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Ukraine: Entsetzen über Massaker in Butscha

EU will die Sanktionen weiter verschärfen. Moskau weist jede Verantwortung von sich.

Nach den Kriegsgräueln in der ukrainischen Stadt Butscha mit mutmaßlich mehr als 300 getöteten Zivilisten bereitet der Westen noch schärfere Sanktionen gegen Russland vor. Beteiligt ist neben der EU auch die Gruppe sieben führender Industrienationen (G7), in der Deutschland derzeit den Vorsitz führt. Moskau weist die Verantwortung für das Massaker in Butscha zurück. Die EU werde "dringend die Arbeit an weiteren Sanktionen gegen Russland vorantreiben", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag. "Die Massaker in der Stadt Butscha und anderen ukrainischen Städten werden in die Liste der auf europäischem Boden begangenen Gräueltaten aufgenommen", sagte Borrell. Die EU verurteile die mutmaßlich von russischen Streitkräften begangenen "Gräueltaten" aufs Schärfste. Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) deutete an, dass die neuen Strafmaßnahmen noch diese Woche in Kraft treten. Einen sofortigen Stopp von Gas-, Öl- und Kohlelieferungen aus Russland lehnt die deutsche Bundesregierung am Montag aber weiterhin ab. Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach sich Montag im Ö1-Mittagsjournal gegen ein Embargo für russisches Gas aus. "Wir haben immer gesagt bei Sanktionen, dass sie diejenigen treffen sollen, auf die man abzielt und nicht auf uns zurückfallen sollen als Bumerang", so Schallenberg. Dies wäre bei Gaslieferungen der Fall. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) forderte einen unverzüglichen Zugang für das UNO Menschenrechtsbüro, um die Beweissicherung in Butscha aufzunehmen. "Diese Dinge gehören vor entsprechenden Gerichtshöfen abgeklärt. Das zweite ist natürlich, dass die Sanktionspakete jetzt noch einmal massiv verschärft werden", so Kogler.
Das Entsetzen angesichts hunderter hingerichteter Menschen ist schwer beschreibbar. Foto: APA
Das Entsetzen über die Bilder aus Butscha - einer Vorortgemeinde der ukrainischen Hauptstadt Kiew - ist weiterhin groß. Dort waren am Wochenende nach dem Rückzug der russischen Truppen Hunderte Leichen entdeckt worden. Manche lagen mit gefesselten Händen auf der Straße. Die Zeitung "Ukrajinska Prawda" meldete unter Berufung auf einen Bestattungsdienst, bis Sonntagabend seien 330 bis 340 leblose Körper eingesammelt worden. Auch in anderen Gemeinden in der Umgebung Kiews wurden Todesopfer entdeckt. Die Ukraine macht für das Massaker in Butscha russische Truppen verantwortlich, die vor einigen Tagen abgezogen waren. Moskau bestreitet das und spricht von "Fälschung". Die Suche nach weiteren Opfern dauerte auch am Montag an. Die ukrainischen Behörden waren weiter dabei, Spuren zu sichern. Dabei sollen sie in den nächsten Tagen internationale Hilfe bekommen. Mehr als 280 Tote wurden bereits in einem Massengrab beigesetzt. Das russische Präsidialamt wies sämtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit getöteten Zivilisten in der Stadt Butscha kategorisch zurück. Die Fakten und der zeitliche Ablauf der Vorkommnisse entsprächen nicht der ukrainischen Darstellung, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Deshalb sollten Anschuldigungen der ukrainischen Seite angezweifelt werden und internationale Politiker keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow beschuldigte die Ukraine angesichts der Vorwürfe von Kriegsverbrechen, die Lage in Butscha inszeniert zu haben. Es handle sich um einen "erfundenen Angriff" mit dem Ziel, Russland zu diskreditieren, sagte Lawrow am Montag laut der Nachrichtenagentur Tass. Die Bilder von Leichen seien von der Ukraine und westlichen Ländern über die sozialen Medien verbreitet worden. Lawrow forderte zudem Großbritannien auf, seine Aufgaben im UN-Sicherheitsrat zu erfüllen. Das Land, das derzeit den Vorsitz des Gremiums hält, hat den russischen Antrag auf Einberufung einer Sicherheitsratssitzung bereits am heutigen Montag zurückgewiesen. Die Sitzung soll stattdessen am Dienstag stattfinden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte die Befürchtung, dass sich nach dem Massaker in Butscha noch "schrecklichere Dinge auftun könnten". Andere Regionen des Landes stünden noch unter russischer Kontrolle. Dort könnten "noch mehr Tote und Misshandlungen" bekannt werden. Nach ukrainischen Angaben wurden mehr als 140 von 410 geborgenen Leichen aus der Region Kiew obduziert. "Das ist eine Hölle, die dokumentiert werden muss, damit die Unmenschen, die sie geschaffen haben, bestraft werden", erklärte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte, Russland vor der internationalen Justiz wegen Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen. "Es ist klar, dass es heute ganz klare Hinweise auf Kriegsverbrechen gibt. Es war die russische Armee, die in Butscha war", sagte Macron am Montag dem Radiosender France Inter. Zugleich bot er Hilfe bei den Ermittlungen an. In anderen Teilen der Ukraine gingen die Kämpfe weiter. Die Städte Odessa und Mykolajiw meldeten neue russische Raketenangriffe in der Nacht zum Montag. Von russischer Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung. Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete aber von Attacken auf Stellungen der ukrainischen Armee. Der Krieg dauert inzwischen schon fünfeinhalb Wochen. Auch die Debatte um Deutschlands Rolle in den Beziehungen zu Russland ging weiter. Selenskyj lud Deutschlands Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Reise nach Butscha ein, um sich ein Bild ihrer "gescheiterten Russland-Politik" zu machen. Die CDU-Politikerin verteidigte jedoch die Entscheidung von 2008, die Ukraine nicht in die Nato aufzunehmen. "Bundeskanzlerin a. D. Dr. Angela Merkel steht zu ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel 2008 in Bukarest", teilte eine Sprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

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