Günther Sabransky ist leidenschaftlicher Radrennfahrer und ein sehr guter noch dazu. Der 65-Jährige war vergangene Woche bei den UCI Gran Fondo World Championships in Aalborg, Dänemark, im Einsatz und wollte nach den Weltmeistertiteln in seiner Altersklasse greifen. Bis ihn ein Sturz im Zeitfahren bremste.
Donnerstag, 29. August. Perfekte Bedingungen warten auf die 712 Fahrer, die sich für das Einzelzeitfahren in mehreren Altersklassen qualifizierten. Der 33,3 Kilometer lange Kurs ist für seine Schnelligkeit und relativ flache Bedingungen bekannt und wird vom zweimaligen Tour de France-Sieger Jonas Vingegaard als Trainingsstrecke genützt. Sabransky fährt gegen 34 andere Fahrer und ist sich seiner starken Form bewusst.
Monatelange Vorbereitung mit zahlreichen gut ausgewählten Rennen und einem ausgeklügelten Trainingsplan sollten den Lienzer zum Erfolg führen und auch eine Belohnung für die vielen Stunden harter Arbeit und großer Leidenschaft darstellen: „Man liest nur von Erfolgen, von der Weltmeisterschaft und vielen anderen Dingen, die selbstverständlich erscheinen. Doch es steckt mehr dahinter als nur der Sport. Ich bin Wettkämpfer, Planer, Organisator und Mechaniker in einer Person“.
Das Rennen geht los, Sabransky fühlt sich an diesem Donnerstag im dänischen Flachland gut, hat die nötigen Beine, um sich ganz vorne zu platzieren. Er beschleunigt stetig, will keine Sekunde verschenken. Nur noch wenige Kilometer fehlen ihm ins Ziel, seine Krönung zum Weltmeister könnte kurz bevorstehen. Und dann – eine fast unscheinbare Rechts-Links-Kombination mit leichtem Gefälle. Mit gut 50 Kilometern pro Stunde erreicht er die Linkskurve, es wird eng. Zu eng.
„Ich war schnell, habe Risiko genommen und mich sehr gut gefühlt. Aber ich war zu schnell für die Linkskurve“, erklärt Sabransky die Umstände, die zu seinem Sturz führten. „Ich habe die Kurve ganz außen genommen und habe nur noch zwei Bäume vor mir gesehen. Ich habe dann versucht, ins Gebüsch zu lenken, um den Aufprall möglichst glimpflich zu gestalten. Dabei bin ich aber an einen anderen Baum gestoßen“.
Der linke Lenker ist sofort gebrochen und auch die Schulter des Rennfahrers hat einiges abbekommen. „Zum Glück bin ich nicht in das danebenliegende Straßenschild gefahren, da hätte alles ganz anders ausgesehen“, meint Sabransky. „Es ist eine enorme mentale Herausforderung, sich nach einem schweren Sturz wieder aufs Rad zu setzen und den Kopf freizubekommen“. An eine Aufgabe dachte er dennoch nicht - schon gar nicht bei einer Weltmeisterschaft.
„Ich habe mich aufgerichtet, das Rad justiert und bin mit gebrochenem Lenker weitergefahren“. Er klammert sich an seinen Radcomputer, versucht die richtige Position zu finden und beißt die Zähne zusammen. Unter großen Schmerzen beendet Sabransky das Rennen mit einer Zeit von 50 Minuten und 19 Sekunden, viereinhalb Minuten fehlen ihm auf den Titel, der an den Franzosen Daniel Miquel geht. „Der Sturz hat mir wahrscheinlich den Titel gekostet. Aber so ist das im Radsport – man muss Risiko nehmen“.
Im Krankenhaus wird wenig später eine schwere Muskel- und Knochenprellung festgestellt. Glück im Unglück, ein Knochenbruch hätte ein Antreten im Straßenrennen zunichtegemacht. Sabransky nützt die Zeit, um sich zu erholen, kann aber nicht mit dem Sturz abschließen. Die Szenen des Unfalls haben sich in seinem Kopf festgesetzt, er tut sich schwer, normal weiterzumachen. Deshalb kehrt er noch einmal an die Unglücksstelle zurück – einerseits um zu testen, wie er sich am Rad fühlt, andererseits auch, um die Situation zu analysieren. Er sieht die Bremsspuren am Asphalt, die seine Reifen kurz vor dem Aufprall hinterlassen haben. Sabransky denkt an Sonntag, an den Straßenbewerb, an seine zweite Chance, sich den Titel zu holen.
114 Kilometer warten auf die Fahrer, knapp 1.000 Höhenmeter sind zu meistern. Berge fehlen in der dänischen Idylle, giftige Anstiege gibt es dennoch. Es ist ein chaotisches Rennen, alle Altersklassen teilen sich denselben Kurs und den Überblick zu bewahren, wird neben der sportlichen Anstrengung zur größten Herausforderung.
Sabransky hält gut mit, wieder sind es nur wenige Kilometer, die ihn von einer Topplatzierung trennen. Aber der Kurs wird gefinkelter, die Fahrer müssen sich Rad an Rad durch Winkel pressen. Wenn er jetzt durchzieht, kann es mit einer Medaille klappen. Aber der Kopf meldet sich. Sabransky ringt mit sich, wägt das nötige Risiko binnen Sekunden ab. „Ich war fokussiert, habe aber nicht zu viel riskiert“. Schlussendlich erreicht er den Zielstrich mit den anderen Fahrern. 2:54:46 Stunden saß er im Sattel. Neun Sekunden fehlten auf den Weltmeistertitel – der Osttiroler wird starker Achter.
Die Weltmeisterschaft ist beendet, Sabransky kehrt mit gemischten Gefühlen nach Osttirol zurück. „Am Beginn reift ein Gedanke, der Formen annimmt. Man beginnt mit den Vorbereitungen, dem Training, der Planung. Man sucht nach Sponsoren, erkundet den WM-Ort, analysiert die Strecken und versucht die Besonderheiten und kritischen Stellen herauszufinden. Quartiersuche und Buchung, Anpassen des Trainings an die Streckenverhältnisse und Planung der letzten Bewerbe vor der WM. Man sucht nach dem richtigen Material, um auch wettbewerbsfähig zu sein, kauft Radmaterial und tuned die Räder. Als Einzelkämpfer verliert man allein durch Organisation ungemein an Energie, die Profiradfahrern durch das Umfeld gewahrt bleiben. Auch finanziell macht sich der Sport bemerkbar.“
Körper und Geist sind nach dem dänischen Abenteuer leer, Regeneration steht jetzt auf der Tagesordnung. Am liebsten würde er die Saison beenden und das Rad stehen lassen. Günther Sabransky denkt aber auch an seinen Verein, seine vielen Sponsoren, die ihn unterstützen und ihm so überhaupt erst die Möglichkeiten geben, seine Leidenschaft auszuleben.
Also wird er sich nächste Woche noch einmal in den Sattel setzen und ein Rennen in Kärnten bestreiten - die österreichischen Bergmeisterschaften stehen auf dem Programm.
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