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Ist die Flutung und Entwässerung unberührter Gebirgstäler unverzichtbar für eine ökologische Energiepolitik? Experten bezweifeln das. Foto: WWF/Sebastian Fröhlich

Ist die Flutung und Entwässerung unberührter Gebirgstäler unverzichtbar für eine ökologische Energiepolitik? Experten bezweifeln das. Foto: WWF/Sebastian Fröhlich

Experte: Energiewende ohne Kaunertal-Ausbau machbar

Eine energiewirtschaftliche Analyse von Jürgen Neubarth stellt den Platzertal-Speicher auch als „Akku“ in Frage.

Dass der Ausbau des geplanten Tiwag-Kraftwerks Kaunertal massive Naturzerstörung zur Folge hätte, gestehen selbst Befürworter ein. Doch immer wieder wird ins Treffen geführt, dass dieser Ausbau unverzichtbar für die Energiewende sei. Dabei geht es um zwei Aspekte: Zum einen natürlich um den erzeugten Strom, zum anderen aber – und dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen – um die Funktion großer Speicherseen als „Akku“ für Sonnen- und Windkraft, die ja nur anfallen, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht.

Dieses Argument entkräftet nun eine Analyse des Energieexperten Jürgen Neubarth im Auftrag des WWF Österreich: Demnach ist das Herzstück des Kaunertal-Ausbaus, der enorme Pumpspeicher samt Staudamm im Platzertal, weder energiewirtschaftlich notwendig, noch dazu geeignet, die Winterlücke bei den Erneuerbaren Energien zu verringern.

„Die Tiwag benutzt das öffentliche Interesse an der Energiewende als Totschlagargument, um den naturzerstörerischen Ausbau des Kaunertal-Kraftwerks durchzuboxen”, kritisiert Bettina Urbanek vom WWF. “Doch die neue Untersuchung zeigt, dass gerade der Pumpspeicher im Platzertal, für den große Moor-Feuchtgebietsflächen zerstört werden würden, nicht alternativlos ist.”

Der WWF fordert daher einmal mehr von der Tiroler Landesregierung den Stopp des Projekts, eine unabhängige Überprüfung technischer und naturverträglicher Alternativen zum Bau des Pumpspeichers sowie die Ausweisung des Platzertals als Naturschutzgebiet.

Bereits hohe Pumpspeicher-Kapazitäten vorhanden

Ende 2021 gab es in Österreich Speicherkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von rund 4.800 Megawatt und Pumpspeicherkraftwerke mit rund 4.100 Megawatt. “Das ist im europäischen Vergleich sehr hoch”, erklärt Energieexperte Jürgen Neubarth. „Österreich hat gemessen an der bis 2030 zu erwartenden Windkraft- und PV-Leistung bereits so hohe Pumpspeicherleistungen, dass zumindest kurz- bis mittelfristig kein weiterer Ausbau erforderlich ist.“

Zudem seien aktuell bereits fünf weitere Pumpspeicherkraftwerke mit rund 1.100 Megawatt Leistung im Bau, weitere Anlagen befänden sich in Planung oder im Genehmigungsverfahren. Neubarth bemängelt, dass beim Thema Netzstabilität neben Pumpspeicherkraftwerken kaum alternative Maßnahmen und Technologien berücksichtigt werden, wie etwa Batteriespeicher, der Ausbau der Netze oder neue flexible Verbraucher wie Elektroautos.

“Pumpspeicher sind nur ein Baustein zur Integration der schwankenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Österreich”, sagt der Experte. „Der Ausbau der Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik darf also nicht automatisch in einen unmittelbaren Mehrbedarf an Pumpspeicherkapazitäten in Österreich übersetzt werden.” Dennoch seien Pumpspeicher wichtig, aber nur mit Blick auf deren Naturverträglichkeit.

Im Klartext: Es sollte so wenig Natur wie möglich zerstört werden. „Aus diesem Grund schaffen die meisten Betreiber vor allem dort Pumpspeicherkapazitäten, wo bereits zwei Speicherseen vorhanden sind”, erklärt Jürgen Neubarth. Das geschehe etwa bei den Kraftwerken Limberg III und Tauernmoos, oder dem Obervermuntwerk II und dem Lünerseewerk II.

