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Foto: istock/Thalhofer

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Klimakrise: Daten für eine trockene Zukunft

Dürreperioden in den Alpen häufen sich. Eine Beobachtungsstelle soll besser auf Risken vorbereiten.

Am 13. Dezember ging in Bozen eine internationale Expert:innen-Konferenz zum Thema „Climate Chance and extreme Events in the alpine Area – How to be prepared“ über die Bühne. Gastgeber war das Institut für Erdbeobachtung von Eurac Research. Alexander Jacob arbeitet an diesem privaten Zentrum für angewandte Forschung mit Sitz in Bozen als Geoinformatiker. Er forscht zu künstlicher Intelligenz und Algorithmen und koordiniert als Forschungsgruppenleiter zudem internationale Forschungsprojekte. Wir sprechen mit ihm über die Herausforderungen, die durch zunehmende Trockenheit und anhaltende Dürre auf die alpinen Regionen zukommen.

Alexander Jacob forscht am Institut für Erdbeobachtung von Eurac Research in Bozen. Foto: Eurac Research/Annelie Bortolotti

Herr Jacob, werden sich Dürren, wie jene im Sommer dieses Jahres häufen?

Ja, ich denke schon. Es kommen viele Effekte zusammen und manche davon verstärken sich gegenseitig. Die Höhenlagen erhitzen sich deutlich stärker als der globale Durchschnitt. Viele Studien zeigen klar, dass Schnee früher schmilzt. Auch dieses Jahr hat sich der Schnee sehr früh zurückgezogen. Im Jänner und Februar hat es kaum geschneit. Dabei ist Schnee nicht nur gespeichertes Wasser. Er schützt auch die Gletscher. Durch weniger Schneebedeckung zieht sich das Gletschereis rascher zurück. Auch die Verdunstung denkt man oft nicht mit. Bei höheren Temperaturen verdunstet im Sommer auch mehr Wasser in die Atmosphäre.

Sie haben das Alpine Drought Observatory (ADO) koordiniert. Was ist das?

ADO ist eine Beobachtungsstelle über den Stand von Trockenheit und Dürre im Alpenraum. Entstanden ist es im Rahmen eines Forschungsprojektes, bei dem internationale Wissenschaftler und Praktiker zusammengearbeitet haben. In ADO fließen regionale Wetterdaten, Klimadaten und Erdbeobachtungsdaten ein. Es beinhaltet auch Daten über die Bodenfeuchte, Niederschlagsmenge, Durchschnittstemperaturen, Pegelmessungen in Flüssen und Abflüsse aus Schmelzwasser. Dazu kommen Indikatoren aus der Vegetation, also etwa ob die Blätter feucht genug sind, hinzu.

Was bringt das?

Die Daten, die wir in ADO gesammelt haben, können den Verantwortlichen helfen, politische Maßnahmen abzuleiten. Und sie können auch für mehr Verständnis in der Bevölkerung für gewisse Maßnahmen sorgen. So können Bürger etwa sehen: Die Region, aus der ich Wasser beziehen möchte, hat aktuell selbst wenig oder gar keines. Nachdem wir die Daten zusammengeführt haben, stellen wir uns die Frage: Was bedeuten Dürre und Trockenheit für die Gesellschaft? Was bedeuten sie für die Menschen, für verschiedene Sektoren wie Landwirtschaft, Energie oder Tourismus? Für die Beantwortung haben wir auch historische Berichte einbezogen, von denen die ältesten bis ins Mittelalter zurückgehen. Daraus haben wir Risikoanalysen erstellt.

Es gibt bereits eine europäische Dürrebeobachtungsstelle (European Drought Observatory, EDO) Warum braucht es eine weitere für den Alpenraum?

Das European Drought Observatory (EDO) verwendet standardisierte Klimadaten, wie sie etwa vom europäischen Wetterdienst zur Verfügung gestellt werden. Die Auflösung dieser Daten ist mit einem Messabstand von 30 Mal 30 Kilometern allerdings zu groß, um die alpine Topografie mit ihren hohen Gipfeln und tiefen Tälern korrekt darzustellen. Aus diesem Grund haben wir diese Daten zusammen mit der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) herunterskaliert. So können wir in ADO die Realität in den Bergen und Tälern der Alpen besser darstellen.

Welche Risiken bergen Dürre und Trockenheit und wie muss man diesen begegnen?

Der wichtigste Punkt ist, die Ressource Wasser zu verteilen. Das beginnt mit der Versorgung mit Grundwasser, denn bei längerer Trockenheit sinkt der Grundwasserspiegel. In vielen Fällen muss man hier harte Abwägungen treffen und Prioritäten setzen. Ein Beispiel hierfür kommt aus Südtirol. Die Etsch speist die gesamte Gemüseproduktion weiter südlich in der Nähe des Gardasees. Führt sie wenig Wasser, muss man abwägen zwischen Wasser für den Tourismus sowie Wein- und Apfelproduktion im Norden Südtirols und der Herstellung von Grundnahrungsmitteln im Süden. Im schlimmsten Fall geht es um die Rationierung von Wasser – in der Industrie, im Tourismus und in privaten Haushalten.

