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Über Bullen, Bären und den oder die Hausse

Der Lienzer Johannesplatz mausert sich zu einer Kultstätte der Hochkonjunktur. Mit Alleinstellungsmerkmal!

Es ist nicht leicht, die Stadt Lienz auf ein Alleinstellungsmerkmal hin zu durchsuchen. Neulich führten mich meine Recherchen auf den Johannesplatz, über den bisher nicht viel bekannt war, außer, dass er nach einem ehemaligen Bürgermeister benannt ist, der für seine Errichtung verantwortlich gewesen sein soll. Amerikanische Architekten, die ein Bankgebäude besuchen, gibt es auch in New York, das den Namen „Schmelztiegel der Nationen“ nicht minder verdient als der Lienzer Johannesplatz. Dort schienen sich heute aber auffallend viele Menschen aus aller Herren Länder zu tummeln.

Sie alle drängten sich um ein Objekt, das ich, nachdem ich mich mühsam durch die Menge gekämpft hatte, schließlich als überdimensionalen bronzenen Bullen identifizierte. Augenblicklich fühlte ich mich an den Bullring Market erinnert, an ein Einkaufszentrum, das man in Birmingham auf einer grünen Wiese errichtet hat, auf der im Mittelalter Bullen gehetzt wurden. Gab es so etwas vielleicht auch in Lienz? Immerhin schien auch das gut einen Meter über dem Johannesplatz schwebende Tier der Meute entfliehen zu wollen. Und es bekam ob des Ansturmes keinen Fuß auf den Boden.

Hausse! Ein bronzenes Symbol für den Aufschwung. Foto: Dolomitenstadt/Pirkner

Der Bulle sei das Symbol für eine Hausse, hat ein Passant mich aufzuklären versucht. „Das weiß ich selbst“, erwiderte ich, „schließlich bin ich ein Heimischer.“ Doch es heißt nicht „die“, sondern „der“ Hausse: Hausse Pirker! Es stimmt mich einigermaßen betrüblich, dass sich niemand den Namen dieses international so hoch angesehenen Toreros merkt. Das Geschlecht einer Hose ist weiblich, aber, zumal, wenn man sie auf der letzten Silbe betont, ist sie für einen wertkonservativen Menschen wie mich das reinste Testosteron.

Nein, nein, erklärte mir mein Begleiter, „Hausse“ – Hoos ausgesprochen – sei der französische Name für einen Konjunktur- oder Wirtschaftsaufschwung, und der Bulle ein sichtbares Zeichen dafür. Schön langsam begann sich der Nebel zu lichten: Der Schöpfer des Kunstwerks hatte offenbar wieder einmal Hochkonjunktur und dieses tatsächlich die Bank an der nördlichen Flanke des Platzes in seinem Visier. Auf das eigene Museum, den Stall im Bildhintergrund, hatte der Bulle überhaupt keinen Bock. So etwas gibt es allerdings auch in anderen Städten, z. B. in New York, an der Wall Street.

In Frankfurt steht dem Bullen sogar ein Bär gegenüber. „2018, zum 30-jährigen Jubiläum“, kann man auf Wikipedia nachlesen, „wurde darauf hingewiesen, dass die Skulpturen nicht nur jährlich zehntausenden von Touristen als Fotomotiv, sondern auch Unternehmen beim Börsengang dienen. Bevor die Vorstände dieser Unternehmen die Börsenglocke im Handelsraum läuten, ist ein Gruppenfoto vor Bulle und Bär üblich.“ Aha! Jetzt muss ich einmal aufpassen, ob die beiden im letzten Jahr so erfolgreichen Bankvorstände, der Gugganig und der Bergerweiß, sich auch jeden Tag vor dem Bullen ablichten lassen.

Der Bär steht für die Baisse, den Konjunkturabschwung. Den gibt es in Lienz aber nicht. Da ein so großer Beutegreifer bei uns nichts verloren hat, könnte man, um das ein für alle Mal klarzustellen, jetzt den hl. Hubertus oder den hl. Eustachius, die Patrone der heimischen Abfangjäger, vom Schlossberg auf den Johannesplatz überführen. Dabei riskiert man nicht einmal einen Stilbruch, und niemand käme mehr um das Lienzer Alleinstellungsmerkmal herum! Weder italienische noch amerikanische Touristen. Und die Dolomitenstädter schon überhaupt nicht!

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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4 Postings

Enrico Andreas Menozzi
vor 10 Monaten

Habe mir am Sonntag morgen den Johannisplatz mit den „Red Bull“ Bullen angeschaut . Ich habe null Ahnung von Kunst, aber passen tut er nicht dorthin . Schöner Bulle , aber im Auftrag einer Firma / Eigentümer die man ruhig kritisieren darf . Abgesehen das Red Bull total ungesund ist , die Dosen überall in der Landschaft liegen , Kinder schon süchtig davon sind , man den verstorbenen Eigentümer mit seine Medien kritisch sehen darf . In Salzburg könnte es passieren das der Bulle mit Austria Salzburg Aufkleber zugeklebt wird , die Geschichte von Red Bull und Austria ist weltweit bekannt und wird von alle aktiven Fußball Fans sehr kritisiert .

Das ist nur eine Kritik gegen Red Bull , nicht gegen den Künstler .

Wegen Italiener ins Zentrum locken . Dafür muss ich Voraussetzungen schaffen , fängt bei Öffnungszeiten an , letzte Bahn nach Italien um 19:50 , geschlossene Gastronomie mitten während der Hochsaison , das der Bäcker ( eher Café mit Verkauf )an den Platz am Samstag Mittag schließt und sonntags garnicht öffnet , das ist mir wirklich ein Rätsel .

Südtiroler Platz autofrei , begrünen mit schönen Spielplatz , die 4 leeren Gastronomie Betriebe beleben , so kommen die Familien auch ins Zentrum .

Sonst aber eine gute Idee vom Künstler mit Skulpturen in der Stadt .

 
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Senf
vor 10 Monaten

lieber herr ingruber, jetzt ist mir klar, warum die heimischen abfangjäger vor 50 jahren den im goldried mutig vorbeiziehenden bären eine patrone verpasst haben. es ist damit auch klar, dass dieses ausgestopfte tierchen im matreier rathauskeller über jahrzehnte unheil übers marktle gebracht hat. die ursache ist nun endlich bekannt, der bundesrechnungshof darf zuhause bleiben. die lösung wird kann also wohl nur ein bulle für matrei sein. komisch, warum da der altbanker und tausendsassa franzl nicht dahintergekommen ist und das leihstück von "hausse" pirkner nicht am rauterplatzl aufgestellt hat.

franzl hätt sich damit am kirchplatz ein denkmal setzen können.

schade!

 
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    r.ingruber
    vor 10 Monaten

    Das haben Sie fein formuliert. Zur Belohnung beantworte ich Ihnen auch eine Frage von neulich: Der Albanus vom Hauptplatz steht in Matrei und ist von Fritz Tiefenthaler. Wenn Sie aber den Florian meinen, den hat Jos Pirkner der Stadt geschenkt.

     
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      Senf
      vor 10 Monaten

      danke, man ist ja immer froh des lobes :-) und tatsächlich, hab den florian mit dem albanus verwechselt, wie k o p f l o s muss man denn dazu sein.

      aber warum hat sich denn da oschtadio dazu nicht geäussert.

      übrigens: das mit den abfangjägern (nicht die erwähnte mig 35) scheint brisant zu sein. ein geschwader hat ja bereits osttirol erfolglos wieder verlassen und der wolf lacht sich einen runter!

      (nein nicht der _c)

       
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