“Diese Beispiele zeigen, wie man Pumpspeicherkapazitäten in Österreich naturverträglich ausbauen kann”, erklärt Bettina Urbanek vom WWF. “Und sie zeigen, wie veraltet die Pläne der Tiwag zum Ausbau des Kaunertal-Kraftwerks sind.”


Die vollständige Analyse von Jürgen Neubarth hier zum Download.
 

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10 Postings

Burgi
vor 2 Jahren

Für alle, die das so sehen, wie die Experten: https://www.wwf.at/was-kann-ich-tun/petitionen/petition-kaunertal/

 
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Nickname
vor 2 Jahren

Die Schlagzeile sollte eigentlich "Energiewende ohne Naturzerstörung nicht machbar" heißen. Die Tiwag ist die Handkasse der Tiroler Landespolitik genau deshalb muss diese Kasse immer prall gefüllt sein.

 
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genaugenommen
vor 2 Jahren

Einem Gutachten, dass der WWF oder die Grünen in Auftrag geben, schenke ich genau so viel Glauben wie wenn die TIWAG ein Gutachten in Auftrag gibt!! Gutachter schreiben dass, für dass sie bezahlt werden. Am besten man macht sich selber Gedanken was die Zukunft bring. Dz. benötigt ein Haushalt laut Norm ca. 3500 kWh/Jahr, Wenn wir in Zukunft nur mehr elektrisch fahren, wird pro km ca 0,2kWh benötigen Bei einer Jahreskilometerleistung PRO Haushalt von 17500km wird sich der Strombedarf verdoppeln. Dabei ist der Wert von 3500kWh/Jahr und Haushalt eher zu niedrig angesetzt und die Jahreskilometer von 17500 wird auch Zuwenig sein, wenn man sieht wieviel Autos pro Haushalt vorhanden sind. Medien sollten lieber mehr aufklären und nicht Meinungsbildend berichten.

 
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    F_Z
    vor 2 Jahren

    kurze Frage: auf welche Norm beziehst du dich bei den 3500 kWh/Jahr?

     
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      genaugenommen
      vor 2 Jahren

      3500 wird im und überall herangezogen - nur nicht bei der Preisbegrenzung

       
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      uol87vz
      vor 2 Jahren

      @F_Z muss wohl eine neue ÖNORM sein 😅

       
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    Enrico Andreas Menozzi
    vor 2 Jahren

    Der gute österreichische Hausverstand löst wiedermal alle Probleme . Woher soll auch a ehemaliger Professor mit 25 Jahren Erfahrung im Bereich Energie, darunter berufliche bei einen Welt Konzern wie E.on , nur ansatzweise an den österreichischen Hausverstand rankommen .

    Er hat mit die vorhandenen Daten eine Analyse erstellt , hier werd aber gleich wieder Manipulation unterstellt . Auf der Homepage lese ich auch heraus das er auch an Auftrag der TU Wien hat .

    Hausverstand ist natürlich viel besser bei komplexe Themen wie Energie , depperte Wissenschaft aber auch .

    Sein Lebenslauf .

    DI Dr. Jürgen Neubarth Jürgen Neubarth ist Absolvent der Montanuniversität Leoben, war Mitarbeiter am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung an der Universität Stuttgart und promovierte an der TU Graz im Bereich Erneuerbare Energien. Anschließend war er sieben Jahre im E.ON-Konzern in verschiedenen netz- und energiewirtschaftlichen Positionen tätig. Nach zwei Jahren als Professor und Leiter des Studiengangs „Europäische Energiewirtschaft“ an der Fachhochschule Kufstein ist Jürgen Neubarth seit 2009 Geschäftsführer der e3 consult.

     
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      Senf
      vor 2 Jahren

      @enrico, deine Argumentation dem Ö HV gegenüber ist nicht sauber, die Expertise des Herrn Dr. Neubart meinem Eindruck nach auch nicht, denn auch er unterliegt mehr seinem Blickwinklel, als dem der gebotenen Objektivität in dieser wohl sehr komplexen Materie.

