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Wiener Lueger-Denkmal wird um 3,5 Grad gekippt

„Schieflage“ soll den Antisemitismus des Politikers thematisieren. Kritiker fordern Entfernung des Denkmals.

Erst vor wenigen Tagen ist das Lueger-Denkmal in Wien erneut mit Farbe überschüttet worden. Am Mittwoch hat die Stadt die künftige künstlerische Kontextualisierung der Statue, die an den wegen seines Antisemitismus umstrittenen Wiener Bürgermeister Karl Lueger (1844-1910) erinnert, präsentiert: Das Denkmal wird um 3,5 Grad gekippt. Damit setzte sich Klemens Wihlidal mit seinem Entwurf "Schieflage (Karl Lueger 3,5 Grad)" beim Kunstwettbewerb durch.

Schon seit Jahren sorgt das Lueger-Denkmal für Diskussionen und wurde in dieser Zeit auch immer wieder zum Ziel von Vandalismus. Entsprechend sei die Frage, "wie eine Stadt mit problematischen Orten" umgeht, betonte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bei der Präsentation. Nach einem langen Prozess, an dem die unterschiedlichsten Stakeholder teilnahmen, habe man sich letztlich für die Kontextualisierung entschieden. "Ich möchte nicht, dass aufgehört wird, über Lueger und seine Folgen, den Populismus und den politischen Antisemitismus nachzudenken." Nur so könnten auch künftige Generationen sich mit dieser Geschichte auseinandersetzen. "Über Leerstellen kann man nicht sprechen", erteilte sie einer Entfernung des Denkmals eine Absage.

Im Herbst des Vorjahres wurde schließlich der Wettbewerb gestartet, zu dem 13 Künstlerinnen und Künstler geladen wurden. Die Jury, der Eva-Maria Stadler von der Universität für angewandte Kunst Wien vorstand, entschied sich schließlich für Wihlidal. "Er verwandelt das Denkmal in eine Störung im öffentlichen Raum", begründete sie die Entscheidung, die sie als "Fest der Demokratie" bezeichnete. Um 3,5 Grad geneigt, verliere das Denkmal "optisch die Balance". Letztlich werde durch die Schieflage "der Anspruch auf Monumentalität gebrochen", wobei sich diese Intervention auch ohne Vorinformation erschließe. Gleichzeitig soll aber die derzeit vor Ort befindliche Informationstafel überarbeitet und erweitert werden. Eine Umsetzung ist für 2024 geplant.

Der Wiener Künstler Klemens Wihlidal ist überrascht von der Auswahl seines Entwurfs, den er bereits 2010 präsentierte.  Das Kippen der Statue um 3,5 Grad wird eine halbe Million Euro kosten. Foto: APA/Hochmuth

Neu ist Wihlidals Vorhaben jedenfalls nicht, ging dieses doch bereits 2010 aus einem von der Angewandten initiierten "Open Call" für eine Umgestaltung des Denkmals als Sieger hervor. Damals wäre eine Umsetzung aber noch nicht möglich gewesen, gab Kaup-Hasler angesichts der seitdem geführten Diskussion zu bedenken. Es wäre eine "autokratische Geste" seitens der Stadt gewesen. Der Wiener Künstler (Jahrgang 1982) selbst zeigte sich ob der Auswahl seines Entwurfs etwas überrascht. "Der Juryentscheid ist noch sehr frisch und einigermaßen unerwartet." Die Schieflage von 3,5 Grad habe er deshalb gewählt, "weil es für mich der erste Moment war, an dem ich eine Irritation erfahre". Er sei jedenfalls der Meinung, dass das Denkmal "als Originalquelle und Ort der Begegnung mit dem Thema" bestehen bleiben soll.

Dass mit der nun erfolgten Entscheidung alle Diskussionen vorbei sind, glaubt Kaup-Hasler keineswegs. "Wenn Kunst zu einem hundertprozentigen Konsens aller führt, ist sie entweder keine Kunst oder nicht gut." Es werde immer Befürworter und Gegner geben. Viel wichtiger sei hingegen, die Diskussion am Laufen zu halten. "Ich bestehe darauf, dass wir auch Denkräume öffnen und Horizonte des Denkens erweitern und zu einer nicht endenwollenden Diskussion beitragen." Sie möchte jedenfalls "keine aseptische Stadt, die geschichtsbereinigt oder clean ist".