Im schlimmsten Fall geht es um die Rationierung von Wasser – in der Industrie, im Tourismus und in privaten Haushalten.

Alexander Jacob, Eurac Research

Dürremanagement ist auch Risikomanagement. So stabilisiert gefrorenes Wasser im Gestein die Gebirge. Tritt es vermehrt aus, können größere Gesteinsmassen abstürzen. Ein weiteres Beispiel beeinflusst Siedlungen, Infrastruktur und die Landwirtschaft. Denn ist der Boden durch Dürre trocken, kann er weniger Wasser aufnehmen. So kann es bei Starkregen zu Sturzfluten und im schlimmsten Fall zu Überschwemmungen kommen. Dürremanagement beinhaltet auch Langzeit-Überlegungen wie: Welche Bäume muss man heute setzen, damit der Wald noch in Jahrzehnten mit der Trockenheit umgehen kann?

Was sind die nächsten Schritte für ADO?

Wir arbeiten nun mit der Datenbasis an Fallstudien. Anhand deren wollen wir herausfinden, ob sich Trockenheit und Dürre regional verschärft und wie deren Muster sich verschieben. Bei einer dieser Studien zur Trockenheit des Sommers 2022 haben wir Daten der deutschen Luft- und Raumfahrtbehörde mit unseren Daten aus ADO verknüpft. In Zukunft wollen wir auch an Frühwarnsystemen und saisonalen Vorhersagen arbeiten.


Link zur interaktiven „Trockenheitskarte“ des Alpine Drought Observatory

Laura Anninger (27) ist freie Journalistin. Sie arbeitet zu den Themengebieten Umwelt, Ökosysteme und Landwirtschaft sowie darüber, wie diese durch die Klimakrise beeinflusst werden. Laura Anninger lebt in Salzburg.

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4 Postings

miraculix
vor einem Jahr

Es ist gut und wichtig, dass solche Daten erhoben werden. Die zitierte Aussage: "Es kommen viele Effekte zusammen und manche davon verstärken sich gegenseitig", greift aber ohne Erläuterungen zu kurz.

Obwohl die Erkenntnisse teilweise seit Jahrzehnten auf dem Tisch liegen, sind sie weiterhin nicht bewusst. Die Entscheidungsträger*innen scheuen sich zudem, das anzusprechen. Der Aufruf zu Einschränkungen ist halt wenig populär ...

Derzeit wird leider kaum ein Ziel mit so viel Nachdruck verfolgt, wie die Strategie: "Weiter wie bisher - koste es, was es wolle"! Bestes Beispiel: Statt Erdgas aus Russland bezieht Europa jetzt halt Erdgas aus Lybien, aus Norwegen, aus den USA und den Golfstaaten (LNG) oder wo immer sonst etwas angeboten wird.

Letztlich ist es der Atmosphäre aber völlig egal, aus welchen Lagerstätten der Erde die CO2 Emissionen durch die Verfeuerung von fossilen Energieträgern kommen, sie wirken immer gleich. Es ist sogar egal, ob das CO2 aus der Verbrennung von Öl und Gas oder aus der Verbrennung von Holz stammt, denn jedes CO2 erhöht die Kozentration in der Atmosphäre und deren bekannte Folgen für das Klima.

Auch der Glaube an den technischen Fortschritt wird nicht die Rettung sein, so lange die Verbreitung von technischen Neuerungen den Energieverbrauch steigert: Mobilität, Information, Landwirtschaft, Produktion, Gesundheit, Freizeit, ... Alles braucht immer mehr Rohstoffe und Energie. Der einzige Weg für die Menschheit, doch noch die Kurve zu kriegen, besteht darin, den Energieverbrauch drastisch zu vermindern, auf welche Art auch immer. Jede*r kehre vor seiner Tür!

 
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e-mission
vor einem Jahr

der po (italien) hat inzwischen wieder normalwasserstand.

 
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    MVP
    vor einem Jahr

    wir waren im juni in der gegend um bolgna zum radfahren und ich fand diese ausgetrocknete gegend und die nicht mehr vorhandenen gewässer bzw flüsse sehr besorgniserregend

     
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      e-mission
      vor einem Jahr

      ich gebe ihnen recht. lokal kommt mir vor, dass drau und isel um diese zeit noch nie so ein armseliges rinnsal waren. besorgniserregend ist, dass bei heftigen niederschlägen diese beiden flüsse innerhalb von 2 tagen schon voll sind. die schneearmen winter und die starkregenperioden verheißen nichts gutes. das ist mir aber schon aufgefallen, als die kleber noch gar nicht auf der welt waren.

       
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