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„Gletscherehe“: Mitglieder der Wahlbehörde vor Gericht

Wahlkarten für andere Wahlberechtigte mit "Pro-Stimmen" ausgefüllt. Bei Verurteilung droht Haft.

Im Falle der Volksbefragung zum, letztlich gescheiterten, Skigebietzusammenschluss Pitztal-Ötztal in Tirol haben sich am Dienstag drei Mitglieder der Wahlbehörde am Landesgericht Innsbruck wegen des Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt verantworten müssen. Ihnen wurde vorgeworfen, Wahlkarten für andere Wahlberechtigte mit "Pro-Stimmen" ausgefüllt zu haben. Den Beschuldigten drohten im Falle einer Verurteilung sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Die drei Männer sollen sich von 17 Wahlberechtigten die Ermächtigung geholt haben, in deren Namen Wahlkarten von der Gemeinde abzuholen. Die Wahlberechtigten erhielten die Wahlkarten dann jedoch nie, warf die Staatsanwaltschaft Innsbruck den Beschuldigten vor. Die Angeklagten sollen die Wahlkarten vielmehr eigenmächtig ausgefüllt und für den Zusammenschluss gestimmt haben. Dann sollen sie die Wahlkarten in ihrer Funktion als Teil der Wahlbehörde in das Wahlergebnis miteinbezogen haben bzw. durch andere - redliche - Mitglieder miteinbeziehen haben lassen. Diesen in der Anklageschrift erhobenen Vorwurf wiederholte die Staatsanwaltschaft am Dienstag vor dem Schöffensenat. Dadurch sei auch die Gemeinde St. Leonhard um die Durchführung einer rechtmäßigen Volksbefragung betrogen worden. Die von den Wahlberechtigten erteilten Befugnisse hätten die Angeklagten, bekennende Befürworter des Skigebietszusammenschlusses, "wissentlich missbraucht" und den Wahlberechtigten gegenüber eine "Drucksituation" aufgebaut, so die Staatsanwältin. Selbst wenn diese Zustimmung zur "Gletscher-Ehe" signalisiert hätten, sei es nicht ausgeschlossen, dass sie bei einer geheimen Wahl dann anders abgestimmt hätten. Die Anwälte der Angeklagten orteten indes in ihren Eröffnungsplädoyers Zweifel, wer rechtlich als Mitglied einer Wahlbehörde gelte. Auch werde nicht zwischen den Angeklagten differenziert, bemängelte ein Verteidiger. "Die Sache ist nicht so, wie sie von der Staatsanwaltschaft dargestellt wird", so ein Anwalt. Die drei Angeklagten sollten anschließend getrennt voneinander aussagen. Einer von ihnen bekannte sich "grundsätzlich nicht schuldig". Als Befürworter der "Gletscher-Ehe" habe er um Zustimmung für das Projekt geworben. Der Angeklagte räumte ein, Wahlkarten selbst ausgefüllt und unterschrieben zu haben. Er habe dies jedoch im Glauben und nach Rückversicherung getan, das im Sinne der jeweiligen Wahlberechtigten zu tun. Er sei der Meinung gewesen, dass dieses Vorgehen durch die Vollmacht gedeckt gewesen sei. Dass dies rechtlich nicht in Ordnung sein könnte, sei ihm "nicht bewusst" gewesen, erklärte der Beschuldigte. Die Volksbefragung über das Projekt "Skigebietszusammenschluss Pitztal-Ötztal" hatte am 17. Juli 2022 mit einer knappen Ablehnung geendet. Auf die Frage "Soll der Skigebiet Zusammenschluss Pitztal-Ötztal gebaut werden?", hatten 353 Stimmberechtigte in St. Leonhard mit "Nein" (50,36 Prozent), 348 (49,64 Prozent) mit "Ja" gestimmt (Wahlbeteiligung: 59 Prozent). Gleich darauf hatten die Verantwortlichen der Pitztaler Gletscherbahn erklärt, das Interesse an der Fortführung des Projektes verloren zu haben. Nach Anklageerhebung wurde seitens der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal erneut betont, dass das Projekt abgesagt bleibe.