In einem nächsten Schritt geht es nun um die Detailplanungen, müsste doch der Sockel verstärkt werden, um die Schräglage möglich zu machen, wie Martina Taig von KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien erklärte. Dabei werde auch das Bundesdenkmalamt hinzugezogen. Insgesamt sind für die Umsetzung 500.000 Euro veranschlagt. Die derzeit vor Ort befindliche Installation "Lueger temporär" von Nicole Six und Paul Petritsch, die mittels einer 39 Meter langen, fünf Meter breiten und elf Meter hohen Holzkonstruktion im Stadtbild gefundene Artefakte der Lueger-Würdigung versammelt, soll noch bis Herbst zu sehen sein - vorausgesetzt, man benötige den Platz nicht schon früher für den Abbau des Denkmals, das komplett gereinigt werden soll.

Was künftige Beschmierungen des Denkmals betrifft, so zeigte sich zumindest Wihlidal pragmatisch. "Es wird nun gereinigt und dann wieder neu aufgebaut. Danach bleibt die Diskussion, wie es weitergeht, erhalten. Es wird wieder zur Verfügung stehen." Die Stadt selbst werde mit solchen Aktionen "gelassen umgehen", so Kaup-Hasler, "so wie wir es auch in den letzten Jahren gemacht haben". Man werde sehen, wie die Öffentlichkeit mit dem Denkmal umgeht, wenn es in neuer Form zu sehen ist. Die weiteren Wettbewerbsentwürfe werden von 19. bis 23. Juni in der Wiener Planungswerkstatt ausgestellt.

Sehr kritisch beurteilte Benjamin Kaufmann von der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus in Österreich (LICRA) die getroffene Entscheidung. "Der prämierte Entwurf positioniert sich nicht gegen Luegers Antisemitismus, und aus meiner Sicht wird auch keine Brechung der Ehrung Luegers vollzogen", sagte er der APA. Beides sei das "eindeutige Ziel" des Wettbewerbs gewesen. "Ich sehe nicht, wie dieser minimale Eingriff dazu führen wird, dass sich Identitäre und solche, die rechts von ihnen stehen, weiter dort versammeln." Damit sei das ganze Projekt gescheitert. Bis zur für 2024 geplanten Umsetzung sei aber noch sehr viel Zeit. "Ich erwarte, dass das, was heute präsentiert wurde, in der Öffentlichkeit sehr kritisch besprochen wird."

In eine ähnliche Kerbe schlugen die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH). "Die permanente Kontextualisierung ist ein Schlag ins Gesicht für die Betroffenen von Antisemitismus", hielt JöH-Präsidentin Victoria Borochov in einer Aussendung fest. "Die klaren Forderungen von jüdischen Verbänden und Shoah-Überlebenden nach Entfernung, Umbenennung und Umwidmung wurden abermals missachtet. Mit der mutlosen Lösung der minimalen Schiefstellung hat die Stadt Wien eine weitere Chance vertan, den Antisemitismus Luegers klar zu thematisieren."

"Zeitgemäß und mutig ist anders", konstatierte Ursula Berner, Kultursprecherin der Wiener Grünen. Dass man nun einen über zehn Jahre alten Vorschlag ausgewählt habe, sei "mehr als nur schwach". "Die Debatte im Umgang mit Denkmälern hat sich inzwischen weiterentwickelt. Wie kann man auf die Idee kommen, dass zehn Jahre Forschung, zehn Jahre öffentlicher Diskurs und zehn Jahre gesellschaftliche Entwicklung ohne jede Auswirkung sind?" Die Wiener ÖVP hingegen begrüßte das Vorgehen. "Ein gereinigtes und ein - im Sinne der Kontextualisierung - adaptiertes Denkmal kann auch richtungsweisend für andere Denkmäler in der Stadt sein", hieß es in einer Aussendung.