      Einerseits sieht Dr Neubart PSKW mit Stunden/Tagesspeicherung als überholt an, empfielt aber die Prüfung, inwieweit auch in Tirol alternative PSKW-Standorte, weil man sie wegen ihrer Flexibilität für nicht steuerbare Laufkraftwerke benötigt und meint: "Ein aus Systemsicht ggf. notwendige Neubau eines Pumpspeicherkraftwerks in Tirol muss sich daher nicht auf Standorte beschränken, die die Errichtung eines mehrere 10 Mio. m3 großen Speichers ermöglichen, sondern kann auch dort erfolgen, wo vorzugsweise ein Ober- und Unterbecken bereits vorhanden ist bzw. ein Speicher mit im Vergleich zum Speicher Platzertal geringeren ökologischen Auswirkungen errichtet werden kann". Als Modell/Beispiel führt er die Kraftwerksgruppe Kaprun mit den Speicher Mooserboden und Limberg an und verweist auf das PSKW Limberg III.

      Zudem zieht Dr. Neubart als Alternative in Hinkunft auch Batteriespeicher und insbesonders auch elektrolytisch hergestellter Wasserstoff bzw. synthetisches Erdgas zur saisonalen Energiespeicherung in Erwägung, was ja auch kostengünstiger sei. Die Rede ist von Batteriespeicher bis 1.000 MW auf Lithiumionen-Basis. Australien macht es vor!

      Naja, man muss es gutheissen, wenn Perspektiven aufgezeigt werden. Bei den Aufgezählten kann ich mir allerdings nicht vorstellen, dass nur eine Einzige von der NGOs und dem WWF gebilligt werden.

      Deshalb sollte man sich generell vielmehr auf das größte Energiekraftwerk konzentrieren, nämlich auf das des Energiesparens. Aber das scheint bei niemanden gut anzukommen.

       
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      Dreieck
      vor 2 Jahren

      Sehr seltsamer Einwand. Die Entscheidung "pro" und die Durchführung der verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung haben also der Huababauer und der Stoanabauer mit 2 Promille am Stammtisch gemacht, sonst hat man da niemanden gefragt? Es haben nicht automatisch alle keine Ahnung, die eine andere Meinung haben als man selbst.

      Niemand hat eine Freude damit, Täler zu fluten und Umwelt zu zerstören - irgendwo muss der Strom trotzdem herkommen und es wäre sehr interessant zu erfahren, warum dieser Speicher - Zitat: "nicht geeignet ist, die Winterlücke bei den Erneuerbaren Energien zu verringern." Begründung?

      Zu den Bedenken des WWF gilt zu sagen, dass diese eben eine völlig einseitige Sichtweise haben, was auch völlig in Ordnung ist. Jeder Lobbyist hat eine einseitige Sichtweise. Bei den jetzt als Positivbeispiele aufgezählten, bereits gebauten Speichern gab es unter Garantie dieselben Proteste. Die Entscheidungsträger müssen aber verschiedene Interessen abwägen, nicht nur eine einzige. Denn die Bevölkerung wächst und der Energiebedarf pro Kopf steigt.

       
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      Senf
      vor 2 Jahren

      @Dreieck, wie recht sie haben!

      Allein das Wort "Naturzerstören" ist in dieser Diskussion wohl falsch am Platz, denn es geht ja nicht um mutwillige Beschädigung oder Veränderung der Natur, sondern deren Nutzung, wobei die Frage selbstverständlich legitim ist, ob man damit mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Wer diese Bezeichnung allzu locker nimmt, sollte einmal darüber nachdenken, wieviel jeder einzelne an Natur zerstört, um seine "modernen" und alltäglichen Lebensbedürfnisse zu befriedigen. So gesehen ist niemand davor ausgenommen - auch nicht die "Naturschützer".

      Wenn Herr Dr. Neubarth das PSKW-Vorhaben im Platzertal mit der Kaverne Versetz aus ökologischer und landschaftsästhetischer Sicht ablehnt und dafür die Untersuchung für Alternativen in anderen Täler Tirols für denselben Zweck vorschlägt, dann find ich das schon sehr waghalsig. Wieso sollte Natur woanders weniger wert sein und dort "zerstört" werden dürfen?

      Nochmals: "Das größte Kraftwerk ist das des Energiesparens" (Zitat W. Retter, 1984 OB) Wie ernst das hier einige Leser nehmen, sieht man an den Nichtzustimmungen. Ein interessantes Spiegelbild er Gesellschaft.

       
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