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Nikotinbeutel versprechen einen rauch- und tabakfreien Nikotinkick - die beworbene Verharmlosung süchtigmachender Mittel sehen Expert:innen problematisch. Alle Fotos: Dolomitenstadt/Huber

Nikotinbeutel versprechen einen rauch- und tabakfreien Nikotinkick - die beworbene Verharmlosung süchtigmachender Mittel sehen Expert:innen problematisch. Alle Fotos: Dolomitenstadt/Huber

Harmlos? Nikotinbeutel als „Einstiegsdroge“

Während eine Legalisierung von Snus gefordert wird, schärft der Jugendschutz bei den Nikotinbeuteln nach.

„Kein Rauch, keine Asche, kein Teer“ oder „Mach´s im Zug“: Werbung für Nikotinbeutel findet man derzeit an jeder Ecke, in den Trafiken haben eigene Kühlschränke Einzug gefunden, in welchen die charakteristischen runden Plastikdöschen präsentiert werden. Nikotin in kleinen Beutelchen zwischen Oberlippe und Zahnfleisch über die Mundschleimhäute aufzunehmen, ist nichts Neues: In Schweden hat das „Snusen“ eine lange Tradition, die älteste Snus-Sorte kam dort bereits Anfang des 19. Jahrhunderts auf dem Markt. 

Schweden ist heute auch der einzige EU-Mitgliedsstaat, in welchem Snus verkauft werden darf. Wofür wird in Österreich also geworben? Der Unterscheid zwischen Snus und Nikotinbeuteln liegt in der Füllung der Säckchen: Nikotinbeutel enthalten keinen Tabak und fallen somit nicht unter die EU-Richtlinie, welche den Verkauf von „Mundtabakprodukten“ verbietet.

Im Jahr 2017 wurde das Snus-Ersatzprodukt in Österreich in den Nebenartikelkatalog der Monopolverwaltung aufgenommen und ist seit diesem Zeitpunkt in den heimischen Trafiken erhältlich. Verkauft werden Nikotinbeutel unter anderem auch in Tankstellen und Automaten.

Gekühlt oder ungekühlt, verschiedene Marken und Geschmacksrichtungen: Nikotinbeutel als Snus-Ersatz boomen in den heimischen Trafiken.

Nachschärfung der Gesetze geplant

Die kleinen weißen Beutelchen, die inhalations- und tabakfreien Nikotinkonsum ermöglichen und in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich sind, beschäftigen nun auch die österreichischen Bundesländer, die für ihre jeweiligen Jugendschutzgesetze verantwortlich sind. Denn: Nikotinbeutel erfreuen sich gerade unter Jugendlichen großer Beliebtheit, der Konsum ist im Vergleich zu Zigaretten weit unauffälliger, eine Kontrolle schwierig. 

Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2021 besagt, dass Nikotinbeutel vom Jugendschutzgesetz nicht umfasst sind, auf Grund des fehlenden Tabaks fällt das Produkt auch nicht unter das Tabak- und Nichtraucherschutzgesetz. Vorarlberg hat das Jugendschutzgesetz bereits entsprechend nachgeschärft, nun werden auch in Tirol die Bestimmungen überarbeitet: Der Gesetzesentwurf sieht vor, den Konsum und Erwerb sowie die Weitergabe von jugendgefährdenden Waren um Nikotinbeutel zu erweitern. In Kärnten will man zusätzlich die Bewerbung der Beutelchen verbieten. 

Für Suchtexpert:innen sind solche Regelungen und die Nachschärfung der Gesetze unausweichlich: „Es macht einen großen Unterschied, ob ein Kind bzw. Jugendlicher oder ein Erwachsener diese Nikotinbeutel konsumiert. Sie verändern die Vorgänge im Gehirn der jungen Menschen, verzögern neurologische Entwicklungen und schädigen Organe“, erklärt Mediziner Robert Birnbacher im Rahmen einer Expertendiskussion in Villach und bezeichnet Nikotinbeutel als „Einstiegsdroge“. 

Derselben Meinung ist auch Bianca Gussnig, Suchtberaterin bei der Suchthilfe Tirol in Lienz: „Nikotin macht stark abhängig. Für viele stellt der Konsum von Nikotinbeuteln den Einstieg ins Rauchen dar“, erklärt sie. Besonders wichtig sei, die Auswirkungen des Konsums von Nikotinbeuteln nicht zu verharmlosen, wie es in der Werbung oft geschehe, streicht die Expertin hervor. Zwar wird bei der oralen Nikotinaufnahme die Lunge nicht belastet, die Beutel enthalten keinen Teer und auch sonst weniger gesundheitsschädliche Stoffe als eine Zigarette, Langzeitstudien zu gesundheitlichen Auswirkungen stehen allerdings noch aus. Im Vergleich zum tabakhaltigen Snus wird die Mundschleimhaut etwas weniger belastet, Reizungen des Zahnfleisches sind dennoch möglich.