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14 Postings

Wunu
vor 11 Monaten

@r.ingruber: Oh, das tut mir leid!

Allerdings wäre meiner Meinung nach eine Vorstellung des Herren Aufgabe des eigentlichen Artikels gewesen... Wenn wir uns in Osttirol schon mit Denkmählern der Bundeshauptstadt auseinandersetzen sollen/müssen. (*wink in Richtung Redaktion :-) ) Da ich noch im Arbetsleben stecke ist mir meine Zeit zu kostbar um tiefer in die Materie einzutauchen. Das Thema tangiert mich also nur peripher. Wenn ich Sie zitieren darf: "...führender Propagandist des sog. christlichen Antisemitismus" Ist für mich, Jahrgang 67, ein alter Nazi. Auch wenn er 1910 verstorben ist. Judenhasser vereinfacht = Nazi. Jeder weiß was ich damit meine, auch wenn es wohl nicht die korrekte Bezeichnung ist. Also für mich wäre die Erklärung so OK. Natürlich ändert es nichts das meine Erklärung sehr vereinfacht und (Teile) schlichtweg falsch waren.

Bei meinen Googlerecherchen habe ich auch herausgefunden das es eine Luegerkirche, einen Luegerplatz, ein Ehrengrab unter der Kirche, eine Gedenktafel (Übermalt) 2-Schillingmünze und u.a. auch einige Gemälde gegeben hat. Ich denke das - auch ohne Verschwendung von 500.000 an Steuergeldern - genügend "Ehre" für einen Judenhasser vorhanden ist wenn man den Klotz einfach nicht mehr aufstellt.

Wie gesagt, alles nur meine Meinung. Derer bedarf es keinerlei externer Zustimmung oder Ablehnung.

 
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    Senf
    vor 11 Monaten

    ... ich habe aufgehört zu bohren, denn allein die Vorstellung dieses Politikers aus der Sicht des größten Verbrechers fang ich an zu speibm: "... langsam wuchs die gerechte Beurteilung zur unverhohlenen Bewunderung. Heute sehe ich in dem Manne mehr noch als früher den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten ...“ (Zitat aus A.H.M.K.)

    Das Denkmal gehört, wenn schon, in die Parteizentrale oder geschrädert! Wien sollte darüber abstimmen, wir haben in Osttirol ja genug andere Sorgen!

     
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steuerzahler
vor 11 Monaten

Denkmäler sollten zum Denken und reflektieren der Vergangenheit anregen. Dazu bedarf es nicht nur der Darstellung, sondern auch ausreichender und ausgeglichener Information. Die Information am Denkmal ist in diesem Fall, wie auch bei anderen Denkmälern, nicht ausreichend und in der derzeitigen Darstellung nur eine Fortsetzung des Personenkults um Lueger. Eine ausgeglichene Information konnte ich zum Beispiel in Wikipedia finden. Wie man daraus erkennt, ist eine Vermischung aus Politik und religiösen Strömungen immer schlecht. Politik ist mit Religion, egal welcher Glaubensrichtung, nicht vereinbar und führt heute, wie auch in der Vergangenheit, immer zu Problemen. Daher muß Politik und Religion absolut getrennt bleiben. Das Denkmal Luegers, wie auch andere Personenkultdarstellungen, kann ruhig entfernt werden. Ein schöner Brunnen tut's sicher auch und verbessert das Kleinklima.

 
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Godmensch
vor 11 Monaten

vollkommen "Plemplem" ..... gute Nacht Österreich 🇦🇹

 
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tauernwind
vor 11 Monaten

EUR 500.000,-- um eine Statue schief zu machen, gehts noch? Um an Hunderter fräs i ihm mit der Schruppscheibe das Gesicht runter und wir machen daraus eine gesichtslose Statue in Gedenken all derer die Widerstand geleistet haben aber deren Namen nie genannt wurden.

 
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    r.ingruber
    vor 11 Monaten

    Mein lieber Freund, mein braver Steuerträger, ich fürchte nichts für diese Stadt, solang sie solche Bürger hat.

