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Natalie Istenich bei der Vernissage ihrer eigenen Ausstellung in Anras. Foto: privat

Natalie Istenich bei der Vernissage ihrer eigenen Ausstellung in Anras. Foto: privat

Mit Farbe, Kreativität und Leidenschaft

Natalie Istenich geht ihren Weg zwischen Schule und Atelier. Ein Heimweh-Interview über Selbstverwirklichung.

Vor zehn Jahren sprach Natalie Istenich in der Serie „Heimweh?“ über ihre Studienzeit am Mozarteum Salzburg und ihre tiefe Verbundenheit zur Heimat Osttirol. Damals war sie 23 Jahre alt, voller Ideen und auf dem Sprung ins Lehramt. Heute, zehn Jahre später, lebt und arbeitet sie in Lienz – und hat nicht nur ihre beruflichen, sondern auch künstlerische Träume verwirklicht.

Ein Anruf, der alles veränderte

Es war ein einziger Anruf, der das Leben der Studentin in seine künftige Richtung lenkte. Eine Lehrerin meldete sich bei ihr und erzählte, das BORG Lienz suche eine Sabbatical-Vertretung für das Schuljahr 2015/16. Natalie, damals noch mitten im Studium für Bildnerische Erziehung und Werkerziehung am Mozarteum, zögerte nicht lange. Ein Teilzeitjob, der sie zurück in ihre Heimat bringen würde – die Gelegenheit klang vielversprechend. Von da an pendelte sie jede Woche von Salzburg nach Lienz, eine halbe Woche Studentin und in der anderen Hälfte Lehrerin. Ein Kraftakt, der sich lohnte: Im April 2017 kehrte sie nach ihrem Abschluss endgültig nach Lienz zurück. Aus der Vertretung wurde eine feste Stelle.

„Es ist das Schönste, wenn man sein Hobby und seine Leidenschaft zum Beruf machen kann.“

Natalie Istenich

Anfangs, mit nur fünf Jahren Altersunterschied zu ihren Schüler:innen, fühlte sie sich unsicher, gesteht die kreative Lehrerin, die heute locker vor der Klasse steht und ihren Unterrichtsstil selbst weiterentwickelt, weil auch die Anforderungen ständig wechseln und wachsen: „Die Schülerinnen und Schüler haben weniger Zeit zum Ausprobieren, deshalb muss man schon im kreativen Entwicklungsprozess unterstützender sein.“

Die Künstlerin empfing mich in ihrem Büro/Atelier/Klassenzimmer - der Spitalskirche. Foto: Dolomitenstadt/Petutschnigg

Vom Bild zur Bühne – „TIME OUT“ als Meilenstein

Dass sie einmal ein Musical auf die Beine stellen würde, hätte sich die Studentin Natalie vor zehn Jahren wohl kaum träumen lassen. Doch 2023 passierte genau das. Gemeinsam mit Claudia Planegger übernahm sie am BORG Lienz das Fach „Darstellendes Spiel“ – und öffnete der eigenen Gestaltungsfreude eine neue Türe. Das Fach stand kurz vor dem Aus, es gab zu wenig Ressourcen. Die beiden Kolleginnen „stolperten regelrecht hinein“, lacht Natalie, aber beiden war klar, dieses Projekt durfte nicht sterben.

Und so begann im Schuljahr 2023/24 eine kreative Reise, auf der unter der Leitung von Natalie und ihrer Kollegin „TIME OUT“ entstand, ein spektakuläres Musical, von der Idee über alle dramaturgischen Elemente bis zum Bühnenbild selbst entwickelt und umgesetzt von mehr als hundert Schüler:innen, die sich als Schauspieler:innen, Musiker:innen, Sänger:innen oder Tänzer:innen engagierten. Wir haben ausführlich über das Making-of und die Aufführungen im März 2025 im Stadtsaal Lienz berichtet. Sie waren mehrfach restlos ausverkauft und rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Natalie ist zu Recht stolz auf diesen Erfolg und ruht sich dennoch nicht auf ihren Lorbeeren aus. Gemeinsam mit ihrer Kollegin hat sie sich für den Lehrgang „Theaterpädagogik“ in Innsbruck angemeldet, um noch mehr über Dramaturgie und Inszenierung zu erfahren.

Kreative Projekte und der Wunsch nach mehr

Auch abseits des Klassenzimmers bleibt die 32-Jährige ihrer Kunst treu. 2019 organisierte sie das „Cupcycling Café“ im BORG – ein temporäres Café mit Lesungen, Poetry Slams und Konzerten, die den Eingangsbereich der Schule in einen künstlerischen Treffpunkt verwandelten.

Vergangenen Herbst stellte Natalie gemeinsam mit ihrem Vater Heinz Istenich und Silvia Ebner im Pflegehaus Anras aus. Die einwöchige Ausstellung „einSein“ kombinierte großformatige Acrylbilder des Vater-Tochter-Paares mit literarischen Texten von Silvia. Natalie thematisiert in ihrer Kunst zum einen den menschlichen Körper – in Aktzeichnung, die mit wenigen Strichen sehr viel ausdrücken – und andererseits ästhetische Farbkombinationen in großen Acrylbildern. 

Natalie schwingt den Pinsel über eines ihrer Werke. Alle Fotos: Privat
Heinz Istenich, Silvia Ebner und Natalie Istenich freuen sich über die erfolgreiche Ausstellung.

Doch damit nicht genug. Die Künstlerin möchte noch mehr Raum für ihre eigene Kunst schaffen. Gemeinsam mit ihrem Vater plant sie, ein Atelier einzurichten – einen Rückzugsort, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. „Manchmal kommt die eigene Kunst zu kurz, wenn man so sehr auf die Entwicklung anderer konzentriert ist“, sagt sie nachdenklich. 

Wurzeln und Flügel

Obwohl sie ihre Rückkehr nach Lienz nie bereut hat, blickt die Lehrerin und Künstlerin inzwischen mit reiferem Blick auf ihre Entscheidung. „Manchmal denke ich, es wäre interessant gewesen, noch ein paar Jahre auswärts zu leben – Perspektiven zu sammeln.“ Dennoch ist sie glücklich, dass viele ihrer Freundinnen ebenfalls wieder zurückgekehrt sind, und schätzt die Gemeinschaft in Osttirol von ganzem Herzen.

In ihrer Freizeit ist Natalie viel unterwegs – mit ihrer „Mädelsrunde“, auf Reisen oder gemeinsam mit der Familie in den Bergen. Die Liebe zur Natur und die Verbundenheit zur Heimat sind geblieben, stärker als je zuvor.

Rückblickend würde Natalie Istenich ihrem jüngeren Ich vor allem eines raten: „Sei mutiger, trau dich mehr.“ Denn obwohl viele ihrer Träume in Erfüllung gegangen sind, spürt sie, dass da noch mehr möglich ist. Die Reise ist noch lange nicht zu Ende – weder im Klassenzimmer noch im Atelier.

Melina Petutschnigg hat die HAK in Lienz absolviert, arbeitet derzeit als Jungjournalistin bei Dolomitenstadt und beginnt im Herbst ein Studium am MCI in Innsbruck.

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