Nikotin macht stark abhängig. Für viele stellt der Konsum von Nikotinbeuteln den Einstieg ins Rauchen dar.

Bianca Gussnig, Suchthilfe Tirol

„Nikotinbeutel sind in unterschiedlichen Dosierungen erhältlich, teilweise wird mit einem Beutelchen allerdings mehr Nikotin im Körper aufgenommen als mit einer Zigarette“, erklärt Gussnig. Bei einer Überdosierung können Vergiftungserscheinungen wie zum Beispiel Übelkeit oder Durchfall auftreten.

In Trafiken kein Verkauf an unter 18-Jährige

Die Tabaktrafikanten haben sich indes bereits selbst eine strengere Bestimmung für den Verkauf von Nikotinbeuteln auferlegt: Die Standesregelung sieht vor, dass Nikotinbeutel nicht an unter 18-Jährige verkauft werden dürfen, erklärt Hannes Hofer, Geschäftsführer der Monopolverwaltungs GmbH. Auch einige der Hersteller vermerken, dass unter 18-Jährige die Beutelchen nicht konsumieren sollten.

Für die Lienzer Trafikantin Daniela Bachmann ist es daher gelebte Praxis, dass unter 18-Jährige keine Nikotinbeutel ausgehändigt bekommen. Im Verkauf merkt Bachmann einen starken Anstieg in der Nachfrage: „Vor allem die Jugend ab 18, die nicht raucht, kauft Nikotinbeutel."

Vor allem die Jugend ab 18, die nicht raucht, kauft Nikotinbeutel.

Daniela Bachmann, Trafikantin

Immer wieder werde sie auch gefragt, ob man das originale schwedische Snus in der Trafik kaufen könne, meint sie. Das geht natürlich nicht, dennoch ist das tabakhaltige Pendant zu den Nikotinbeuteln in Österreich weit verbreitet: Auch wenn der Verkauf nicht erlaubt ist, sind sowohl die Einfuhr für den Eigengebrauch als auch der Konsum straffrei. Man wisse, dass der Schwarzmarkthandel in diesem Bereich blüht, so Hannes Hofer.

„Generell würden wir begrüßen, wenn der Nikotinkonsum ohne Inhalation legal zugelassen wird“, erklärt Hofer. Auch die Jungen NEOS (JUNOS) fordern schon seit Längerem eine Legalisierung der schwedischen Tabakbeutelchen ab 18 Jahren, um illegaler Beschaffung entgegenzuwirken und einen verantwortungsvollen Umgang zu gewährleisten. Dafür bräuchte es allerdings eine Anpassung der EU-Richtlinien, unterstreichen sowohl die Monopolverwaltung als auch die JUNOS.

Vorerst erfolgt allerdings eine Nachschärfung der Jugendschutzgesetze, auch in der Novelle des Tabak- und Nichtraucherschutzgesetzes soll der Umgang mit Nikotinbeuteln berücksichtigt werden. Die Monopolverwaltung rechnet unter anderem mit einem Verbot des Onlineverkaufs. 

Anna Maria Huber unterrichtet an der International School in Innsbruck und schreibt nicht nur für dolomitenstadt.at sondern auch für die Straßenzeitung 20er. Annas Stärken sind penible Recherchen und die Fähigkeit, komplexe Inhalte in klare und verständliche Artikel zu verwandeln.

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6 Postings

sattmann
vor einem Jahr

B.B. 26.12.2022 😂

 
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alpenelvis76
vor einem Jahr

Besonders angenehm die Beutel ständig irgendwo von Boden aufsammeln zu müssen.

 
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Bergtirol1
vor einem Jahr

Wo beginnt denn die "Sucht" - - und wo ist so manches handeln von "Jugendlichen Erwachsenen" gesundheitsschädlich? Ich bin der Meinung das alles - - egal was - - mit Maß und Ziel sicherlich nicht schädigend wirkt. Egal ob das ein Radler, ein Brieflos, ein Tabakbeutel oder auch nur eine Tafel Schokolade ist - - - über die Menge sollte man doch bitte selbst entscheiden dürfen, man entscheidet sich beim Kauf ja auch dafür oder dagegen!!

 
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    Godmensch
    vor einem Jahr

    Gute Nacht Österreich!

     
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      Bergtirol1
      vor einem Jahr

      Tja @Godmensch und alle anderen "stimmen nicht zu Drücker" - - - stellt euch vor einen Spiegel und reflektiert "euer"Konsumverhalten - - ich bleibe dabei alles mit Maß und Ziel ist noch lange keine Sucht, und schon gar keine Droge!

       
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      Enrico Andreas Menozzi
      vor einem Jahr

      Nikotin ist eine Droge , wie Alkohol , es ist ein Nervengift .

       
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