwiesen“ – Sinnvolle Steuerung oder Bärendienst?

Maßnahme soll Wildschäden für Landwirte reduzieren. Osttirols Bezirksjäger ist skeptisch.

Wildeinfluss auf forstlichen und landwirtschaftlichen Flächen zu reduzieren ist das Ziel sogenannter „Wildwiesen“. Gemeinsam haben Landwirtschaftskammer, Jägerverband und Landesforstdirektion dazu ein Projekt ausgearbeitet, das Möglichkeiten zur Schaffung solcher Flächen aufzeigen soll. „Um Schäden durch Wildverbiss zu reduzieren, wurde das Projekt Wildwiesen ins Leben gerufen. Dadurch soll eine Lenkung auf weniger wertvolle Flächen erfolgen, wodurch die landwirtschaftlich genutzten Flächen geschützt werden“, erklärt LK-Präsident Josef Hechenberger. Für die Umsetzung solcher Wildwiesen sei nach Ansicht der Initiatoren der laufende Austausch zwischen Grundeigentümern und Jagdpächtern wichtig. Gemeinsam lasse sich beurteilen, welche Flächen geeignet und auch für die Grundeigentümer sinnvoll sind. Für die Betreuung der Fläche und die Kosten für Saatgut ist die Jägerschaft zuständig. Die Nutzungsrechte sollen beim Grundeigentümer bleiben, der die Verwendung als Wildwiese auch jederzeit widerrufen könne.
LK-Präsident Josef Hechenberger, Landesforstdirektor Josef Fuchs und Landesjägermeister Anton Larcher auf einer Wildwiese bei Telfs. Sie dient als „Pilotfläche“ für das Projekt. Foto: LK Tirol
Hechenberger hofft, dass im ersten Jahr einige Wildwiesen entstehen. Laut Landesjägermeister Anton Larcher würden sie auch zur gezielten Bestandsregulierung beitragen. Als Wildwiesen könnten Wegränder und -böschungen, ungenutzte Holzlagerplätze, Fütterungsbereiche, aufgelassene Pisten, Lifttrassen oder ungenutzte Almflächen fungieren. Sobald die Grünfläche Futter hervorbringt, würde das Grün das Wild von schadensanfälligen Flächen auf die ungenutzte Äsungsfläche locken. Soweit die Theorie.
Osttirols Bezirksjägermeister Hans Winkler sieht für die Wildwiesen kaum Erfolgschancen. Foto: Privat
Dass man mit diesem Konzept Erfolg hat, glaubt Osttirols Bezirksjägermeister Hans Winkler nicht. „Das funktioniert vielleicht auf dem Marchfeld, da macht das auch Sinn. Wir haben aber in Osttirol eine offene Landschaft, da wäre das Reh ja dumm, wenn es die Felder plötzlich meiden würde. Wir können das Wild nicht auch noch von den Grünflächen vertreiben“, sagt der Bezirksjäger. Vor allem von Kornfeldern würde man die Tiere ohnehin nicht wegbekommen. Winkler wisse auch nicht, wo man in Osttirol abgesehen von Böschungen „Wildwiesen“ anlegen könnte.
Die Geburten vieler Rehkitze fallen meist in das gleiche Zeitfenster wie die erste Mahd der Landwirte. Mähwerke stellen für die jungen Tiere eine große Gefahr dar. Foto: Unsplash/Erika Fletcher
Für ein anderes „Wild-Problem“ kennt der Jäger aber eine erfolgreiche Lösung. Sogenannte „Rehkitzretter“ sollen die Jungtiere vor dem Tod durch ein Mähwerk bewahren. Die Tiere verfolgen bei einer Bedrohung nämlich die Strategie, an ihrem Platz regungslos zu verharren und sich möglichst unsichtbar zu machen. Das klappt gut, wenn die Gefahr von einem Beutegreifer ausgeht. Rollt jedoch ein Mähwerk an, kann das fatale Folgen haben. Die Tiere können verschiedene Gefahrenquellen nicht unterscheiden und flüchten auch vor Mähwerken nicht. Im Mai und Juni werden nicht nur die meisten Rehkitze gesetzt, auch die erste Mahd der Landwirte steht in diesen Monaten an. Wegen diesem unglücklichen Timing sind Konflikte vorprogrammiert. Schätzungen zufolge fallen in Österreich jährlich bis zu 25.000 Rehkitze den Mähwerken zum Opfer.
Vergrämungsgeräte werden in Osttirol immer beliebter. Foto: Winkler
Die Osttiroler Jägerschaft um Hans Winkler will die Rehkitze besser schützen und empfiehlt den Bauern im Bezirk seit rund zwei Jahren sogenannte Vergrämungsgeräte. „Man stellt diese Geräte zwei bis drei Tage vor der Mahd in die Felder. Sie senden akustische und optische Signale aus“, erklärt Winkler. Nehmen Rehgeißen Veränderungen im Gebiet wahr, könne dies dazu führen, dass sie ihr Kitz holen und es an einem anderen Ort ablegen. Das Interesse der Osttiroler Landwirte an diesen Geräten steigt und das zeigt Wirkung. Im letzten Jahr kamen viele „Rehkitzretter“ zum Einsatz, seither sank die Zahl der toten Rehkitze in der Landwirtschaft um ein Drittel.
Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner studierte an der FH Joanneum in Graz und ist ein Reporter mit Leib und Seele. 2022 wurde Roman vom Fachmagazin Österreichs Journalist:in unter die Besten „30 unter 30“ gewählt.

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