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„Gletscherehe“: Drei Mitglieder der Wahlbehörde angeklagt

4 Postings

miraculix
vor 7 Monaten

In einem Artikel vom 3. August anlässlich der Anklageerhebung wegen des Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt im gegenständlichen Fall auf dolomitenstadt.at (Link unten) wird der Bürgermeister von St. Leonhard im Pitztal zitiert. Als Wahlleiter schmerze ihn der Verdacht: "Wenn etwas dran ist, gehört das ans Tageslicht und sanktioniert ..." Dem möchte ich mich anschließen!

Das Gericht hat in einem erstinstanzlichen, noch nicht rechtskräftigen Urteil, einmal 12 und zweimal 11 Monate bedingte Haft über die drei Angeklagten und zusätzlich Geldstrafen verhängt. Das Verfahren geht damit in die nächste Instanz ...

Bleibt jedenfalls ein unguter Beigeschmack, wenn vereidigte Mitglieder einer Wahlkommission ihre eigene Meinung und Präferenz absolut setzen und das demokratische Entscheidungsrecht von Mitbürger*innen an sich reißen. Bleibt zu hoffen, dass die Urteile bestätigt und tatsächlich Sanktionen folgen werden. Dass ein Missbrauch der Amtsgewalt mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten bedroht ist, spricht für den bisher hohen Stellenwert des Ablaufs demokratischer Wahlen in unserer Gesellschaft. Möge es so bleiben!

https://www.dolomitenstadt.at/2023/08/03/gletscherehe-drei-mitglieder-der-wahlbehoerde-angeklagt/

 
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    Chronos
    vor 7 Monaten

    @miraculix, in allen Punkten meine Zustimmung. Natürlich auch @unholdenbank, unten!

    Dass das Verfahren in die nächste Instanz gehen soll, erstaunt mich. Aber da sind Sie offensichtlich besser informiert.

    Man muss davon ausgehen, dass nicht die StA Rechtmittel einleget hat. Und ich wundere mich, dass die drei Beschuldigten gegen dieses Gerichtsurteil Rechtsmittel ergreifen. Die Anwälte werden ihren Klientelen bestimmt die Erfolgsaussichten erklärt haben. Denn alles andere als eine Bestätigung dieses Urteils in der nächsten Instanz, wäre eine Überraschung, weil die Beweislage erdrückend ist (Unterschriftenfälschung, Vorsatz ist klar - Wahlmanipulation zur Erzielung eines besseren Wahlausgangs…). Selbst wenn die bedingten Haftstrafen und/oder die Geldstrafen in der 2. Instanz herabgesetzt werden würden, wiegt das bei Weitem nicht die zusätzlichen Verfahrenskosten auf.

     
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      miraculix
      vor 7 Monaten

      Zum Zeitpunkt der Verfassung meines Postings war der Nachrichtenstand, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Das Verfahren geht damit aber, wie Sie richtig festgestellt haben, nicht automatisch in die nächste Instanz. Habe da keinerlei "Informationsvorsprung", sondern bin auch auf die mediale Berichterstattung angewiesen.

       
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unholdenbank
vor 7 Monaten

Eine überheblichere Rechtfertigung ist kaum vorstellbar: "Einer von ihnen bekannte sich „grundsätzlich nicht schuldig“. Als Befürworter der „Gletscher-Ehe“ habe er um Zustimmung für das Projekt geworben. Der Angeklagte räumte ein, Wahlkarten selbst ausgefüllt und unterschrieben zu haben. Er habe dies jedoch im Glauben und nach Rückversicherung getan, das im Sinne der jeweiligen Wahlberechtigten zu tun." Wahrhaft tolles Demokratieverständnis der Seilbahnfuzzies. Sie glauben zu wissen, was für die Menschen und die Natur gut ist: Beton, Beton und noch einmal Beton.

 
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