     
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    Village Pizza
    vor 11 Monaten

    Mit der Person Karl Lueger sind Sie offenbar nicht vertraut.

     
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    Senf
    vor 11 Monaten

    @tauernwind, dann wird wohl nichts mit der Städtepartnerschaft Wien-Pisa?

    Sag, wofür steht denn die Statue überhaupt, lieber Herr @r.ingruber, weiss man das inzwischen?

     
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      Wunu
      vor 11 Monaten

      Einst Bürgermeister von Wien. Verstorben 1944. Er galt u.a. als Vordenker von dem Herrn mit dem kleinen Oberlippenbart. Kurz, ein alter Nazi. Sicher wird er auch seine guten Tage gehabt haben denn er hat auch dazu beigetragen das sich Wien zu einer modernen Großstadt entwickelt hat. Somit hat man ihm ein Denkmal gesetzt.

      Wenn schon Schieflage dann aber richtig. Entweder 105 Grad und den Kopf unter die Erde oder so wie @tauernwind vorgeschlagen hat. Das finde ich sogar noch genialer, auch wenn es keinem mehr hilft - leider!

       
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      r.ingruber
      vor 11 Monaten

      @Wunu, wenn schon googeln, dann richtig: Dr. Karl Lueger ist 1844 geboren und 1910 gestorben. Von 1897-1910 war er Bürgermeister von Wien und als solcher ein führender Propagandist des sog. christlichen Antisemitismus.

       
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      Senf
      vor 11 Monaten

      Wenn man den Geschichtsschreibern im Wiki etwas Glauben schenken kann, dann entstand aus der Wurstkesselpartei die Christlichsoziale Partei, die mit ihrer ausbeuterischen Wirtschaftsliberalismus-Idee einen Gegensatz zum Judentum ausdrückten sollte. Kandidat Karl Lueger muss darüber wohl begeistert gewesen sein, schließlich wurde er ja zum Gründer diese „Volkspartei“ ernannt.

      Diese Wahlvereinigung mit „moderaten Antisemitismus“ trug ja bis um 1890 die Lueger-Bezeichnung „Antisemiten und Christlichsoziale“. Mit der Hilfe der Geistlichkeit konnte man damit die Agrarbevölkerung und das Kleinbürgertum recht schnell für sich gewinnen.

      Aber warum Antisemiten ... ? Judenhass gibt es bereits 2000 Jahre, doch dass dieser gegen Ende der Monarchie so auflebte und die folgenden Jahrzehnte so prägte und zur Brutalität ausarten konnte, ist kaum zu glauben.

      Deshalb meine naive Frage, wozu denn das Denkmal überhaupt dasteht und der "brave Steuerzahler" (r.ingruber) dafür aufkommen soll.

      Jaja, ob sich der @Gamsbock und so manch anderer Parteifanatiker irgendwann Gedanken darüber machen wird? Ich glaube nicht!

       
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      r.ingruber
      vor 11 Monaten

      @senf, "...die Christlichsoziale Partei, die mit ihrer ausbeuterischen Wirtschaftsliberalismus-Idee einen Gegensatz zum Judentum ausdrücken sollte." – Das genaue Gegenteil ist der Fall! Das Denkmal steht also ganz allgemein gegen die Geschichtsveressenheit da, seine Neigung um 3,5 Grad leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Also bitte in Zukunft richtig zitieren! Und ich habe nicht "Steuerzahler" geschrieben, sondern "Steuerträger". Das war ein Zitat aus dem 1932 in den Wiener Kammerspielen uraufgefühten Märchen "Essig und Öl", in dem der von Hans Moser gespielte Greißler Seiberl sich während der Weltwirtschaftskrise an bessere Zeiten erinnert: "Der Dr. Lueger hat mir einmal die Hand gereicht..."

       
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      Senf
      vor 11 Monaten

      danke, herr ingruber. da haut es mi um, weil i jetzt erst recht nimma was, welchen geschichtsschreiber man glauben soll oder darf. :-)

       
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aktuell
vor 11 Monaten

Wird hier Vandalismus gestattet oder sogar begrüsst? Bleiben die Täter straflos?

 
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