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Ein kühles Blondes in der Wüste? „O ihr Gläubigen, all das ist des Teufels Werk.“ Foto: Saj Shafique/Unsplash

Ein kühles Blondes in der Wüste? „O ihr Gläubigen, all das ist des Teufels Werk.“ Foto: Saj Shafique/Unsplash

Die WM beginnt und ich bin durstig wie ein Kamel 

Mein Wirt verzichtet auf die Fernsehübertragung, dafür schenkt er Bier aus. In Katar ist es umgekehrt.

„Die Stunde wird kommen, ja sie ist schon da ...“, sagte Jesus zur Samariterin, die ihm am Jakobsbrunnen zu trinken gab.

„Die Stunde wird kommen“, sagt auch mein Wirt, der gerade dabei ist, ein neues Fass anzuschlagen. Auf den zweiten Teil des Bibelzitats muss er vorerst verzichten. Er besitzt schließlich nicht die Gabe der Prophetie. „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr durstig sein“, so Jesus weiter. Ähnliches lässt sich von dem Getränk, das mein Wirt mir kredenzt, nicht behaupten. Deswegen kredenzt er es ja! Das nenne ich christlich!

Im Islam ist Alkohol streng verboten und das Glücksspiel genauso! „O ihr Gläubigen, all das ist des Teufels Werk. Ihr sollt es meiden, damit ihr wahren Erfolg erzielt", heißt es in Sure 5,90 meiner Koranausgabe. In Katar scheint man eine andere Ausgabe zu Rate gezogen zu haben, denn was wäre die Weltmeisterschaft für die Fußball-Nationalmannschaft von Katar anderes als ein Glücksspiel? Die Nominierung als Austragungsort hatte hingegen nichts mit Glücksspiel zu tun. Die wurde vom Emirat nämlich redlich bezahlt!

Die Fußballnationalmannschaft von Katar liegt auf Platz 50 der Weltrangliste und wird bald von Saudi Arabien eingeholt werden. Dafür hat Katar gegenüber Saudi Arabien in puncto Pressefreiheit die Nase vorn! Österreich liegt im Fußball ein bisschen, bei der Pressefreiheit ein ganzes Stück und bei den Heizkosten gleich Galaxien vor Katar. Warum der CO2-Ausstoß in Katar trotzdem das Fünffache von Österreich ausmacht, ist wohl kaum damit zu erklären, dass man dort mehr Fußball trainiert. Ein bisschen vielleicht.

Mein Wirt, der Transgenderbeauftragte der heimischen Gastronomie, hat nun ganz gegen seine Gewohnheit beschlossen, heuer kein einziges Weltmeisterschaftsspiel auszustrahlen. Dafür schenkt er Bier aus. In Katar ist es umgekehrt. Hier wird kein Bier ausgeschenkt, zumindest kein alkoholhältiges. Die Zeiten, in denen beides wohlfeil war, sind unwiderruflich vorbei, und man muss sich entscheiden: Will man das eine, muss man auf das andere verzichten, und man sollte dann ganz genau wissen, warum.

Ich für meinen Teil habe nun ganz gegen meine Gewohnheit beschlossen, auf die WM zu verzichten und mich stattdessen mit Menschenrechtsaktivisten, Klimaschützern und Leuten, denen die schönste Nebensache der Welt ohne Angabe von Gründen schon immer am Dings vorbeiging, bei meinem Wirt zusammen- und auseinanderzusetzen. Dort werden wir trinken, diskutieren und uns bei weniger populären Spielen vergnügen: „Die Siedler von Catan“, die wir in „Die Einwanderer nach Katar“ umbenannt haben, oder „Stone Age“, um, sollte die Fußballweltmeisterschaft einmal in Österreich veranstaltet werden, genauer vorbereitet zu sein.

„Osttirol 2025“, ein Spiel zur nachhaltigen Mobilität, oder „Ökolopoly“, das der Systemforscher Frederic Vester 1980 auf den Markt gebracht hat, um uns vernetztes Denken, exponentielles Wachstum und Rückkoppelungsmechanismen, etwa zwischen Bildung und Bevölkerungswachstum, spielerisch zu vermitteln. Pünktlich zu Beginn des zweiten Halbfinales ist ein Pub Quiz geplant, in dem die brennenden Fragen der Menschheit beantwortet werden. Den Gewinn spenden wir dann Amnesty International, dem WWF oder der Stadtwärme Lienz.

„Die Stunde wird kommen, ja sie ist schon da ...“, sagt mein Wirt und stellt mir ein perfekt gezapftes Bier auf den Tisch. Fast hätte ich mich mit „Vergelt‘s Gott“ bedankt.

