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Am Rindermarkt: Der letzte Bauernhof mitten in Lienz

Wir besuchen die Familie Unterluggauer. Es ist eine spannende Reise in die Geschichte der Stadt.

Sie ist eine schmale Straße, die Beda Weber-Gasse in Lienz. Und dennoch zählt sie zu den wichtigsten Verkehrsadern der Stadt. Busse schlängeln sich genauso regelmäßig durch sie wie die Ambulanzen des nahegelegenen Krankenhauses, die Lieferfahrzeuge der MPreis-Filiale oder die Privat-Pkw der Besucher:innen des größten Wohn- und Pflegeheimes in Osttirol. 

An ihrer breitesten Stelle, dem Michaelsplatz zwischen dem Volkshaus und der St. Michaelskirche, warten heute um die Mittagszeit Dutzende von Schüler:innen auf ihre Schulbusse. Ein kleiner Brunnen, den angeblich schon im Jahre 1596 die Quelle „Pappernitz“ dort speiste, spendet immer noch vom Frühjahr bis in den Herbst kühles und frisches Trinkwasser.

In der Vergangenheit wurde dieser Brunnen – wie die vielen anderen Trinkwasserbrunnen in Lienz – von den Bewohner:innen der umgebenden Straßen für Mensch und Tier genutzt, denn kaum ein Haus und schon gar kein Stall hatte eine eigene Wasserleitung. Diese Vergangenheit liegt laut den Erzählungen von Ludwig Unterluggauer gar nicht so lange zurück. Er wurde vor 87 Jahren auf dem Bauernhof seiner Eltern in der Beda Weber-Gasse 30 geboren und lebt immer noch dort. 

In seiner Kindheit reihte sich in seiner Straße ein Bauernhof an den nächsten und morgens und abends wurden die Kühe von allen Bauern oder deren Kindern zur Tränke auf den Platz vor der Michaelskirche getrieben. Warum dieser Stadtteil „Rindermarkt“ heißt, ist deshalb nicht allzu schwer zu eruieren. Lienz war immer schon eine „Bauernstadt“ und es wurde in Lienz auch immer schon mit Vieh gehandelt.

„So mächtig und groß wie die Patriasdorfer Bauern waren wir Rindermarktler natürlich nie“, sagt dazu Ludwig Unterluggauer, und die meisten seiner Nachbarn wurden, so wie er selbst, sobald es möglich war, zu Nebenerwerbsbauern. Ludwig Unterluggauers Vater hatte bereits eine Schusterwerkstatt im Garten, er selbst wurde Schlossermeister. 

Auf seinen Hof, den inzwischen seine Tochter führt, ist er immer noch sehr stolz, auch wenn es dort nun keine Kühe oder Schweine, sondern nur mehr Pferde gibt. Doch selbst das ist etwas ganz Besonderes, denn schließlich ist es der letzte Bauernhof in der Beda Weber-Gasse, die übrigens ebenfalls nach einem Bauernsohn benannt ist. 

Beda Weber bzw. Johannes Chrysanth Weber wurde nämlich als Sohn des Bauern Johann Weber, vulgo Tausch, und seiner Frau Anna, geborene Mayr, 1798 in Lienz geboren. Auch er machte zuerst auf Wunsch seines Vaters eine Schusterlehre, bevor es ihm ermöglicht wurde, das Franziskaner-Gymnasium in Bozen zu besuchen und als Benediktinermönch in Innsbruck und Brixen Theologie zu studieren. 

Er wurde daraufhin sowohl Priester als auch Professor für klassische Sprachen in Meran und in Folge nicht nur als Pädagoge, sondern auch als Historiker, Volkskundler, Topograph, Philologe, Forscher und Autor sehr bekannt. Als Abgesandter von Meran war er später in der Frankfurter Nationalversammlung tätig und wurde dort auch zum Dom- und Stadtpfarrer gewählt. Nach seinem Tod im Jahre 1858 erhielt Beda Weber ein Ehrengrab am Frankfurter Hauptfriedhof.

Was wir sonst noch von der Beda Weber-Gasse in unserem Stadtgespräch mit der Familie Unterluggauer erfuhren, hören Sie im anschließenden Podcast. Für uns war es jedenfalls höchst interessant, in diesem traditionsreichen Stadtviertel am ehemaligen Verbindungsweg von der Römerstadt Aguntum zur Siedlung St. Andrä ein wenig hinter den Gartenzaun des letzten Bauernhofes mitten in der Stadt zu blicken. 


Der Dolomitenstadt Podcast ist ein akustisches Magazin, das die Redaktion von dolomitenstadt.at in Lienz zusammenstellt. Das Themenspektrum ist breit und beschränkt sich nicht nur auf die Region. Wir stellen spannende Projekte vor, widmen uns den Künsten und der Kunst des Lebens, schauen in Kochtöpfe und über den Tellerrand, greifen heiße Eisen an und diskutieren die Themen unserer Zeit mit Menschen, die etwas zu sagen haben. Zu finden auch auf Spotify und bei Apple Podcasts.

Silvia Ebner ist eine Erzählerin mit Leib und Seele. Ihr erstes Buch „Vom Sterben. Und Leben“ erschien im Sommer 2018 im Dolomitenstadt-Verlag und wurde gleich zum Bestseller. Die Sprachlehrerin arbeitet auch als Journalistin, Theaterautorin und Podcasterin.

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4 Postings

Pooky
vor 2 Wochen

Sehr spannend. Danke für den Rundgang. Habe mich immer schon gefragt, was sich wohl hinter dem Haus verbirgt.

 
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    soomanides
    vor 5 Tagen

    Zwischenzeitlich hab ich mich ein bisschen erkundigt und erfahren, dass es sich beim Unterluggauer-Haus um ein früheres Knappenhaus handelt, das von Ludwigs Großvater - aus M. Luggau stammend (er wird wohl über den *Kofel" nach Lienz gekommen sein) - erworben wurde. Übrigens: auch die "Unterluggauer" aus Tristach - aus einer Nebenlinie stammend - haben ihren Ursprung in der Luggaue. So nannte man einst den bei Osttirolern so beliebten Wallfahrtsort, mit Bezug zum Dorf Thurn, aus dem vor über 600 Jahren eine gläubige Familie, aufgrund einer Schenkung, sich dort ansiedelte. (Mehr dazu im Beitrag im Internet von Heimatforscher Thomas Tiefenbacher über die Entstehung der Wallfahrt).

     
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lia
vor 2 Wochen

ich hätte den rindermarkt bei der alten versteigerungshalle verortet.

 
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    chiller336
    vor einer Woche

    rindermarkt wurde wohl in früheren zeiten das ganze gebiet nördlich der isel im bereich der bedawebergasse und eines teils der kärntnerstraße bis zur versteigerungshalle genannt

     
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