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

9 Postings

juescho@A1.net
vor einem Jahr

Das Leiden anderer betrachten wäre entschieden wichtiger, als sich mit der Frage zu beschäftigen, welchen Wert hat mein Durst, um den Fußball am Leben zu erhalten. Wir haben andere Sorgen, Ängste und auch Nöte, die uns noch lange den Atem nehmen, der Hick-Hack um den Scheiß-Krieg in der Ukraine kann auch die WM nicht überdecken, es sei denn, man verrechnet die toten Bauarbeiter gegen die Soldaten, es sein denn, man fängt endlich einmal an, das Wesentliche von Unwesentlichen zu unterscheiden! Ich kann nicht Prost sagen!

 
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    Herr_Ethiker
    vor einem Jahr

    Da ist mal wieder jemand unterwegs, der/die genau weiß, wie man Gedanken in Worte fassen muss. Ich verstehe kaum etwas, kann aber auch an mir liegen.

     
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      Photon 07
      vor einem Jahr

      Guten Morgen? TIPP; es einfach mal, mit einem etwas komplexeren Algorithmus probieren - der kann dann auch, Gedanken in Zahlen fassen.

       
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Chronos
vor einem Jahr

Amüsant und abgefahren lustig! Schon mal nachgedacht ein Kabarett-Programm "Rudis Randnotizen" anstelle der WM auf die Füße zu stellen? Ich bestelle mir heute noch Karten, lieber Herr Ingruber.

Grotesk die WM in Katar! Die WM-Fußballspiele im TV anschauen werde ich wohl boykottieren.

Die Veranstaltungskosten inkl. Infrastrukturen sollen angeblich die sagenhafte Summe von 200 Milliarden US-Dollar überschreiten. Was man alles Gute damit anstellen hätte können!!! Obwohl sich Katar die billigsten Arbeitsmigranten mit totaler Ausbeutung geleistet hat, übersteigt die WM Katar bei weitem die Kosten aller 21 Fußball-Weltmeisterschaften zuvor. Wieviel Leid mit den Arbeitern aus Asien verbunden ist, zeigen die vielen Arbeitstoten! Alles auf Kosten der Super-Reichen! Und die Bosse der FIFA miteingeschlossen – "Brot und Spiele"! Schlimmer als in der Hochkultur der Römer...

Ein Hohn auf die Menschheit, Menschlichkeit und auf die Energiekrise – während die Ukrainer keinen Strom haben und frieren, die Europäer bei 19 °C Raumtemperatur arbeiten, werden alle riesigen Fußball-Stadium in der Hitze Katars auf 26°C (sowohl für die Zuschauer und am Rasen für die Spieler) heruntergekühlt - ein Affront sondersgleichen!

 
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    Godmensch
    vor einem Jahr

    ein bischen spät das Ganze

     
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      c.haplin
      vor einem Jahr

      Ich bin da ganz bei ihnen... man hätte mit diesem Katarübertragungsverzicht, in r.ingrubers Stammlokal, durchaus auch schon vor der ersten Übertragung aus Katar starten können. Das wäre ein echtes Statement gewesen!

       
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      Chronos
      vor einem Jahr

      Gerade von Ihnen, @c.haplin, hätte ich etwas Schöpferisches erwartet.

      Ich verstehe r.ingrubers Stammlokal und falls es das tatsächlich gibt, jedenfalls sein humorvolles "Gschichtl" rundherum als Art Metapher! Selbst wenn Sie, c.haplin, das so nicht erkennen, hat die Redaktion von "dolomitenstadt" Rudis "Randnotizen" noch kurz vor dem Eröffnungs-WM-Spiel veröffentlicht!

      Wie Sie oben sehen, kritisiere ich die WM in Katar! Das kann man als Art Akzismus (rhetorisches Stilmittel – Ich lehne etwas ab, oder täusche Gleichgültigkeit vor "WM Spiele boykottieren", obwohl ich das eine oder andere WM-Spiel gerne schauen würde...) Meine Kritik an der Vergabe der WM an Katar bleibt trotzdem aufrecht!!! Also, ich verstehe Sie deshalb nicht!? Ist r.ingrubers humoristische Pointierung nicht auch eine Art von Kritik?

      Herr Ingruber – falls von ihm überhaupt gewollt, denn nachdenken und diskutieren über seine Texte, ist auch eines seiner Ziele - könnte Aufklärung darüber geben...

       
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      c.haplin
      vor einem Jahr

      Sehr schön formuliert liebe Chronos! Allerdings am Thema vorbei... wie sich an den von Dolomitenstadt.at großzügigerweise bereitgestellten Pfeilen erkennen lässt, bezieht sich mein Posting auf den Godmensch... lesen sie es mal in dieser Reihenfolge! Sollten sie dann immer noch nicht erkennen, dass ich voll auf ihrer Seite bin, dann entschuldige ich mich aufrichtig für die Themenverfehlung!

       
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bergfex
vor einem Jahr

Herr Ingruber, danke für die tröstenden Worte. Wiedereinmal ein ausgezeichneter Artikel, der einen am Sonntagmorgen zum Schmunzeln bringt.

 
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